Um nicht massenweise Kunden an die günstigeren Eigenmarken der Einzelhändler zu verlieren, drosseln Nestle und andere Markenartikel-Hersteller ihre Preiserhöhungen.
Der von US-Präsident Donald Trump angezettelte globale Handelskrieg testet die Grenzen ihrer Macht, die Preise in den Lebensmittelgeschäften zu bestimmen. «Einige politische und wirtschaftliche Entscheidungen haben das ohnehin schon schwache Verbrauchervertrauen noch weiter geschwächt», erläuterte Nestle-Chef Laurent Freixe am Donnerstag das Problem.
«Wenn es um die Preisgestaltung geht, müssen wir die Kunden, die Verbraucher und die Schritte der Wettbewerber berücksichtigen,» sagte Freixe anlässlich der Veröffentlichung des Zwischenberichts. «Wir versuchen, so hohe Preise wie möglich zu nehmen, um unsere Kosten zu decken, und gleichzeitig die Reaktion der Verbraucher einzuberechnen.»
In Nordamerika kappte der Schweizer Konzern die Preise im Startquartal um durchschnittlich ein Prozent, während sie in Europa um drei Prozent hochgeschraubt wurden. Konzernweit verteuerten sich die Nestle-Produkte um 2,1 Prozent. Rivale Unilever erhöhte die Preise in Nordamerika um 2,1 Prozent, wie den ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Quartalszahlen des Produzenten von Knorr-Tütensuppen, Dove-Seife oder Ben&Jerry's-Eiscreme zu entnehmen war.
US-Präsident Trump hat in den letzten Monaten umfassende Zölle gegen Länder rund um den Globus verhängt und damit die Sorge geweckt, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession gedrängt wird. Die Zölle könnten Rohstoffe und Grundversorgungsgüter verteuern und die Konsumlust der Verbraucher hemmen. Trump hatte sich am Montag mit grossen US-Einzelhändlern getroffen, darunter Walmart und Target, um die Auswirkungen der Zölle auf ihre Importe zu besprechen.
«Das Verbrauchervertrauen ist gesunken. Wir sehen, dass sich die Konsummuster ändern, und der Wettbewerb wird weitergehen», sagte Kris Licht, CEO von Reckitt am Mittwoch. Der Hersteller von Durex-Kondomen erhöhte die Preise im ersten Quartal in Nordamerika lediglich um 0,9 Prozent, in Europa waren es drei Prozent und in den Schwellenländern gar 3,9 Prozent.
Markenartikel-Hersteller verlieren immer weiter an Boden
Schon während der Covid-19-Pandemie verloren die Konsumgüterhersteller Marktanteile an Eigenmarken von Einzelhändlern wie Walmart und Target. Marken-Hersteller von Alltags-Produkten hätten ihre Preise in den vergangenen Jahren bereits so weit wie möglich erhöht, stellt Rob Holston, Leiter des Konsumgüterbereichs beim Berater EY, fest. «Ein grosser Anteil der Leute steigt einfach auf Eigenmarken um.» Seine Kunden aus dem Konsumgüterbereich hätten ihm gesagt, sie befänden sich inzwischen auf «Kriegsfuss» mit Eigenmarken.
Daten des Marktforschungsunternehmens Nielsen IQ zeigen, dass die Hersteller bekannter Haushaltswarenmarken Preiserhöhungen zuletzt bei etwa zwei Prozent beliessen, während sich der gleiche Warenkorb an Produkten wie Kaffee, Seife, Babynahrung und Tampons mit Eigenmarken um etwa vier Prozent verteuerte. Den Daten zufolge sind Eigenmarken im Schnitt allerdings immer noch um mindestens rund einen Dollar günstiger. Der US-Verbraucherpreisindex stieg im März im Jahresvergleich um 2,4 Prozent und liess damit die Preiserhöhungen der Markenartikler hinter sich.
McKinsey-Experte Patricio Ibanez zufolge rechnen die Konsumenten wegen der Zölle mit Kostensteigerungen. Eine Umfrage der Beratungsfirma ergab, dass 60 Prozent der Menschen planten, ihre Konsumgewohnheiten zu ändern: entweder indem sie Dinge kauften, die billiger sind, oder indem sie zu Grosshandels-Discountern oder Online-Händlern wechselten. «Wir würden keine Preiserhöhungen empfehlen», sagte Ibanez. «Eigenmarken wachsen in den USA viermal schneller als grosse Marken».
Innovative Einzelhändler
Auf Walmart.com können Kunden eine 100-Unzen-Flasche Persil-Flüssigwaschmittel von Unilever für 12,97 Dollar kaufen. Das Walmart-eigene Waschmittel Great Value kostet in der 154-Unzen-Flasche dagegen nur 11,64 Dollar. Die Einzelhändler hätten zum Teil die gleichen Fähigkeiten wie multinationale Konsumgüter-Produzenten entwickelt, sagt Aftab Hussain von der Boston Consulting Group. «Wir beobachten, dass die Einzelhändler mit ihren Eigenmarken Innovationen hervorbringen, die den bekannten Marken sogar voraus sind.»
Laut den von Barclays analysierten Nielsen-Daten hat Nestle in den vergangenen 18 Quartalen im US-Geschäft Marktanteile verloren. Das Unternehmen erklärte am Donnerstag bei der Vorlage der Quartalsergebnisse, dass es in den Kategorien Tiefkühlkost und Kaffeesahne «Marktanteilsprobleme» habe. Das US-Geschäft von Unilever hat demnach in allen bis auf zwei der letzten 18 Quartale Marktanteile verloren.
(Reuters)