Während institutionelle Investoren den angeschlagenen deutschen Markt für Gewerbeimmobilien meiden, wittern wohlhabende Familien die Chance, Prestigeobjekte zu günstigen Preisen zu erwerben. Nach Angaben des Immobilienmaklers Jones Lang LaSalle haben ultrareiche Privatanleger in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in allen Immobilienklassen Geschäfte im Wert von 1,5 Milliarden Euro abgeschlossen.
Seit die Europäische Zentralbank im Jahr 2022 mit der Anhebung der Zinsen begonnen hat, sei das Volumen privater Investitionen in Immobilien konstant geblieben, während sich andere Investorengruppen sichtlich zurückgezogen hätten, so JLL. Das hat dazu geführt, dass sich der Anteil der Vermögenden an den Gesamttransaktionen verfünffacht hat und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 rund zehn Prozent des Gesamtvolumens ausmachte, wie die Daten von JLL zeigen.
Der Kaufrausch betraf auch Büros, die durch den Trend zur Telearbeit nach der Pandemie und die gestiegenen Zinsen doppelt betroffen sind. In Hannover vermittelte JLL einen 70-Millionen-Euro-Deal für den Verkauf des ehemaligen Hauptsitzes der Deutschen Hypothekenbank an das Family Office von Karl Gerhold, dem Gründer des hannoverschen Energieunternehmens Getec. Im Jahr 2023 entfiel fast ein Drittel der von privaten Käufern getätigten Immobilieninvestitionen auf Büroimmobilien, während der Anteil der Bürotransaktionen auf dem gesamten deutschen Markt auf 17 Prozent sank. Institutionelle Käufer seien nach wie vor zurückhaltend, wenn es darum gehe, Geld in Büroflächen zu investieren, so Stephan Leimbach, Leiter Büroinvestment Deutschland bei JLL.
«Investoren legen Wert auf vertraulichen, exklusiven Zugang»
«Privates Geld hat es derzeit leichter als institutionelles und ist bereit, attraktive Preise zu zahlen», so Leimbach. «Eine Bürotransaktion in der Grössenordnung von 70 Millionen Euro in einer Stadt wie Hannover — wer hätte das im Jahr 2024 für möglich gehalten?»
Neben Büros sind sehr bekannte Gebäude und Standorte ein weiteres beliebtes Portfolio für private Investoren. Im März verkaufte Union Investment die Fünf Höfe in München, die neben Büros und Wohnungen auch ein gehobenes Einkaufszentrum beherbergen, an das Family Office der deutschen Milliardäre Andreas und Thomas Strüngmann. Der Komplex in der Nähe der Frauenkirche wurde für 700 Millionen Euro verkauft und ist damit eine der grössten deutschen Immobilientransaktionen in diesem Jahr.
Prestigeobjekte wie die Fünf Höfe und der Mangel an ernsthaftem Wettbewerb locken nach Ansicht von Henning Koch, dem Vorstandsvorsitzenden des Fondsmanagers Commerz Real AG, wieder private Investoren an, die sich aus dem Markt zurückgezogen hatten, als andere Käufer besonders aktiv waren. «Das sind alles Investoren, die sich in der Regel nicht an langen Bieterverfahren und Preiskämpfen beteiligen wollen, sondern Wert auf einen vertraulichen, exklusiven Zugang legen», so Koch.
Seltene Gelegenheit
Anfang des Jahres hat die Commerz Real für einen ungenannten Privatinvestor mehrere gemischt genutzte Gewerbeimmobilien in München gekauft. Die Objekte wurden im Zuge der Turbulenzen in der Branche angeboten. Der bisherige Eigentümer, der Düsseldorfer Projektentwickler Centrum Holding, Mitte 2023 Insolvenz angemeldet hatte.
Einige der Gebäude, die für einen nicht genannten Betrag verkauft wurden, liegen an der Maximilianstrasse, Münchens exklusiver Einkaufsstrasse, und beherbergen Geschäfte von Luxusmarken wie Fendi und Montblanc. «Private Investoren nutzen derzeit die seltene Gelegenheit, sich Immobilien zu sichern, die normalerweise nicht zum Verkauf stehen», sagte Koch.
(Bloomberg)