Die in Krisenzeiten beliebte Schweizer Währung wird erneut von den Märkten gepusht: Zum Euro hat sich der Franken alleine in den letzten vier Wochen um rund zwei Prozent aufgewertet. In dieser Woche erreichte das Währungspaar Euro-Franken bei 1,112 den tiefsten Wert seit Juli 2017. Die mögliche Eskation im Handelsstreit, der Budgetstreit Italiens mit der EU und generelle Konjunktursorgen dürften die Hauptgründe für die jüngste Popularität des Frankens sein.
Kursentwicklung Euro-Franken in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch
Muss nun die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit Devisenkäufen eingreifen, um einen noch stärkeren Franken zu verhindern? Thomas Stucki glaubt dies nicht: "Die Nationalbank interveniert noch nicht. Eine fixe Grenze festzulegen, etwa bei 1,10, wäre auch nicht allzu geschickt", sagt der Anlagechef der St. Galler Kantonalbank im cash-Börsen-Talk. Stucki kennt die Schweizer Notenbank sehr gut: 1997 bis 2006 war er Leiter des Asset Managements bei der SNB und dort unter anderem verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.
Die SNB müsse flexibel bleiben und der Markt dürfe nicht wissen, wann sie eingreife, sagt Stucki. Eine Schmerzgrenze sieht er trotzdem: Interventionen würden wohl bei einem Euro-Franken-Kurs zwischen 1,07 bis 1,08 wieder ein Thema.
In den nächsten Monate sieht Stucki allerdings eher Auf und Ab beim Frankenkurs - in etwa vergleichbar mit der Entwicklung der letzten zwölf Monate. Dies bedeutet, dass es zwischenzeitlich auch wieder leichten Franken-Abschwächungen kommen wird.
Spätestens im Lauf des Herbsts dürfte der Aufwertungsdruck aber wieder zunehmen. Die Ablösung von Mario Draghi als EZB-Präsident und der Brexit, der nun am 31. Oktober vollzogen werden soll, werden seiner Einschätzung nach eine neue Frankenstärke bewirken. Das Euro-Franken-Kursziel für die nächsten 12 Monate hat Stucki auf knapp über 1,10 Franken gesetzt.
Ausweitung der Negativzinsen unwahrscheinlich
Als weiteres Werkzeug gegen einen zu starken Franken neben den Deviseninterventionen setzt die SNB bekanntlich auch Negativzinsen auf Sichteinlagen ein. Seit Januar 2015 betragen diese minus 0,75 Prozent. Einige Marktbeobachter spekulieren bereits darüber, ob SNB-Präsident Thomas Jordan die Märkte bereits auf eine weitere Zinssenkung vorbereitet hat. Mitte April hatte Jordan am Rande eines Treffens beim Weltwährungsfonds in Washington geäussert, dass eine Ausweitung der Negativzinsen in der Schweiz möglich sei.
Stucki selber glaubt nicht an dieses Szenario: "Die Wahrscheinlichkeit einer Ausweitung der Negativzinsen sehe ich bei höchstens 25 Prozent." Zunächst müsste die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen nochmals deutlich senken, wovon er - trotz der schwächeren Wirtschaft in Europa - nicht ausgeht. Gerade am Donnerstag hat die EZB angekündigt, die Zinsen unverändert zu belassen (cash berichtete).
Desweiteren stelle sich generell die Sinnfrage einer solchen Massnahme: "Eine Ausweitung der Negativzinsen hätte kaum eine Wirkung", glaubt etwa Stucki. Auf die Wirtschäft hätte es kaum einen Einfluss und der Franken werde dadurch nur vorübergehend geschwächt, da Zinssenkungen relativ schnell verpufften.
Im cash-Börsen-Talk spricht Thomas Stucki auch über die unschönen Nebeneffekte der Negativzinsen. Zudem gibt er eine Jahresendprognose für den SMI ab und Empfehlungen auf Einzeltitelebene. Er erklärt, weswegen für ihn zum Beispiel Lindt&Sprüngli oder Belimo ein Kauf sind.