In der Pharmabranche sei die Pipeline der wichtigste Faktor, schreibt der Experte Stefan Schneider. Denn darin befinden sich die zukünftigen Wachstumstreiber in der Entwicklung. Der Mechanismus ist dabei immer derselbe: Die Produkte werden lanciert und treiben das Wachstum an. Jahre nach der Markteinführung, wenn das Patent des Medikaments ausläuft, kommen Generika auf den Markt und schmälern den Umsatz des Originalpräparats. In der Zwischenzeit sollten neue Phase-3-Präparate auf den Markt gekommen sein, um die verlorenen Umsätze zu ersetzen und das Wachstum weiter anzukurbeln.
Besonderes Augenmerk wird auf Produkte in der Spätphase gelegt, da für diese Produkte die meisten Informationen zur Verfügung stehen, die Erfolgswahrscheinlichkeit im Vergleich zu früheren Phasen höher ist und die Zeit bis zur Markteinführung in einem Bereich liegt, mit dem sich die Anleger identifizieren können.
Novartis
«Novartis gefällt uns, da das Unternehmen eine starke Wachstumsdynamik durch seine derzeit eingeführten Produkte geniesst», schreiben die Analysten im Bericht. 13 dieser Produkte hätten den Blockbuster-Status, also mehr als 1 Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr, die das Unternehmen über die Patentklippe 2025 und darüber hinaus tragen werden.
Das Unternehmen hat sechs neuartige Wirkstoffe in Phase 3, die reichlich Möglichkeiten bieten, das Wachstum in den kommenden Jahren voranzutreiben.
Dennoch bestehe bei Novartis derzeit die Sorge im Markt, dass die Mitte des Jahres anstehenden Patentabläufe für Tasigna, Promacta und US-Entresto das Wachstum des Unternehmens mehr als erwartet bremsen werden. Schneider erachtet dies allerdings als unwahrscheinlich, da Patentabläufe bereits Jahre im Voraus bekannt sind, so der Experte.
Trotzdem dürfte Novartis laut Vontobel insbesondere in der ersten Jahreshälfte stärker wachsen als in der zweiten. Entscheidend ist allerdings, dass das Unternehmen im Gesamtjahr wachsen wird, was durch eine in den letzten Jahren aufgebaute starke Pipeline möglich sei.
Roche
Ähnlich äussern sich die Experten zum anstehenden Geschäftsjahr bei Roche: Aufgrund des Scheiterns mehrerer Produkte in der späten Entwicklungsphase im Jahr 2022 verfügt Roche über ein relativ junges Produktportfolio.
«Wir sehen das Jahr 2025 als ein Jahr des Übergangs in der Pipeline, in dem mehrere Wirkstoffe von der Phase 2 in die Phase 3 übergehen, darunter sieben neue Wirkstoffe, die zum ersten Mal auf den Markt kommen.» Für Roche wäre das eine starke Bilanz, wie auch CEO Thomas Schinecker an der Investorenkonferenz zum laufenden Geschäftsjahr verdeutlichte: «Das wäre für uns wirklich ein Rekord, wenn ich das mit den letzten 10 Jahren oder so vergleiche.»
Bis dahin wird das Wachstum aber von den kürzlich eingeführten Wirkstoffen getragen, die das Wachstum weiter vorantreiben. Das Portfolio dürfte laut Vontobel auch in den kommenden Jahren für Wachstum sorgen. Im Gegensatz zu Novartis verfügt Roche gar über 17 Blockbuster-Medikamente, welche laut Vontobel die Marge gut absichern.
Unschlüssiger Vergleich
Die Analysten sehen 14 Schlüsselereignisse in der Pipeline von Novartis für das laufende Geschäftsjahr. Bei Roche sind es 29, was sich auch in den unbereinigten Umsatzpotenzialen der Medikamentenkandidaten widerspiegelt. Daraus ergibt sich ein Spitzenumsatz von 14,1 Milliarden Franken für Roche und 9,2 Milliarden Dollar für Novartis im Jahr 2025.
Allerdings seien klinische Daten mit Risiken behaftet, wodurch sich nach einer Risikoanpassung in etwa das gleiche Umsatzpotenzial für beide Unternehmen ergebe. Die Experten schreiben jedoch: «Wir halten die Investition in Novartis für weniger riskant als die in Roche, da das Unternehmen weniger risikoreiche Studien am Laufen hat.» Roche hat dabei eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 32 Prozent für seine gesamte Pipeline und Novartis von 52 Prozent.
Nebst den Schlüsselereignissen zeigt die Analyse zudem, dass Roche dieses Jahr die Phase-2-Ergebnisse für sechs neue Medikamente (NMEs) erwartet, während Novartis nur eines hat. Daraus ergibt sich für Roche ein zusätzliches Spitzenumsatzpotenzial von 3,5 Milliarden Franken, welches bei Roche berücksichtigt wird, während ein solches bei Novartis fehlt. Vermögenswerte im mittleren Stadium seien allerdings schwieriger zu bewerten, da weniger Daten zur Verfügung stehen - vor allem, wenn es sich um neuartige Medikamente handelt.
«Die Art und Weise, wie wir den risikobereinigten Umsatzbeitrag für Roche und Novartis in den nächsten Jahren modellieren, spricht für Novartis», konstatiert Vontobel. Investoren von Roche sind hingegen einem höheren Risiko, aber auch einem höheren Renditepotenzial ausgesetzt. Aufgrund von Zweitrundeneffekten könnte Roche aufholen, wenn Analysten ihre Umsatzschätzungen für Wirkstoffe, die erfolgreich von der Phase 2 in die Phase 3 übergegangen sind, erhöhen.
Fazit für Anleger
Die Pharmaindustrie hat im letzten Jahr unterdurchschnittlich abgeschnitten, da Anleger in zyklischere Titel investierten, getragen von Hoffnungen auf steigendes Wirtschaftswachstum. Seit Jahresbeginn sind die defensiveren Pharmawerte jedoch wieder mehr in den Fokus gerückt, da die Ängste vor einem umfassenderen Zollkrieg seitens der USA zunehmen.
Anhand einer Kurs-Gewinn-Verhältnis-Analyse sieht Vontobel für beide Unternehmen Aufwärtspotenzial. Beide KGVs liegen unter ihrem respektiven 8-Jahres-Durchschnitt - wobei Novartis mehr Aufwärtspotenzial aufweist als Roche. Beide Titel werden von der Bank mit Kaufen eingestuft. Für Novartis bleibt das Kursziel unverändert bei 118 Franken, während bei Roche eine Anpassung vorgenommen wurde.
Im Rahmen der Studie erhöht Stefan Schneider die Erfolgswahrscheinlichkeit von Trontinemab, einem Alzheimer-Medikament in Kombination mit der Brainshuttle-Technologie von Roche, die sich derzeit in der Phase 1/2 der Entwicklung befindet. Damit wurde die jüngste Kurszielerhöhung von 315 auf 320 Franken begründet.