Ein wenig erinnerte der Wahlabend am letzten Sonntag in Österreich an den in Thüringen. Unter grossem Jubel wurde eine rechtspopulistische Partei stärkste Kraft. Weder der AfD in dem ostdeutschen Bundesland noch der FPÖ im EU-Staat Österreich scheint dadurch der Sprung an die Macht zu gelingen. Doch beide Male war der Schock in anderen politischen Lagern gross, dass der Rechtsruck so deutlich ausfiel. Dabei ist der Wahlerfolg alles andere als ein isoliertes Ereignis in Europa. Schaut man sich die EU-Länder an, dann wird schnell klar, dass der Erfolg populistischer Parteien ein grenzüberschreitendes Phänomen ist.

Ein migrationskritisches Profil ist dafür nach Angaben von Europa-Experte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der wichtigste Grund. In den Niederlanden hatte die rechtsgerichtete PVV von Geert Wilders so die Wahl gewonnen. In den drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg schnitt die AfD sehr stark ab - und auch das migrationskritische BSW erzielte aus dem Stand zweistellige Ergebnisse.

Auch in einem weiteren Nachbarland, nämlich Polen, ist die national-konservative PiS-Partei mit ihrem sehr harten Flüchtlingskurs in der EU stärkste Einzelpartei. Beim nördlichen Nachbarn Dänemark wurde der Rechtsruck nur dadurch abgewendet, dass die sozialdemokratische Regierung selbst eine Abschottungspolitik betrieb. Rechtsgerichtete, migrationskritische Regierungen gibt es etwa auch in der Slowakei, in Ungarn und in Italien.

Inflation und Identitätskrisen

Neben Migration sieht der SWP-Experte von Ondarza auch das Thema Inflation als Grund für den Rechts-Trend. Europaweit breitete sich ein Unsicherheits- und Verlustgefühl aus. Dazu kommen eine in vielen EU-Ländern lahmende Wirtschaft sowie Identitätskrisen. Nachwahlbefragungen in Brandenburg zeigten laut Infratest dimap, dass die AfD überproportional von Männern, Personen mit niedrigem Schulabschluss und denjenigen gewählt wurde, die sich ökonomisch schwach fühlen.

Kanzler Olaf Scholz hat mehrfach darauf verwiesen, dass der Erfolg von Rechtsaussen-Parteien mittlerweile ein Phänomen quer durch fast alle westlichen wohlhabenden Länder sei - von den USA bis Norwegen. In den Niederlanden gibt es aber beispielsweise auch eine Debatte darüber, ob die Internationalisierung der Studiengänge nicht zu weit ging - weil junge Niederländer im eigenen Land kaum noch auf Niederländisch studieren können.

Auch wegen solcher Debatten punkten Rechtsparteien anders als früher gerade bei jungen Wählern. «Zum Teil liegt dies daran, dass populistische Parteien auf den sozialen Netzwerken sehr viel stärker präsent sind, in denen sich Jugendliche informieren», meint SWP-Experte von Ondarza. «Und die Rechtsparteien werden derzeit als einzige echte Alternative zu den übrigen Gruppierungen wahrgenommen», fügt er mit Blick auf ein gewisses Rebellentum junger Wähler hinzu.

Mittlerweile ist offensichtlich, dass sich rechte Gruppen auch europaweit formieren und unterstützen. «In Österreich war mit der FPÖ eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei schon erfolgreich, lange bevor sich die AfD überhaupt gegründet hatte», sagt der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, zu Reuters. «Auch die rechtsextreme Jugendorganisation 'Identitäre Bewegung' hatte sich zuerst in Österreich breit gemacht, bevor sie in Deutschland Fuss fassen konnte», betont der Grünen-Politiker. Rechte Netzwerke befeuern sich grenzübergreifend.

Normalisierung durch Zusammenarbeit

Dazu kommt ein langsamer Normalisierungsprozess durch die - oft notgedrungene - Zusammenarbeit mit Rechtsaussen-Regierungen. Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley hatte davor etwa im Zusammenhang mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gewarnt. Aber weil Meloni zum einen für EU-Entscheidungen gebraucht wird, und sich zum anderen proeuropäisch verhält, stimmt sich etwa Kanzler Scholz mit ihr ab.

Dies nehmen Rechtsaussen-Aussenpolitiker in anderen Ländern als Beleg, dass die Warnung vor ihnen unberechtigt sei. Das Rassemblement National in Frankreich und die AfD setzen zudem darauf, dass sich Wähler durch viele gewählte Kommunalvertreter langsam an sie gewöhnen. Die sogenannte «Brandmauer», die andere Parteien gegenüber der AfD auf Bundes- und Landesebene haben, fällt als erstes auf kommunaler Ebene.

Grünen-Politiker Hofreiter wirft konservativen Parteien vor, etwa in Österreich seit Jahren Rechtsextremen hinterherzulaufen und deren Sprache und Parolen aufzugreifen. «Das hat die Rechtsextremen in keiner Weise gestoppt. Das Gegenteil ist eingetreten. Rechtspopulistische und rechtsextreme Positionen wurden normalisiert.»

Lange waren in der EU nationalkonservative Regierungen wie die in Ungarn eher isoliert. SWP-Experte von Ondarza erinnert daran, dass Österreich angesichts der ersten Regierungsbeteiligung der FPÖ noch Sanktionen angedroht wurden. «Aber als die Wilders-Partei in den Niederlanden jetzt mit an die Regierung kam, war der Protest sehr verhalten», meint er. Gerade weil es sich um ein europaweites Problem handelt, sei längst ein Anpassungsprozess im Gange. So berief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch Vertreter der Meloni-Partei in die neue Kommission. 

(Reuters)