Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, die von Russland ausgerufene Feuerpause über Ostern verletzt zu haben. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Sonntag, die Ukraine habe die Feuerpause mehr als ein Tausend Mal gebrochen. Dabei seien auch Zivilisten getötet worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte mit, Russland habe die Angriffe am Sonntag verstärkt. Von Mitternacht bis zum frühen Mittag habe Russland 26 Angriffe gestartet, schrieb Selenskyj auf X. «Entweder hat (der russische Präsident Wladimir) Putin nicht die volle Kontrolle über seine Armee oder die Situation zeigt, dass Russland nicht die Absicht hat, einen echten Schritt zur Beendigung des Krieges zu unternehmen und nur Interesse an positiver PR hat.»

Die russische Führung täusche die Feuerpause an Ostern nur vor, hatte Selenskyj bereits zuvor in den sozialen Medien gesagt. «Im Allgemeinen können wir seit dem Ostermorgen sagen, dass die russische Armee versucht, den allgemeinen Eindruck einer Feuerpause zu erwecken, aber an einigen Stellen gibt sie einzelne Versuche nicht auf, vorzudringen und der Ukraine Verluste zuzufügen», erklärte Selenskyj. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Samstag eine einseitige 30-stündige Feuerpause ausgerufen. Danach sollen die Kampfhandlungen von Samstag 18.00 Uhr Moskauer Zeit (17.00 Uhr MESZ) bis Sonntag Mitternacht eingestellt werden. Selenskyj hatte darauf umgehend skeptisch reagiert. Die EU-Kommission hatte sich zurückhaltend gezeigt.

Selenskyj zufolge gab es noch am Samstagabend Hunderte von Angriffen. Auch am Morgen des Ostersonntags hätten die russischen Truppen weiter angegriffen. Russland müsse die Feuerpause vollständig einhalten, forderte der ukrainische Präsident. Der Vorschlag seines Landes, die Feuerpause nach Ostern auf 30 Tage auszuweiten, bestehe weiterhin, fügte er hinzu. Wenn Russland aber am Sonntag seine Angriffe fortsetze, würden auch die ukrainischen Streitkräfte weiter kämpfen. «Die Ukraine wird weiterhin spiegelbildlich handeln.»

Selenskyj rief die Bevölkerung in seinem Land auf, die Hoffnung auf Frieden nicht aufzugeben. Die Menschen sollten durchhalten. Die Ukraine verliere niemals den Glauben. «Der Tag des Lebens wird kommen. Der Tag des Friedens. Der Tag der Ukraine», sagte Selenskyj in einem in den sozialen Medien verbreiteten Video, das ihn vor der Sophienkathedrale zeigt, der Hauptkirche von Kiew aus dem 11. Jahrhundert und einem zentralen Symbol der ukrainischen Identität.

Putin reagiert mit Feuerpause auf Drohung der USA

Putin hatte am Samstag eine einseitige Feuerpause zu Ostern angekündigt. «Ich ordne einen Stopp aller militärischen Aktivitäten für diesen Zeitraum an», sagte der russische Präsident am Samstag bei einem Treffen mit seinem Militärchef Waleri Gerassimow im Kreml. «Wir gehen davon aus, dass die Ukraine unserem Beispiel folgen wird.» Die russischen Truppen sollten aber bereit sein, mögliche Verstösse gegen die Feuerpause und Provokationen des Feindes abzuwehren, fügte Putin hinzu.

Laut dem russische Verteidigungsministerium seien mehr als 900 ukrainische Drohnenangriffe gezählt worden sowie 444 Angriffe auf russische Stellungen. Zu den Zielen gehörten die Grenzgebiete Brjansk, Kursk und Belgorod. Dort sei Infrastruktur beschädigt worden.

Die USA hatten am Karfreitag mit der Aufgabe ihrer Bemühungen um ein Ende des seit Februar 2022 dauernden Krieges in der Ukraine gedroht, sollte es keine raschen Fortschritte und keine klaren Anzeichen für eine mögliche Einigung geben. «Wir werden dieses Unterfangen nicht wochen- und monatelang fortsetzen», sagte US-Aussenminister Marco Rubio zu den Vermittlungen der USA. «Deshalb müssen wir jetzt sehr schnell – und ich spreche von Tagen – feststellen, ob dies in den nächsten Wochen machbar ist oder nicht.» Rubio äusserte sich nach Beratungen mit Vertretern der Ukraine und anderer europäischer Staaten, die am Donnerstag in Paris stattgefunden hatten. Es waren die ersten substanziellen, hochrangigen und persönlichen Gespräche über die Friedensbemühungen der USA, an denen auch europäische Staaten teilnahmen.

US-Präsident Donald Trump selbst drohte wenig später ebenfalls mit einer Beendigung der Friedensbemühungen. «Falls eine der beiden Parteien es sehr schwierig macht, werden wir einfach sagen: 'Ihr seid töricht, ihr seid Narren, ihr seid schreckliche Menschen', und wir werden darauf verzichten.» Er hoffe aber, dass das nicht nötig sein werde, sagte Trump am Freitag.

(Reuters)