Der Börsenwert von Microsoft ist grösser als der gesamte Aktienmarktbewertung von vielen Ländern - und die Kreditwürdigkeit des Softwareriesen hätten viele Staaten der Welt gerne. Nun wirft eine Portfoliomanagerin von DoubleLine Capital eine wenn auch theoretische, aber unbequeme Frage über Microsoft und die supersolide Bilanz des Konzerns auf: Ist sie sicherer als die des amerikanischen Staates?
Dies ist ein Gedankenexperiment, das die Diskrepanz zwischen der Finanzlage grosser Unternehmen und der öffentlichen Hand verdeutlichen soll. Gemäss dem Vermögensverwalter, der vom Anleiheexperten und Hedgefonds-Manager Jeffrey Gundlach geleitet wird, verfügt Microsoft - ebenso wie Deutschland - über die höchste Bonitätsbewertung bei Moody’s und S&P Global Ratings.
Die langfristigen Anleihen des Konzerns aus Redmond im US-Bundesstaat Washington haben ein Gesamtvolumen von 45 Milliarden Dollar. Für das Jahr 2025 rechnen Analysten damit, dass Microsoft fast 48 Milliarden Dollar an Barmitteln erwirtschaften wird. Im Jahr 2024 habe der Windows-Entwickler so viel Gewinn gemacht, dass die jährlichen Zinsaufwendungen damit mehr als 50 Mal gedeckt werden könnten, heisst es in einer Analyse von DoubleLine.
Microsoft habe also «reichlich Kapazität, seine Schulden zu bedienen, selbst unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen», schreibt Portfoliomanagerin Mariya Entina. Das Defizit der USA indessen ist enorm und wächst. Der Schuldendienst für die Gesamtverbindlichkeiten von rund 36 Billionen Dollar wird immer kostspieliger. Das Verhältnis zwischen den Einnahmen und den Zinsausgaben des Landes ist von 6,7 im Jahr 2018 auf 5,2 im Jahr 2023 gesunken, wie DoubleLine anmerkt.
Die US-Regierung hat zwar den Luxus, Steuern zu erheben und Dollars zu drucken. «Hohe Schuldenlast und steigende Zinskosten» seien jedoch eine problematische Mischung, so Entina. «Diese wachsenden fiskalischen Herausforderungen geben Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Kreditwürdigkeit von Uncle Sam», so die Portfoliomanagerin. Im Gegensatz dazu seien Unternehmensanleihen mit Top-Ratings - wie Microsoft - durch umfangreiche liquiditätswirksame Vermögenswerte und beträchtliche Treasury-Reserven der Firmen abgesichert.
Fitch hat das Rating der USA 2023 um eine Stufe von «AAA» auf «AA+» gesenkt. S&P war einen solchen Schritt bereits 2011 gegangen. Fitch hatte auf die Aussicht verwiesen, dass sich die US-Finanzen binnen drei Jahren aufgrund von Steuersenkungen, neuen Ausgabeninitiativen, wirtschaftlichen Schocks und wiederholter politischer Lähmung weiter verschlechtern dürften. «Hohe Verschuldung, politische Polarisierung und nicht gerade schöne fiskalische Aussichten belasten den einst goldenen Ruf der Regierung», schrieb Entina mit Blick auf Washington.
US-Finanzminister Scott Bessent ist angetreten, das Haushaltsdefizit von derzeit rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verringern. Das von Elon Musk geleitete «Department of Government Efficiency» hat sich zum Ziel gesetzt, die Staatsausgaben der USA um 2 Billionen Dollar zu senken. Wie das gelingen soll, ist freilich unklar.
Dreissigjährige Microsoft-Anleihen rentieren derzeit etwa 0,5 Prozentpunkte über den 30-jährigen US-Staatsanleihen - sogenannte Treasuries, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen. Der Spread auf einen Bloomberg-Index für langfristige Investment-Grade-Anleihen liegt bei etwa einem Prozentpunkt.
(Bloomberg)