Getragen von der Hoffnung auf eine rasche Einigung im US-Schuldenstreit nahm der deutsche Leitindex nach zähen Wochen sein bisheriges Allzeithoch von 16.290,19 Punkten ins Visier und stand am Freitag mit 16'270 Punkten auf Wochensicht gut zwei Prozent im Plus.

Stelle sich der Ausbruch nach oben nicht als Eintagsfliege heraus, dürften neue Höchststände die Folge sein, prognostiziert Christian Henke vom Broker IG. "Das nächste Etappenziel wäre dann die nächste runde Zahl bei 17'000 Zählern."

Die Anleger schauten mittlerweile wieder optimistischer nach vorne, sagt Frank Sohlleder, Marktanalyst für das Handelshaus ActivTrades. "Die Unternehmen verdienen letztendlich kräftig, auch während oder gerade wegen der Inflation, was die Quartalsberichte eindrucksvoll belegen."

Die Nachfrage bleibe ungebremst hoch. Rund die Hälfte der im Index STOXX 600 vertretenen Unternehmen haben ihre Bilanzen für das erste Quartal präsentiert und rund zwei Drittel haben dabei die Erwartungen übertreffen können. "So lange die Konsumenten noch den ein oder anderen Euro auf der hohen Kante haben, dürfte das Nachfragesignal auch nicht erlöschen", sagt Sohlleder.

Uhr für US-Schuldenobergrenze tickt

Sollte das Damoklesschwert Schuldenstreit aus den USA bald endgültig vom Tisch sein, sehen Strategen weiteren Rückenwind für die Aktienmärkte. Die verhärteten Fronten zwischen Republikanern und Demokraten hatten die Nervosität an den Börsen wochenlang geschürt. Finanzministerin Janet Yellen hatte vor einem weltweiten Finanzbeben gewarnt, sollte es zu einem Zahlungsausfall der USA kommen.

Beide Seiten hatten zuletzt aber ihre Entschlossenheit zu einer raschen Einigung beteuert und den Optimismus der Anleger geweckt. Bis zum Wochenende muss nach Darstellung des Republikaners Kevin McCarthy ein Deal stehen, um die Vereinbarung durch den Senat und das Repräsentantenhaus bringen zu können. Präsident Joe Biden wird am Sonntag und damit früher als geplant vom G7-Gipfel in Japan zurückreisen.

Zinsentscheidungen in China und der Türkei

Bei den Zentralbank blicken Anleger zum Wochenstart auf die Zinsentscheidung der People's Bank of China (PBoC). Der Preisauftrieb in China ist trotz der wirtschaftlichen Erholung fast zum Erliegen gekommen und nährt Spekulationen auf Zinssenkungen. Die Wirtschaft der Volksrepublik hat sich zwar im ersten Quartal von der Konjunkturdelle während der strikten Corona-Lockdowns erholt.

Doch jüngste Daten zeigen, dass die Industrie auf Talfahrt gegangen ist, der Immobiliensektor weiter kriselt und die Wirtschaft somit insgesamt anfällig bleibt. Die Analysten sind sich jedoch uneins darüber, ob die Zentralbank ihre Geldpolitik weiter lockern wird. China befinde sich immer noch in einer Phase nachlassender Inflation und nicht in einer Deflation - also einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Löhnen, die eine Wirtschaft am Boden hält.

Mitten im türkischen Präsidentschaftsrennen wird auch die türkische Zentralbank am Donnerstag über die Zinsen entscheiden. Marktteilnehmer erwarten, dass sie den Zinssatz bei 8,5 Prozent belassen. Der ungewisse Wahlausgang hatte die Aktienmärkte in der Türkei zuletzt belastet, da erst eine Stichwahl die Entscheidung bringen dürfte. Amtsinhaber Tayyip Erdogan führte zuletzt in den Umfragen. Er gilt als Befürworter von Zinssenkungen trotz schwindelerregender Inflation, um die Konjunktur anzukurbeln. Letztes Jahr senkte die Zentralbank ihren Leitzins um 500 Basispunkte.

Stimmungsindikatoren könnten richtunggebend sein

Sollte das Thema Schuldenstreit abgehakt sein, werden sich die Anleger wieder verstärkt an Konjunkturindikatoren orientieren. Als erste Stimmungsindikatoren der Woche stehen am Dienstag aus Deutschland und der Euro-Zone die Einkaufsmanagerindizes für Industrie und Dienstleistungen an. Wie es um die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen bestellt ist, wird der Ifo-Geschäftsklimaindex am Mittwoch zeigen.

Im April hatte er sich den sechsten Monat in Folge leicht verbessert. Viele Ökonomen warnen jedoch vor Konjunktur-Euphorie, da die straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre volle Wirkung erst noch entfalten dürfte.

Am Donnerstag steht zudem das GfK-Konsumklima auf dem Tableau sowie detaillierte Zahlen zur deutschen Wirtschaftsleistung im ersten Quartal. "Kommende Woche wird sich zeigen, ob die deutsche Wirtschaft nach dem bisher flauen Jahresauftakt in Schwung kommt oder eher auf eine Rezession zusteuert", sagt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck. Auf der anderen Seite des Atlantiks steht unter anderem die zweite Schätzung für das US-Bruttoinlandsprodukt (Donnerstag) zur Veröffentlichung an.

(Reuters)