Am Dienstagabend hatte Martin Schlegel in Bellinzona TI seinen ersten Auftritt in seiner neuen Funktion als Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Anlässlich eines Besuchs bei der Tessiner Kantonalbank gab er sich besorgt über die geopolitischen Entwicklungen und sagte laut Agenturberichten von AWP und Bloomberg: «Die geopolitischen Risiken sind sehr hoch».
Die SNB könne bei Bedarf in die Devisenmärkte eingreifen und sei bereit, die Zinsen erneut zu senken, wiederholte Schlegel das Argumentarium der Notenbank. Dieses wird vor allem dann angewendet, wenn sich der Franken unter Aufwertungsdruck befindet. Die Zentralbank senkte am vergangenen Donnerstag zum dritten Mal in Folge den Leitzins und signalisierte, dass weitere Senkungen folgen könnten.
«Wir können keine Massnahmen ausschliessen», fügte Schlegel aber an. Gemeint sind damit die Negativzinsen, welche die SNB nach der Abschaffung der Kursuntergrenze von 2015 bis 2022 in der Schweiz implementiert hatte.
Niemand möge Negativzinsen, sagte Schlegel in Bellinzona, auch die SNB nicht. Die Massnahme sei jedoch in der Vergangenheit nötig gewesen, um die Attraktivität des Frankens tief zu halten.
Die Schweizer Währung wertete sich am Dienstagnachmittag nach Bekanntwerden des iranischen Angriffs auf Israel wieder nahe an die Marke von 0,93 Franken pro Euro auf. Anfang August hatte das Währungspaar einen Wert von fast 0,92 erreicht, was die SNB mutmasslich zu Interventionen am Devisenmarkt veranlasste.
Harte Kritik an Negativzinsen
Ein starker Schweizer Franken mindert die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Exporteuren, weil die Produkte im Ausland teurer werden. Schlegel fügte an, dass der reale Wechselkurs und nicht der nominale relevant sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Anekdotische Hinweise deuteten jedoch darauf hin, dass der Umgang mit der starken Währung Schweizer Unternehmen bei ihrer Arbeit besser mache, sagte er. «Ein Unternehmen hat mir kürzlich erzählt, dass der starke Franken kurzfristig unbequem sei, es aber auch immer dazu zwinge, effizienter zu werden», so Schlegel. «Die Schweiz ist gut gefahren mit dem starken Franken.»
Die Negativzinsen stiessen bei Ökonomen, Wirtschaftsverbänden und der Finanzindustrie auf heftige Kritik, wobei diese teils erst nach deren Aufhebung geäussert wurde. «Hurra: Das Ende der Negativzinsen ist da», jubelte etwa Economiesuisse-Chefökonom 2022 in einem Beitrag. Negativzinsen mögen zwar nötig gewesen sein, seien aber ökonomisch gesehen ein Unsinn. «Zinsen sind der Preis für Geld. Und wenn man für ein Gut nichts zahlen muss, wird es übernutzt und man geht liederlich damit um», so Minsch damals.
2 Kommentare
Es ist ein sehr schlechtes Zeichen, wenn die SNB nochmals Negativzinsen einführen sollte
Wir haben eine Inflationsrate die im Zielband ist.
Das Wirtschaftswachstum ist sehr solide.
Mit Zinssenkungen und der Rückkehr zu Niedrigzinsen wird wieder Strukturerhaltung einzelner Branchen betrieben was längerfristig nur der Wirtschaft schadet.
Ausserdem heizt man einen Immobilienmarkt an, der dringend eine Abkühlung braucht.
Mit der Rückkehr zu Negativzinsen werden wieder Vorsorgegelder in der 2. Säule belastet, da diese von Gesetzes wegen einen recht grossen Anteil an festverzinslichen Papieren halten müssen.
Es muss endlich aufhören mit tiefen- oder sogar Negativzinsen einzelne Wirtschaftsbranchen um jeden Preis am Leben erhalten zu wollen.
Man muss wieder den Mut haben unprofitable Unternehmen wie strukturell schwache Wirtschaftsbranchen dem freien Markt zu überlassen und auch im erweiterten Kontext Konkurs gehen zu lassen, um wieder eine gesunde und stabile Marktwirtschaft zu erreichen.
VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel hat für seine Aussage, die Negativzinsen seien schädlich gewesen, im referenzierten Interview nicht ein Argument, geschweigedenn Fakten genannt.
Also mache ich das: Natürlich ist ein Bankangestellter über Negativzinsen nicht glücklich, weil es die Bank (a) Geld kostet und (b) die Kunden davon abhält, bei der Bank Geld zu deponieren. Nur ist die SNB nicht für die Banken da, sondern für die Volkswirtschaft, also für uns. Sie hat den Auftrag die Preisstabilität sicherzustellen. Nichts mehr, nichts weniger.
Und wenn es dazu Negativzinsen braucht, dann wird die SNB, als professionell handelnder Akteur, diee mit Sicherheit nicht ausschliessen.