Die Frage ist ein Klassiker in der beruflichen Vorsorge: Bezieht man zur Pensionierung das Kapital, nimmt man die Rente oder wählt man eine Kombination aus Kapital und Rente? Die Antwort hängt je länger je mehr nicht mehr nur von den persönlichen Bedürfnissen oder der Finanz- und Lebenslage ab. Denn Pensionskassen bieten vermehrt neue Optionen an - auch solche, die Risiken mindern sollen.

Ein Beispiel ist Medpension, die berufliche Vorsorge für medizinische Leistungserbringer wie Arztpraxen, Kliniken und Spitäler beziehungsweise deren Mitarbeitende anbietet. Hier können die Versicherten ihr Altersguthaben für den Fall absichern, dass sie innerhalb von zehn Jahren nach erfolgter Pensionierung sterben. Damit geht das im Todesfall noch vorhandene Guthaben nicht einfach verloren, sondern wird den Hinterlassenen rückgewährt.

Die zurückbezahlte Summe entspricht dem im Zeitpunkt der Pensionierung vorhandenen Altersguthaben minus den bis zum Tod ausbezahlten Altersleistungen sowie allfälliger Hinterlassenenleistungen. Diese Versicherung ist nicht gratis: Sie werde über eine tiefere Altersrente finanziert, das heisst durch einen Abschlag auf dem Umwandlungssatz, wie Medpension auf Anfrage von cash.ch mitteilt.

Ein ähnliches Modell hat die Profond-Pensionskasse eingeführt, wie die «Neue Zürcher Zeitung» kürzlich schrieb, und zwar eine Altersrente mit Kapitalschutz: Ein Versicherter entscheidet sich für die Rente, nimmt aber einen um wenige Zehntelprozentpunkte tieferen Umwandlungssatz sowie eine entsprechend niedrigere Rente in Kauf. Bei einem frühen Tod, zum Beispiel mit 70, zahlt Profond die Differenz zwischen den schon bezogenen Renten und dem anfänglich vorhandenen Altersguthaben an die Hinterbliebenen aus. Diese gehen folglich nicht leer aus.

Modelle wie diese machen die Rente wieder attraktiver, nachdem es in den vergangenen Jahren einen Trend hin zum Kapitalbezug gegeben hat. Speziell bemerkenswert sind die neuen Rentenmodelle aber mit Blick auf die Pläne des Bundes zu den Kapitalbezugssteuern. 

Die Regierung will die Steuern auf dem ausbezahlten Vorsorgekapital der zweiten und dritten Säule erhöhen. Damit würde eines von mehreren Motiven für den Guthabensbezug wegfallen, womit Pensionierte stärker als bisher auf die Rente verwiesen wären.

Die Abwägung hängt etwa auch von den kantonalen Steuersätzen, der Höhe des Kapitalbezugs und der weiteren Entwicklung der Umwandlungssätze ab. Ob die Pläne des Bundes umgesetzt werden, ist noch offen. Das Paket, das die Steuerrechtsänderungen enthält, untersteht dem fakultativen Referendum.

Flexible Rentenmodelle: «Grundsätzlich begrüssenswert»

Bei der BVK, der Personalvorsorge des Kantons Zürich, gibt es zwei Alternativen zur bislang bekannten Normrente. Im einen Modell bezieht man unmittelbar nach der Pensionierung eine um rund 13 Prozent erhöhte Rente, die anschliessend bis zum 75. Altersjahr kontinuierlich sinkt. Ab 75 wird bis zum Lebensende eine gleichbleibende Rente ausbezahlt, die 3 Prozent tiefer ist als die Normrente. Dieses Modell geht davon aus, dass die Menschen kurz nach der Pensionierung aktiver sind und daher mehr Geld brauchen als im weiter fortgeschrittenen Alter. 

Das andere Modell der BVK verbindet Kapitalbezug und Rente. Zunächst entscheidet man sich für einen Betrag, sozusagen für ein Startkapital, das für persönliche Wünsche, grössere Anschaffungen oder die Amortisation einer Hypothek verwendet wird. Die Höhe dieses Betrags entspricht dem Rentenanspruch, der sich für die Zeit zwischen der Pensionierung und dem 75. Geburtstag ergibt. Ab 75 wird die Normrente ausgerichtet.

Mit diesen Modellen will die BVK einen Nachteil des herkömmlichen Kapitalbezugs angehen: Das Risiko, dass das in Eigenregie verwaltete Vermögen zu stark schmilzt und man in finanzielle Engpässe gerät. Bei den 2024 eingeführten Modellen gibt es spätestens ab dem 75. Lebensjahr eine lebenslang ausbezahlte Rente.

