Die Rendite der Bundesobligationen fällt in Richtung null Prozent. Anfang Jahr warfen die 10-jährigen Bundesobligationen noch 0,68 Prozent ab und im Zwischenhoch Mitte Mai gar 0,92 Prozent. Am Dienstag im späten Handel wurde nun ein neues Mehrjahrestief von 0,12 Prozent gemäss Daten von Bloomberg erreicht. 

Auffällig ist: Während die Renditen der zehnjährigen noch im positiven Bereich sind, stehen die fünfjährigen mit einer Null bereits an der Schwelle zu Negativrenditen.

Auslöser für den neuerlichen Renditerückgang am Schweizer Kapitalmarkt waren die geopolitischen Spannungen und der Euro. Die europäische Einheitswährung wird weiterhin von teilweise sehr schwachen Konjunkturdaten belastet. Auf die Stimmung drücken zudem die Regierungskrise und der Budgetstreit in Frankreich sowie die unklaren Verhältnisse vor den anstehenden Bundestagswahlen in Deutschland.

Ein zentraler Faktor ist zudem das geringe Angebot an Bundesobligationen. Die Eidgenossenschaft hat zu wenig Schulden, um die hohe Nachfrage der Investoren nach den ultrasicheren Geldanlagen Schweizer Staatsanleihen zu bedienen. Das ist gerade für Schweizer Pensionskassen problematisch. Um die Anlagevorschriften einzuhalten, haben diese keine Alternative, als in hiesige Bundesobligationen zu investieren. Dies ist indes ein Teufelskreis: Deren Nachfrage sorgt für sinkende Renditen, welche den Zinsertrag noch unattraktiver machen. 

Festhypotheken gewinnen weiter an Attraktivität hinzu

Die ultratiefen Renditen in fast allen Laufzeiten haben auf der anderen Seite besonders die Festhypothekenzinsen fallen lassen. Der beste Preis für eine 10-jährige Festhypothek steht gemäss Daten von hypotheke.ch noch bei 1,1 Prozent. Aber auch Saron-Hypothekarnehmer dürfen hoffen. An den Zinsmärkten wird auf Jahressicht mittlerweile ein Leitzins von Null eingepreist. Das entspräche einem Rückgang beim Saron um 100 Basispunkte. 

Ein weiterer Gewinner sind die Mieterinnen und Mieter: Senkt die Schweizerische Nationalbank wie erwartet, liegen nächstes Jahr mit dem sinkenden Durchschnittszins wohl bis zu zwei Referenzzinssatzsenkungen drin. Im Dezember wurde der Schwellenwert für eine erste Senkung des Referenzsatzes nur minimal verpasst.

Kommt im Dezember der «Jumbo-Schritt» durch die Nationalbank?

Nachdem Martin Schlegel, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), jüngst zwei Mal die Möglichkeit von Negativzinsen nicht ausgeschlossen hat, sind neuerliche Zinsspekulationen wild aus dem Boden geschossen. Marktteilnehmer spielen nun mit dem Gedanken, die Nationalbank könnte an der kommenden Sitzung zur geldpolitischen Lagebeurteilung vom 12. Dezember den Leitzins um 0,50 Prozentpunkte und nicht nur um 0,25 Prozentpunkte senken. Der Markt preist diese Möglichkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent ein. 

Während Karsten Junius, Chefökonom von J. Safra Sarasin, einen derartigen «Jumbo-Schritt» begrüssen würde, sind andere Marktteilnehmer eher zurückhaltend. Die von Bloomberg befragten Ökonomen erwarten im Schnitt eine Rückgang um 25 Basispunkte.  

Divergierende Meinungen zum weiteren Zinspfad

Die Experten erwarten unisono weitere Zinssenkungen von der SNB. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, wie stark der Rückgang ausfallen wird. Die eine Gruppe sieht den Leitzins von derzeit 1,0 Prozentpunkte bis Ende 2025 auf 0,25 Prozentpunkte oder - je nach Zinspfad der Europäischen Zentralbank (EZB) - gar bis auf Null absinken.

Die UBS-Ökonomen Maxime Botteron und Alessandro Bee zeigen sich auf der anderen Seite etwas zurückhaltender im am Mittwoch veröffentlichten Zinsausblick für 2025. Sie erwarten eine Senkung des Leitzinses im Dezember 2024 und im März 2025 um je 25 Basispunkte, wobei dann für den Rest des kommenden Jahres ein stabiler Leitzins von 0,50 Prozent beibehalten wird.

Das Risiko eines niedrigeren Leitzinses im gesamten Jahr 2025 ist jedoch insgesamt gestiegen, betonen die UBS-Experten. «Wir prognostizieren, dass die Inflation im ersten Quartal auf 0,5 Prozent oder weniger sinken wird, was auf eine durchschnittliche Senkung der Strompreise um 10 Prozent zurückzuführen ist. Dadurch sollte die Inflationsrate um bis zu 0,2 Prozentpunkte sinken. Eine derart niedrige Inflation wird wahrscheinlich die Erwartungen einer weiteren geldpolitischen Lockerung durch die SNB schüren.»

Darüber hinaus könnten potenzielle US-Zölle und ein schleppendes Wachstum in der Eurozone die Beschleunigung der Schweizer Wirtschaft im Jahr 2025 behindern. Wenn das Wachstum bei niedriger Inflation unter dem Potenzial bleibt, könnte eine expansivere Geldpolitik gerechtfertigt sein. In einem solchen Szenario würde ein Leitzins, der näher an dem liegt, was die Finanzmärkte derzeit erwarten, wahrscheinlicher, halten Botteron und Bee fest. 

Die UBS-Ökonomen halten sich damit die Möglichkeit von zwei Zinssenkungen  im Jahr 2025 offen. Ein negativer Leitzins ist aber nach wie vor ein Szenario mit geringer Wahrscheinlichkeit, das nur in einem Umfeld mit anhaltendem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken, einer Inflationsrate nahe null oder im negativen Bereich und einem rezessiven Umfeld in Europa in Betracht gezogen wird.

Sparkonto werden unattraktiver

In allen Szenarien sind nicht nur die Pensionskassen von sinkenden Erträgen betroffen. Auch Sparkonti dürften wegen den rückläufigen Verzinsungen zunehmend unattraktiver werden. Für viele Inhaberinnen und Inhaber kann es deshalb sinnvoll sein, sich an der Schweizer Börse nach soliden Unternehmen mit einer attraktiven Dividendenrendite umzusehen. 

Auch Hypothekarnehmer sollten sich Gedanken machen. Während die Kosten für eine Saron-Hypothek sinken dürften, könnte bei den Festhypotheken der Tiefpunkt erreicht sein. Matthias Geissbühler, Anlagechef der Raiffeisen Schweiz, betont auf Anfrage von cash.ch: «Die langfristigen Zinsen sind in der Schweiz bereits sehr stark gefallen und nehmen weitere Leitzinssenkungen der SNB vorweg. Dass diese noch deutlich weiter zurückgehen, wäre aus unserer Sicht nur im Falle einer Rezession wahrscheinlich. In unserem Konjunkturszenario gehen wir jedoch von einer Normalisierung der Zinskurve aus und rechnen daher mit leicht höheren Zinsen am langen Ende bis Ende 2025.» 

Entsprechend bleiben Hypothekarnehmer weiterhin gut beraten, sich auf den derzeit attraktiven Zinsniveaus zu refinanzieren. 

Thomas Daniel Marti
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