Der Mischkonzern Saint-Gobain trennt sich von seiner 11-Prozent-Beteiligung am Bauchemiespezialisten Sika. Und das gerade mal zwei Wochen nach Ablauf der zweijährigen Sperrfrist. Im Rahmen eines beschleunigten Bieterverfahrens werden 15,2 Millionen Aktien zu jeweils 168,42 Franken bei neuen Investoren platziert. Die Beteiligung weist damit einen Marktwert von 2,56 Milliarden Franken auf. Sie geht auf den damals vereitelten Versuch Saint-Gobains zurück, den Sika-Familienaktionären das Mehrheitspaket abzukaufen, ohne den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot machen zu müssen.
In Expertenkreisen zeigt man sich weniger vom Ausstieg selber überrascht, als vielmehr vom Zeitpunkt. Entsprechende Spekulationen kursierten nämlich schon eine ganze Weile (der cash Insider berichtete). Allerdings seien die Ausstiegspläne der Franzosen "überhastet", so lautet der Tenor. Dass es Saint-Gobain eilig hat, erklären sich Beobachter auch damit, dass die in ähnlichen Absatzmärkten tätigen Franzosen die Sika-Aktie für überbewertet halten könnten.
Denn obwohl auch Sika die wirtschaftlichen Folgen der Pandemiekrise spüren dürfte, erholte sich der Aktienkurs des Bauchemiespezialisten in den letzten Wochen kräftig.
Am Mittwoch ist damit nun aber erst einmal Schluss. Nach einem frühen Rücksetzer in die Nähe von 166 Franken wird die Sika-Aktie zur Stunde noch mit einem Minus von 5 Prozent auf 169 Franken für die Ausstiegspläne des Grossaktionärs abgestraft.
Auch die Zürcher Kantonalbank erklärt sich den raschen Ausstieg mit dem zuletzt guten Lauf der Sika-Aktie. Die Zürcher Bank gewinnt dem Ausstieg Saint-Gobains aber nicht nur negative, sondern auch positive Aspekte ab. So erhöht sich die Handelbarkeit der Aktie durch die Beteiligungsplatzierung auf 100 Prozent. Das wiederum führt zu einer leichten Gewichtserhöhung der Aktie in den Aktienindizes. Die Zürcher Kantonalbank stuft die Sika-Aktie aus Bewertungsgründen nur mit "Marktgewichten" ein.
Erahnte MainFirst die Beteiligungsplatzierung?
Mit dem Paketverkauf falle bei Sika ein zentraler Unsicherheitsfaktor weg, so ergänzt Vontobel. Die Zürcher Bank sieht in der damit verbundenen Kursschwäche kurzfristige als Kaufgelegenheit und erhöht ihr Kursziel für die Aktie bei dieser Gelegenheit auf 175 (zuvor 165) Franken. Allerdings hält Vontobel am "Hold" lautenden Anlageurteil fest.
Gut steht die MainFirst Bank da. Sie hatte ihre Empfehlung rund 24 Stunden vor Bekanntwerden der Pläne von "Buy" auf "Hold" zurückgenommen und ihre Gewinnschätzungen für Sika um bis zu 7 Prozent gesenkt. Dabei argumentierte der zuständige Analyst neben der Abhängigkeit von der darbenden Automobilindustrie auch mit der Möglichkeit eines Beteiligungsverkaufs durch Saint-Gobain. Beobachter fragen sich nun, ob man bei der MainFirst Bank über die bevorstehenden Aktienplatzierung etwas ahnte.
Seit den Mehrjahrestiefstkursen von Mitte März bei 125 Franken konnte die Sika-Aktien mehr als 40 Prozent an Boden gutmachen. Mittlerweile trennen sie nur noch rund 10 Prozent vom Rekordhoch vom Februar bei knapp 197 Franken.