Die Sorge ist gross, dass nach Monaten verbaler Anfeindungen im Wahlkampf politisch motivierte Gewalt bis zur Präsidentschaftswahl im November weiter zunimmt. Republikanische Verbündete stellten Trump nach dem Angriff am Samstag als Helden dar und posteten Bilder von ihm mit blutigem Ohr und erhobener Faust. Sie machen die Wahlkampfrhetorik der Demokraten und von US-Präsident Joe Biden für die Tat verantwortlich. «Wenn das Land vorher kein Pulverfass war, dann ist es das jetzt», sagte Chip Felkel, ein republikanische Politikberater, der nicht zu den Trump-Anhängern zählt.

Trump war bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Pennsylvania durch einen Schuss am Ohr verletzt worden. Das FBI geht von einem Tötungsversuch aus. Die Motivation des mutmasslichen Schützen, ein 20-jähriger Mann, ist bisher unklar. Der Verdächtige war laut Wählerverzeichnis Republikaner. Präsident Biden verurteilte den Angriff umgehend. «In Amerika ist kein Platz für diese Art von Gewalt. Das ist krank», sagte er Stunden nach der Attacke.

Nach Ansicht von Brad Bannon, einem demokratischen Strategen, dürfte der Vorfall Trump nutzen. Er passe zum Narrativ des ehemaligen US-Präsidenten, dass das Land auf dem falschen Weg sei. «Das versuchte Attentat erzeugt Sympathie für Trump», sagte Bannon. «Es bestätigt auch die Auffassung seiner Wähler, dass etwas in diesem Land grundlegend falsch läuft.» Trumps Auftritte beim viertägigen Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee, der am Montag beginnt, dürften durch den Angriff befeuert werden. Stunden nach der Tat startete Trumps Kampagne via Textnachricht einen Spendenaufruf. «Sie sind nicht hinter mir her, sie sind hinter euch her», lautete die Nachricht an die Wähler. Tesla-Chef Elon Musk und Hedgefonds-Manager Bill Ackman, beides Milliardäre, sprachen sich nach dem dem Angriff für Trump als US-Präsident aus.

Trump hat seine politischen Gegner regelmässig beschimpft und herabgewürdigt

Im Wahlkampf hat Trump seine politischen Gegner regelmässig beschimpft und herabgewürdigt und sich einer rabiaten Sprache bedient, wenn er über Migranten sprach. Die USA stünden am Rande des Zusammenbruchs, sagte er und prophezeite ein «Blutbad» und das Ende der Demokratie, sollte er die Wahl verlieren. Biden und sein Lager hielten dagegen, Trump sei eine Gefahr für die Stabilität des Landes und für die demokratische Grundordnung.

Nun unterstellen die Trump-Anhänger dem demokratischen Lager, den Angreifer mit ihrer Rhetorik ermutigt zu haben. «Seit Jahren und auch heute noch haben linke Aktivisten, demokratische Spender und jetzt sogar Joe Biden abscheuliche Bemerkungen und Beschreibungen über die Erschiessung von Donald Trump gemacht,» sagte Chris LaCivita, Co-Manager von Trumps Kampagne. LaCivita bezog sich offenbar auf eine Bemerkung Bidens, dass es an der Zeit sei, Trump ins «Visier» zu nehmen.

Der US-Präsident hatte dies im Zusammenhang mit einem Aufruf an seine Anhänger gesagt. Sie sollten sich darauf konzentrieren, Trump zu besiegen, und nicht auf die Debatte um seine Auftritte. Der 81-jährige Biden sieht sich seit Wochen mit Rückzugsforderungen auch aus dem eigenen Lager konfrontiert, weil Bedenken bestehen, dass er dem Amt nicht mehr gewachsen sei. In einigen Umfragen hat Trump von Bidens schwachem Auftritt bei einer TV-Debatte Ende Juni profitiert, andere zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

US-Senator J.D. Vance aus Ohio, ein Kandidat für die Vizepräsidentschaft unter Trump, schrieb auf X: «Die zentrale These der Biden-Kampagne ist, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss.» Diese Rhetorik habe direkt zum versuchten Attentat geführt.

Viele Wähler haben sich sowohl von Trump als auch von Biden abgewendet

Die USA kämpfen mit dem stärksten und nachhaltigsten Anstieg politischer Gewalt seit den 1970er Jahren. Bei politisch motivierten Angriffen, bei denen die Täter oder die Verdächtigen eindeutig einer Partei zugeordnet werden konnten, wurden seit dem Sturm auf das US-Kapitol durch Trump-Anhänger am 6. Januar 2021 vierzehn Menschen getötet. Dreizehn der Angreifer wurden dem rechten Lager zugeordnet, einer dem linken.

Viele Wähler haben sich sowohl von Trump als auch von Biden abgewendet. Der die beiden Kandidaten umgebende Tumult trägt dazu bei Wählern das Gefühl zu geben, dass die Probleme ihres Landes unlösbar und die Kluft zwischen den Parteien unüberbrückbar seien.

Der republikanische US-Abgeordnete Steve Scalise, der 2017 angeschossen wurde, sagte im TV-Sender Fox News, die aggressive Wahlkampfrhetorik müsse aufhören: «Alles, was es braucht, ist eine Person, die dadurch die Fassung verliert und meint jetzt handeln zu müssen, und dass das das Signal sei jemanden umzubringen.»

(Reuters)