Herr Frangulidis, würden Sie das 2024 als erfolgreiches Jahr für Investierende beurteilen?
Es ist ein gutes Börsenjahr mit hohen Kursgewinnen, wobei sich insbesondere die US-Börsen sehr gut entwickelt haben. Aus Sicht von Schweizer Investierenden war es sogar noch besser, weil der Dollar an Wert zugelegt hat. Beim globalen Aktienbenchmark MSCI beträgt das Performanceplus rund 20 Prozent, in Franken umgerechnet gar 25 Prozent. Nicht nur Aktien, sondern auch Gold, Obligationen und Immobilienfonds haben einen positiven Beitrag zur guten Gesamtperformance eines diversifizierten Portfolios geleistet. Abgesehen von den Ölpreisen stehen die meisten Anlageklassen im Plus.
Geht die Rally im nächsten im selben Stil weiter?
Es wäre übertrieben, eine ähnliche Performance-Erwartung für 2025 zu haben. Ein Multi-Asset-Portfolio mit 60 Prozent Obligationen- und 40 Prozent Aktienanteil hat 2024 etwas mehr als zehn Prozent zugelegt. Sämtliche Aktienperformancetreiber wie Dividenden, Bewertungsveränderungen und Unternehmensgewinne haben sich positiv entwickelt. Das letzte Mal kam dies 2013 vor. Deshalb ist für 2025 etwas Zurückhaltung angebracht. In Bezug auf Aktienanlagen kann ich aber sagen, dass die weiter steigenden Unternehmensgewinne eine Stütze sind.
Der Gesamtertrag auf Aktienanlagen, also Kursgewinne inklusive Dividenden, beträgt langfristig sieben bis acht Prozent. Ist das für 2025 realistisch?
Die Bewertungen werden im neuen Jahr wahrscheinlich nur einen leicht negativen Einfluss haben, während die Gewinne der Unternehmen im hohen einstelligen Bereich wachsen werden. Entsprechend erwarten wir im kommenden Jahr eine Gesamtrendite in dieser Grössenordnung auf globalen Aktienanlagen.
Geht die Outperformance der US-Aktienmärkte weiter?
Drei Sektoren haben die Hausse getragen: Informationstechnologie und Kommunikationsdienstleistungen waren nicht nur in diesem Jahr, sondern schon 2023 die grossen Gewinner. Die Gewichtung dieser Sektoren im gesamten Aktienindex ist in den USA hoch. In diesem Jahr kamen noch die Finanzwerte hinzu, welche gegen Jahresende dank der erwarteten Deregulierungspolitik der neuen US-Administration enorm zugelegt haben. Das zeigt eine hohe Konzentration der starken Performance. Es gibt aus heutiger Sicht keinen Grund zu glauben, dass diese drei Sektoren ein weiteres gutes Jahr haben könnten. Eine Wiederholung von 30 Prozent und mehr Kursgewinn wäre aber eine grosse Überraschung.
Kann der Schweizer Aktienmarkt nächstes Jahr überdurchschnittlich zulegen?
Der Schweizer Markt ist bewertungsmässig interessant. Das gilt nicht nur für die drei grossen SMI-Titel Nestlé, Novartis und Roche und allen anderen SMI-Komponenten. Im globalen Vergleich und im Vergleich zum SMI ist gerade der Swiss Performance Index (SPI) mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwas mehr als 17 attraktiv. Bei der hohen Bilanz- und Produktqualität, welche Schweizer Unternehmen aufweisen, ist das aktuell eine tiefe Bewertung - auch wenn die weltweiten Aktienmärkte nach wie vor stark von den USA geprägt sein werden. Zudem sind die Zinsen in der Schweizer sehr tief, was mittelfristig ein weiteres Kaufargument für Schweizer Titel ist.
Wieso sind die Bewertung bei den mittelkapitalisierten Schweizer Aktien tief?
Die tiefe Bewertung im mittleren Kapitalisierungsbereich hat mit den Schwächen Deutschlands und Europas zu tun. Da ist schon sehr viel Negatives eingepreist. Deshalb haben diese hiesigen Titel mittelfristig viel Potenzial. Es bleibt offen, ob dieses bereits in den ersten Monaten des neuen Jahres ausgeschöpft wird. Aber sobald sich die Lage in Europa etwas normalisiert, sollten diese Valoren relativ stark profitieren.
Sollte man für das neue Jahr also besser in einen SPI-ETF statt einen SMI-ETF investieren?
Da das Potenzial der Mid Caps aufgrund der tiefen Bewertung hoch ist, würde ich den SPI-ETF vorziehen.
Neben der Schweiz setzen Sie weiter auf US-Aktien sowie Schwellenländer ohne China. Warum?
Der Hauptfokus liegt auf den USA, wo wir noch stärker übergewichtet sind als in der Schweiz. Ebenso sind die Emerging Markets ohne China attraktiv. Die Zollpolitik während der ersten Amtszeit von Trump 1.0 galt öfters als Verhandlungswaffe, um die aussenwirtschaftliche Lage der USA zu verbessern. Das wird jetzt wahrscheinlich etwa gleich sein, und wir erachten die Chance als gut, dass die Schwellenländer trotz der Importzollproblematik stärker wachsen werden als die entwickelten Länder.
Anastassios Frangulidis ist Leiter Multi Asset Schweiz und Chefstratege bei Pictet Asset Management in Zürich.