Kurz vor einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz am Donnerstagabend (Ortszeit US-Küste; Nacht auf Freitag MESZ) stellte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als «Präsident Putin» vor. Biden korrigierte sich umgehend. Gegen Anfang der etwa einstündigen Pressekonferenz nannte er Vizepräsidentin Kamala Harris «Vizepräsidentin Trump», ohne offenbar den Fehler zu bemerken. Inwieweit der Auftritt des 81-Jährigen die Rufe nach einem Verzicht auf die Kandidatur beeinflussen würde, war zunächst unklar.

Biden steht seit einem allgemein als schwach bewerteten Auftritt bei seinem ersten TV-Duell gegen den Republikaner Donald Trump am 27. Juni unter Druck. Kritiker sprachen damals von Aussetzern und erklärten, der Demokrat habe zeitweise den Faden verloren. Er und sein Stab machten Übermüdung durch Jetlag und die Folgen einer Erkältung geltend. Die Fragen von zehn Journalisten zum Abschluss des Gipfels beantwortete Biden nun zusammenhängend.

Unmittelbar nach Bidens Auftritt forderten allerdings zwei weitere demokratische Abgeordnete ihn auf, seinen Wahlkampf zu beenden. Damit sprachen sich mindestens 14 der 213 Demokraten im Repräsentantenhaus und einer der 51 Senatoren offen für einen Wechsel aus. Biden selbst wiederholte mehrfach, im Rennen bleiben zu wollen. Nach seiner Einschätzung habe er die besten Chancen, Trump zu schlagen. Der «Ernst der Lage» erfordere, dass er für eine zweite Amtszeit antrete.

Biden war im Laufe seiner jahrzehntelangen politischen Karriere immer für Versprecher und Fehler bei Namen bekannt. Nach dem Selenskyj-Versprecher auf dem Gipfel nahmen ihn Staats- und Regierungschefs in Schutz. «Versprecher passieren», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. «Wenn man alle genug beobachtet, findet man auch genug.» Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, Versprecher passierten allen, auch ihm selbst. Biden sagte während der Pressekonferenz, von seinen europäischen Verbündeten habe er keine Aufforderung erhalten, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Vielmehr hätten sie ihm gesagt, dass er die Wahl nicht gegen Trump verlieren dürfe.

Unter Bidens Demokraten, Verbündeten und Prominenten waren dagegen die Rufe nach einem Verzicht auf die Kandidatur bei der Wahl am 5. November zuletzt lauter geworden. Vor der Pressekonferenz trafen sich hochrangige Berater des Präsidenten mit Senatoren, um um Unterstützung zu werben. Auf die Frage, ob sie die Bedenken in der Kammer ausräumen könnten, antwortete Senator Joe Manchin: «Das kann nur der Präsident tun.» Im Senat und dem Repräsentantenhaus gibt es Befürchtungen, ein Abrutschen des Präsidenten in Umfragen auch die Chancen seiner Partei bei der zeitgleichen Kongresswahl treffen könnte.

Neues Ungemach drohte Biden von einer anderen Seite, wie die Nachrichtenagentur Reuters kurz vor der Pressekonferenz erfuhr. Der Präsident der United Auto Workers (UAW), Shawn Fain, habe sich mit der übrigen Führung der mächtigen Gewerkschaft wegen seiner tiefen Sorge getroffen, dass Biden möglicherweise Trump nicht besiegen könne, meldete Reuters unter Berufung auf drei mit dem Vorgang vertraute Personen. Die UAW prüfe ihre nächsten Schritte. Eine Stellungnahme der Gewerkschaft lag zunächst nicht vor. Sie hatte sich im Januar eigentlich formell für Biden ausgesprochen.

Den Gipfel selbst bewertete Biden als Erfolg. Eine starke Nato sei für die Sicherheit der USA unerlässlich, sagte der Gastgeber und sicherte der Ukraine die Unterstützung seines Landes zu. «Putin hat ein Problem», sagte er. Der US-Präsident erklärte weiter, der Gaza-Krieg müsse zu Ende gebracht werden. Mehrfach sagte Biden, er habe noch viel zu erledigen.

(Reuters)