An Eli Lilly und Novo Nordisk zeigt sich, was den Pharmamarkt derzeit bewegt. Die Amerikaner haben mit Mounjaro und Zepbound, die Dänen mit Wegovy je ein Mittel zur Gewichtsabnahmen lanciert. Doch die Erwartungen an solche Medikament sind offenbar sehr hoch. Ein Beispiel dafür trug sich Ende letzter Woche zu. Gemäss den veröffentlichten Studiendaten verlieren Patienten, die das Produkt von Novo Nordisk nehmen, je nach Dosis zwischen 17 und 21 Prozent an Gewicht. Rund 24 Prozent Gewichtsverlust erreichen Personen, welche die höchste Dosis von Lillys Zepbound erhalten. Nach der Meldung sanken die Aktien von Novo mehr als 3 Prozent.

Unterdessen sind die beiden Unternehmen schwach ins Börsenjahr gestartet. Novo Nordisk setzt eine länger anhaltende Talfahrt fort, wobei speziell ein von enttäuschenden Studiendaten ausgelöster Kursrutsch im Dezember einschneidend gewesen ist. Die Valoren von Eli Lilly liegen auf längere Sicht aber im Plus, sind seit einigen Monaten aber ebenfalls unter Druck. Zuletzt fielen sie stark, nachdem das Management mit einer Umsatzprognose für die Diabetes- und Abnehmmedikamente unter den Analystenerwartungen blieb. 

Im Weiteren befinden sich Novo und Lilly in einem Wettlauf, wobei je nach Vergleichspunkt das eine oder das andere Unternehmen die Nase vorne hat (siehe Tabelle unten). Zugleich sind beide dem Analystenkonsens zufolge auf Zwölf-Monate-Sicht aussichtsreicher als die Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis.

Unternehmen Performance seit Anfang Jahr Kurspotenzial in 12 Monaten  Anteil «Buy»-Ratings
Eli Lilly - 4,90 % (982) 35 % 80 %
Novo Nordisk - 8,4 % (810) 42 % 69 %
Roche + 7,4 % (306) 15 % 54 %
Novartis + 1,5 % (102) 14 % 32 %

Quelle: Bloomberg / Stand 21.1.2025.

Dass der Wettbewerb im Markt für Fettsenker dieses Jahr weitergehen wird, ist bereits gesagt. Lilly-CEO David Ricks erwartet, dass sein Unternehmen die Dynamik des vergangenen Jahres im soeben angebrochenen Jahr «mit einer starken finanziellen und operativen Leistung» fortsetzen wird. Man werde ausserdem zusätzliche Produktionskapazitäten in Betrieb nehmen.

Derweil gehen Schätzungen für den Gesamtmarkt von einem 26-prozentigen Wachstum der Umsätze mit Abnehmprodukten in diesem Jahr aus - während die Umsätze mit anderen Medikamenten um 5 Prozent zulegen dürften. Gemessen an diesen Prognosen wird der Markt also zwei Geschwindigkeiten haben, wobei die Mittel zur Gewichtsreduktion Tempomacher sind.

Roche: Mitziehen im Markt für Fettsenker

Mitziehen im Kampf gegen Fettleibigkeit will Roche, nach der Übernahme von Carmot Therapeutics Ende 2023 und mit den Wirkstoffen CT-996, CT-388, CT-868 gegen Adipositas respektive Typ-1-Diabetes. Das Unternehmen schätzt das Umsatzpotenzial der Abnehmmedikamente auf über 3 Milliarden Franken jährlich, wie die Nachrichtenagentur Reuters im September vermeldet hat.

Gänzlich überzeugt haben die Mittel bislang allerdings nicht. Während die Wirksamkeit von Experten als «erstklassig» und «konkurrenzfähig» eingestuft wurde, traten Nebenwirkungen wie ein Anstieg der Herzfrequenz auf. Entsprechend muss Roche an der Dosierung arbeiten, was Zeit braucht, aber auch Chancen bietet: Belege für ein verbessertes Sicherheitsprofil dürften die Aktie unterstützen. Die Markteinführung wird indes kaum vor 2028 erwartet.

Die Blicke dürften sich weiterhin auf Arzneien aus anderen Behandlungsfeldern richten, so etwa Giredestrant (Onkologie), Fenebrutinib (Neurologie) und Astegolimab (Immunologie). Dazu werden Studiendaten erwartet, die den Aktienkurs beeinflussen dürften - und laut Analysten mit Unsicherheiten behaftet sind, also auch enttäuschen könnten.

