Grossbanken verzeichnen einen neuen Appetit der Vermögensverwaltungen auf Kredite für den Kauf von Wertpapieren. Mehrere Banker berichten, dass Investoren wieder solche Darlehen aufnehmen, um die Rendite ihrer Anlagen noch weiter zu steigern. Allein in den USA summierten sich derartige Kredite im April auf 525 Milliarden Dollar, nach 479 Milliarden Dollar im März, wie aus Daten der Aufsicht hervorgeht. Dabei hatten sich einige Investoren beim Börsencrash im März die Finger verbrannt. Um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen, mussten einige ihre Aktien mit Verlust verkaufen. Manche Investoren fanden sich plötzlich tief in den roten Zahlen wieder. "Viele Leute haben nicht verstanden, wie stark sie ihr Risiko in dem jahrelangen Bullenmarkt gesteigert haben", sagt Anwalt Matt Wolper von der gleichnamigen Kanzlei.

Inzwischen habe sich die Lage beruhigt, sagt Murtuza Rasiwala, bei der Citigroup zuständig für das US-Geschäft mit den Wertpapierkrediten. Auch wenn die Kunden noch nicht auf dem Niveau von vor der Corona-Krise angekommen seien, so sei die Lage doch besser als noch vor einem Monat.

Gelegenheit zum Kaufen

Die Coronavirus-Pandemie hatte im März die weltweiten Aktienmärkte in die Knie gezwungen, binnen weniger Wochen brachen alle wichtigen Indizes ein. Viele Investoren sahen darin eine Gelegenheit zum Kaufen: Auf den Kollaps folgte die bislang schnellste Erholung der Kurse. Inzwischen sind die Verluste weitgehend wieder wettgemacht; der Index der US-Technologiebörse Nasdaq markierte diese Woche sogar ein Rekordhoch.

Wie stark das Interesse an risikoreichen Anlagen inzwischen ist, zeigt auch die Nachfrage nach Krediten zum Kauf einzelner Wertpapiere. Philipp Wehle, Chef der internationalen Vermögensverwaltung bei der Credit Suisse, zufolge sind derartige Angebote auch nach dem Börsencrash immer noch auf dem Markt.

Wiedererwachtes Interesse an Krediten

Erst kürzlich habe die Abteilung von Wehle ein grösseres Geschäft mit einem langjährigen Kunden getätigt. Das wiedererwachte Interesse an den Krediten ist eine gute Nachricht für die Banken - schliesslich verdienen sie üblicherweise sowohl an den Darlehen als auch an den Gebühren für die Aktiengeschäfte.

Zugleich stellt es aber ein Risiko für den Markt dar, der schon mit den Folgen der Coronavirus-Pandemie für die weltweite Wirtschaft zu kämpfen hat. Manche Banken haben ihre Kriterien verschärft und verleihen Geld nur noch für den Kauf einiger Wertpapiere, wie Insider sagen. "Der März-Marktkollaps war ein guter Weckruf für uns alle", sagt ein Banker bei einem europäischen Vermögensverwalter, der mehr als 200 Milliarden Dollar an Kundengeldern verwaltet.

(Reuters)