Ein weiteres Konzept, das vom Vorsorgedienstleister Pensexpert stammt, geht von zwei Prämissen aus. Erstens, dass der Arbeitskräftemangel anhält. Zweitens, dass die Steuerbelastung überproportional ansteigt, wenn Pensionierte vorübergehend ins Erwerbssleben zurückkehren. In diesem Fall beziehen sie drei Einkommen, die Pensionkassenrente, die AHV-Rente und ein Arbeitseinkommen - was aufgrund des progressiven Steuersystems ungünstig ist. 

Reichen die AHV und das wieder hinzugekommene Erwerbseinkommen für den Lebensunterhalt, kann auf die Rente aus der zweiten Säule zeitweilig verzichtet werden. Mit der «Stop-and-Go»-Rente soll das möglich sein. Der Unterbruch der Pensionskassenrente reduziert die Steuerbelastung. Zudem, so das Konzept, erhält man einen Zuschlag auf die Rente - ein Ausgleich für das Pausieren.

Insgesamt würden erwerbstätige Pensionierte profitieren, sagen die Vorsorgeberater von Pensexpert. Sie haben die «Stop-and-Go»-Rente in ihrer Sammelstiftung umgesetzt. Aktuell haben sie noch keine Kunden, wie Experte Mario Bucher auf Anfrage von cash.ch sagt. Er spricht jedoch von einem «echten Mehrwert» des Modells.

Wegen der grösseren Flexibilität seien die Rentenmodelle «grundsätzlich begrüssenswert», sagt Andrea Klein, Leiterin des Fachzentrums Finanzplanung bei Raiffeisen Schweiz. Flexible Rentenmodelle trügen dem Umstand Rechnung, «dass man in unterschiedlichen Lebensphasen nicht den gleichen Geldbedarf hat». Nachdem man kurz nach der Pensionierung aktiver gewesen ist und mehr Geld gebraucht hat, rücken mit zunehmendem Alter die Vorteil einer regelmässig ausbezahlten Rente in den Vordergrund - «da diese ein geregeltes Grundeinkommen garantiert und aufgrund der lebenslangen Auszahlung das Langlebigkeitsrisiko absichert», so Klein.

Einen Nachteil sieht die Vorsorgeexpertin in der erhöhten Komplexität, die auf ein tiefes Vorsorgewissen der Schweizer Bevölkerung treffe. «Neue Rentenmodelle dürften diese Unsicherheiten zusätzlich verstärken und den Beratungsbedarf erhöhen.»

Zudem: In die Wahl des passenden Rentenmodells spielen die steuerlichen Folgen hinein, die laut Klein aber nicht im Vordergrund stehen sollten. Aktuell sei noch nicht klar, wie die unterschiedlich ausgestalteten flexiblen Rentenmodelle steuerlich umgesetzt würden.

Kassen unterscheiden zwischen fixem und variablem Rentenanteil

Einige Pensionskassen haben das Modell einer ab der Pensionierung lebenslang konstanten Rente aufgeweicht. Ein Beispiel ist die Vorsorgeeinrichtung der Agrargenossenschaft Fenaco. Sie kennt eine Zielaltersrente, die aufgeteilt ist in ein 90-prozentiges Fixum und einen 10-prozentigen variablen Teil.

Die Fixrente wird unabhängig von der finanziellen Lage der Pensionskasse lebenslang ausgerichtet. Die variable Altersrente wird unter Umständen nicht ausgerichtet - wenn der Deckungsgrad bei zwei aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen unter 100 Prozent liegt und es eine tiefere Verzinsung als der BVG-Mindestzinssatz bei den aktiven Versicherten im dritten Jahr gibt.

Geschäftsführer André Kühne sagt, die finanzielle Stabilität der Fenaco-Pensionskasse sei seit Jahren gut. «Seit der Gründung der Pensionskasse fenaco 1998 waren die Voraussetzungen für die Nicht-Ausrichtung des variablen Bestandteils noch nie erfüllt.» In den vergangenen Jahren war der Deckungsgrad der Fenaco-Pensionskasse stets über 100 Prozent, konkret: 114 Prozent im Jahr 2023, 111 Prozent im Jahr 2022 und 126 Prozent im Jahr 2021. Die Zahl für 2024 befindet sich in Prüfung und ist noch nicht bekannt.

Ähnliche Modelle wie die Kasse von Fenaco haben die Vorsorgeeinrichtungen des Bauunternehmens Implenia und die PKE Vorsorgestiftung Energie eingeführt. Die Rentner tragen so zur finanzielle Stabilität der Pensionskassen bei, büssen aber Planungssicherheit teilweise ein.

Reto Zanettin
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