An den Erfolg von Roche glaubt Morningsstar. Die zuständige Analystin hat ein Kursziel von 379 Franken vorgegeben und mit einer Kaufempfehlung unterstrichen. Sie ist der Ansicht, dass das Arzneimittelportfolio und die branchenführenden Diagnostika von Roche dem Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Zudem sei der Burggraben des Basler Pharmariesen weit; das deutet auf einen starken Wettbewerbsvorteil hin. 

Ende Januar wird nun eine nächste Wegmarke erreicht werden. Dann wird Roche über das Gesamtjahr 2024 berichten. Das Management erwartet unter anderem eine Umsatzsteigerung im mittleren einstelligen Bereich. Laut Bloomberg dürfte es dabei kaum eine Überraschung geben.

Novartis: Entresto-Verkäufe halten an - noch

Man sei nicht wirklich auf die Fettleibigkeitswelle angewiesen, sagte Novartis-CEO Vas Narasimhan im zurückliegenden Herbst. Robustes Wachstum sei mit den bestehenden Plattformen bis ins nächste Jahrzehnt hinein möglich. Für 2023 bis 2028 rechnet der Basler Pharmakonzern mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 6 Prozent. Die Konsensschätzung geht eher von 4 Prozent aus.

Weiter sind Experten zurückhaltender geworden. Im Januar haben 48 Prozent der Analysten Novartis mit «Buy» einstuft, gegenwärtig sind es noch 32 Prozent. Zugleich stieg der Anteil der «Hold»-Ratings von 44 auf 57 Prozent. Ein Grund für diese Verschiebung liegt im Ablaufen von Patenten für Mittel wie Tasigna, Promacta und Entresto.

Das Herzmedikament Entresto ist das umsatzstärkste Produkt von Novartis. Im Jahr 2023 brachte es 6 Milliarden Dollar ein. Prognosen für 2025 gehen von knapp 7,9 Milliarden Dollar aus. Danach dürften die Verkäufe auf unter 4 Milliarden Dollar sinken. Aussichtsreich scheint derweil das Krebsmedikament Kisqali. 2023 spülte es 2 Milliarden Dollar in die Kassen des Pharmaunternehmens. 2027 dürften es über 6 Milliarden Dollar sein. Damit kann der Rückgang bei Entresto aufgefangen werden.

Für den Moment: Novartis wird zum Monatsende über das Gesamtjahr 2024 berichten. Das Management erwartet ein Umsatzwachstum im zweistelligen Prozentbereich - das sei realistisch, sagen Beobachter. Enttäuschen könne derweil der Ausblick für 2025.

Kriegt Bayer die Kurve?

Im mehrjährigen Rückblick spricht vieles gegen den Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer. Innert eines Jahrzehnts wurde der Aktienkurs praktisch gesiebtelt. Rechtsstreitigkeiten rund um glyphosathaltige Unkrautvernichter sowie um das seit Jahrzehnten verbotene Umweltgift PCB lasten schwer auf dem Unternehmen. Es sind Wehen der Monsanto-Übernahme im Jahr 2018.

Zuletzt aber habe man, wie Vorstandsmitglied Stefan Oelrich kürzlich hervorhob, wieder Fortschritte gemacht, darunter die Einreichung mehrerer Zulassungsanträge für die wichtigen Wachstumstreiber: Das Krebsmittel Nubeqa, das Nierenmedikament Kerendia, Elinzanetant für Wechseljahresbeschwerden sowie das Herzmedikament Acoramidis. «Wir setzen unsere ambitionierten Geschäftsziele trotz eines herausfordernden Marktumfeldes erfolgreich um», so Oelrich. 

Der Markt goutiert es, die Aktie hat seit Anfang Jahr 10 Prozent zugelegt, ein grosser Teil des Zuwachses wurde nach Oelrichs Äusserung erzielt. Wie nachhaltig der Aufschwung ist, bleibt abzuwarten. Der Analystenkonsens traut den Titeln 26,60 Euro zu, womit er ein Plus von fast 25 Prozent in den nächsten zwölf Monaten impliziert. 

Das Unternehmen hat vorerst eine Priorität: Schuldenabbau und Sparen. Der Elefant im Raum, die Aufspaltung des Konzerns, scheint derweil nicht gangbar: «Solange die Struktur die Einzelgeschäfte in unseren jeweiligen Märkten nicht behindert, gibt es keinen Grund, sie aufzulösen. Wir funktionieren mit drei sehr unabhängigen Geschäften», so Oelrich.

Reto Zanettin
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