Ungeachtet der Rufe nach einer Waffenruhe bekämpfen sich Israel und die radikalislamische Hisbollah im Libanon mit unverminderter Härte weiter. Das israelische Militär teilte am Sonntag mit, die Luftwaffe habe Dutzende Ziele angegriffen, darunter Abschussanlagen und Waffenlager.

Nach dem Tod des langjährigen Hisbollah-Anführers Sajjed Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff setzte die vom Iran unterstützte Miliz ihrerseits Angriffe auf Israel fort. Laut der israelischen Marine wurden acht vom Libanon kommende Geschosse abgefangen. Auch ein weiteres vom Roten Meer sei unschädlich gemacht worden.

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei drohte unterdessen von Teheran aus, der Tod von Nasrallah werde nicht ungesühnt bleiben. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wies das Militär an, seine Präsenz im Nahen Osten durch «defensive» Luftunterstützung zu verstärken. Zudem wurde die Einsatzbereitschaft weiterer Einheiten erhöht. Ein Sprecher erklärte, die USA würden alle notwendigen Massnahmen zur Verteidigung ergreifen, sollten der Iran, seine Partner oder Stellvertreter die Gelegenheit nutzen, US-Personal oder amerikanische Interessen in der Region anzugreifen.

Nasrallahs Leiche wurde aus den Trümmern des Hauptquartiers der Miliz in Beirut geborgen, wie Gewährsleute der Nachrichtenagentur Reuters mitteilten. Israel hatte am Samstag die Tötung von Nasrallah bekanntgegeben. Dessen Tod dürfte nicht nur ein schwerer Rückschlag für die Hisbollah sein, sondern auch für den Iran. Dessen Revolutionsgarden hatten die Miliz mit Sitz im Libanon 1982 gegründet. Nasrallah führte die Gruppe 32 Jahre lang.

Bei den israelischen Angriffen im Libanon wurde laut Insidern in der Bekaa-Ebene im Osten des Landes auch ein Führungsmitglied der sunnitischen Dschama Islamija getötet, die wie die schiitische Hisbollah seit längerem Israel mit Raketen attackiert. Es soll sich um die Führungsfigur Mohammed Dahrudsch handeln.

Vertreter der USA, Grossbritanniens und anderer Staaten fordern nachdrücklich eine Waffenruhe. Bundesaussenministerin Annalena Baerbock beschrieb die Lage als «brandgefährlich». Entsprechend habe es Appelle mehrerer Staaten nach einer Feuerpause gegeben: «Wir werden weiter mit Hochdruck daran arbeiten», sagte sie der ARD. Israel hat Reservebrigaden mobilisiert und erklärt, es sei zu allen Optionen bereit, darunter auch zu einer Bodenoperation im Libanon.

Libanon: Eine Million Menschen geflohen

Erklärtes Ziel Israels ist es, den Norden seines Staatsgebiets vor dem Raketenbeschuss der Hisbollah zu schützen und Tausenden Vertriebenen die Rückkehr zu ermöglichen. Israel werde es allerdings nicht schaffen, diese Menschen sicher in ihre Häuser zurückzubringen, indem es einen umfassenden Krieg gegen die Hisbollah oder den Iran führe, sagte der Sprecher für nationale Sicherheit im Weissen Haus, John Kirby. Die USA würden den Dialog mit Israel fortsetzen, was zu tun sei, sagte er CNN.

Die israelischen Angriffe haben auch verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung im Libanon. Laut dem Gesundheitsministerium sind in den vergangenen zwei Wochen mehr als 1000 Einwohner getötet und 6000 verletzt worden. Wie viele Zivilisten darunter sind, blieb unklar. Die Regierung erklärte, eine Million Menschen – ein Fünftel der Bevölkerung – seien aus ihrer Heimat geflohen.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen teilte mit, es habe eine Notoperation eingeleitet, um die vom Konflikt betroffenen Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Im Verlauf der zweitägigen israelischen Angriffe wurden auch 14 Sanitäter getötet, wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte.

(Reuters)