Investoren von Novo Nordisk fordern mehr Transparenz, nachdem die Unsicherheit um die Wirksamkeit des Mittels im Dezember zu einem Kurssturz der Aktie geführt hatte. Novo sieht in CagriSema einen potenziellen Nachfolger für seinen Blockbuster Wegovy, doch Anleger zweifeln, ob das Medikament stark genug ist, um den US-Konkurrenten Eli Lilly im Wettlauf um den milliardenschweren Markt für Abnehmspritzen zu überholen.

In Interviews mit Reuters berichten fünf Patienten, die an der Studie teilnahmen - oder Teil einer separaten Studie im Spätstadium sind - dass die wöchentliche Injektion ihnen geholfen habe, schnell Pfunde zu verlieren. Gleichzeitig schildern sie Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung und Erschöpfung, die sie als erheblich bezeichnen. Novo hatte in seiner Auswertung erklärt, die häufigsten Nebenwirkungen seien gastrointestinale Beschwerden gewesen, die meist mild bis moderat ausfielen und mit der Zeit nachliessen – ein bekanntes Muster für die Wirkstoffklasse der GLP-1-Rezeptor-Agonisten, zu der auch Wegovy und das Lilly-Mittel Zepbound/Mounjaro gehören.

Das dänische Unternehmen wollte sich vor der Veröffentlichung seiner Bilanz für 2024 am Mittwoch nicht weiter äussern. CagriSema kombiniert Semaglutid, den Wirkstoff von Novo Nordisks Bestseller Wegovy, mit Cagrilintid, einem Analogon des Peptidhormons Amylin. Damit wirkt es sowohl auf das Darmhormon GLP-1, auf das auch Wegovy abzielt, als auch auf Amylin, ein Hormon der Bauchspeicheldrüse. Die Kombination soll eine zusätzliche Wirkung gegenüber Semaglutid allein entfalten.

Starke Nebenwirkungen

Eine Teilnehmerin der im Dezember veröffentlichten Redefine-1-Studie sagt, sie sei in den ersten sechs Monaten mehrfach in Ohnmacht gefallen. Über die 68-wöchige Studiendauer verlor sie 29 Prozent ihres Körpergewichts. «Es ist wohl normal, sich schrecklich zu fühlen, wenn man in sechs Monaten 30 bis 40 Kilo verliert», sagt die Patientin, die anonym bleiben will. Als sie die höchste Dosis erreichte, verlangsamte sich ihr Gewichtsverlust, und sie fühlte sich besser.

In der Studie Redefine-1 verloren Patienten durchschnittlich 22,7 Prozent ihres Körpergewichts, wobei 40,4 Prozent mindestens 25 Prozent ihres Gewichts reduzierten. Damit blieb die Gewichtsabnahme hinter den von Novo geschürten Erwartungen von durchschnittlich 25 Prozent zurück. Die Enttäuschung der Investoren darüber liess den Marktwert des Unternehmens am Tag der Veröffentlichung der Daten um 125 Milliarden Dollar einbrechen.

Offen blieb, warum nur 57,3 Prozent der Studienteilnehmer die höchste Dosierung erreichten. Experten spekulieren, ob dies auf Nebenwirkungen oder eine ausreichende Wirkung niedrigerer Dosierungen zurückzuführen ist. Zudem sorgte das flexible Dosierungsschema der Studie für Diskussionen, da Patienten ihre Dosierung anpassen konnten, anstatt einem festen Plan zu folgen. Einige Investoren und Analysten sehen darin eine mögliche Erklärung für die niedrige Quote an Patienten mit Höchstdosierung. Novo plant eine neue Studie bis Juni.

Investoren und Analysten fordern weitere Details, die sie sich von Novos Quartalszahlen am Mittwoch erhoffen. Doch das Unternehmen könnte sich mit Informationen zurückhalten, da die vollständigen Studiendaten erst auf einer wissenschaftlichen Konferenz – voraussichtlich im Juni beim American Diabetes Association Meeting – veröffentlicht werden sollen. Einige Marktbeobachter befürchten, dass CagriSema nicht wirksamer als Eli Lillys Konkurrenzprodukt Zepbound/Mounjaro ist, möglicherweise schlechter vertragen wird und schwieriger herzustellen sein könnte.

«Bei CagriSema nehmen die Leute das Schlimmste an», sagt Barclays-Analystin Emily Field. «Wir stimmen nicht in allen Punkten zu, aber ohne weitere Kommentare des Unternehmens ist die negative Haltung nachvollziehbar.» Zwei der befragten Studienteilnehmer waren Teil der abgeschlossenen Redefine-1-Studie, drei nehmen an der laufenden Phase-III-Studie Redefine-4 teil, in der CagriSema direkt mit Zepbound/Mounjaro verglichen wird. Redefine-1-Teilnehmer erfuhren erst nach Abschluss der Studie, welches Medikament sie erhalten hatten, während Redefine-4-Patienten dies von Beginn an wissen.

Michelle Rivera aus Dallas, die an der Redefine-4-Studie teilnimmt, berichtet, dass sie nach Studienbeginn kaum Appetit hatte und ihr Hungergefühl erst nach sechs Monaten langsam wieder zurückkehrte. Sie hat bislang rund 22 Prozent ihres Körpergewichts verloren. Leigh, eine andere Teilnehmerin, spricht von massiver Übelkeit, Erschöpfung und «brain fog» nach den Injektionen, die sie teilweise ans Bett fesselten. Dennoch hält sie sich an den Dosierungsplan, um weiter Gewicht zu verlieren. Nach einem Jahr mit CagriSema hat sie rund 18 Prozent ihres Körpergewichts verloren. «Das Medikament ist lebensverändernd», sagt sie. Dennoch wolle sie nach Studienende prüfen, ob eine Erhaltungsdosis mit einem GLP-1-Mittel ausreiche, um den Gewichtsverlust ohne solch starke Nebenwirkungen zu halten. «So wie es jetzt ist, ist es nicht langfristig durchzuhalten.»

(Reuters)