In den USA brummt das Geschäft mit der begehrten Abnehmspritze Wegovy des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk. Bereits jeder achte Erwachsene dort soll die neuartigen GLP-1-Medikamente zur Gewichtsreduktion schon einmal verwendet haben, und Experten schätzen, dass die Zahl der Patienten in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Das nagt am Geschäft von Lebensmittelriesen wie Nestle aus der Schweiz. Das Unternehmen will die Nutzer der Abnehmspritzen deshalb mit eigens für sie kreierten Produkten bei der Stange halten. Noch in diesem Jahr sollen spezielle Tiefkühl-Pizzen und proteinangereicherte Nudeln auf den Markt kommen.
Nestle habe neue Produkte mit mehr Eiweiss, Eisen und Kalzium für die Nutzer der GLP-1-Medikamente entwickelt, sagt Nestle-Manager Tom Moe. Diese wolle das Unternehmen unter der neuen Marke «Vital Pursuit» den Konsumenten anpreisen, die ihre Medikamenteneinnahme mit «der richtigen Ernährung - mehr Eiweiss, guten Ballaststoffen, den richtigen Mineralien» wie Kalium und Vitamin C ergänzen wollten. Ab Oktober sollen sie in den Regalen der Supermärkte liegen und in den USA bis zu 4,99 Dollar kosten, also teurer sein als herkömmliche Nestle-Pizzen.
Nestle, das hierzulande für Maggi-Fertigprodukte bekannt ist und zu dessen Marken auch KitKat-Schokoriegel und Nescafé gehören, begann im vergangenen Jahr mit der Arbeit an Begleitprodukten zu den GLP-1-Medikamenten. «Wir haben uns hier sehr schnell bewegt», sagt Moe. Konzernchef Mark Schneider hatte im Oktober erklärt, dass Nestle genau beobachte, ob die Verbreitung der Medikamente die Nachfrage nach seinen Produkten beeinträchtigen könnte. Er sagte damals auch, dass Nestle an «begleitenden Produkten» arbeite, die dazu dienen könnten, den «Verlust von Muskelmasse» bei Menschen, die die Medikamente einnehmen, zu begrenzen.
Um die Adipositas-Medikamente, die schon Tesla-Chef Elon Musk und Reality-Star Kim Kardashian beim Abnehmen geholfen haben sollen, gibt es bereits seit längerem einen regelrechten Hype. Unter Investoren geht derweil die Sorge um, dass Lebensmittelkonzerne wegen der appetitzügelnden Medikamente Umsatzeinbussen erleiden könnten. Doch die Unternehmen halten bislang mit dem Argument dagegen, dass sie in den Arzneien eine neue Chance zur Vermarktung ihrer Produkte sehen. Der Milka- und Oreo-Hersteller Mondelez behauptet gar, dass seine Snack-Riegel «perfekt» in die Ernährung eines GLP-1-Patienten passten.
Wegovy sorgt für ein längeres Sättigungsgefühl und führt in Kombination mit einer Umstellung der Ernährung und sportlicher Betätigung zu einer durchschnittlichen Gewichtsabnahme von rund 15 Prozent. Das Mittel gehört zu der Klasse der sogenannten GLP-1-Agonisten, die ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurden. Neben Novo Nordisk ist auch der US-Pharmakonzern Eli Lilly mit dem Mittel Mounjaro im Rennen.
Die Patienten müssen allerdings neben der Gewichtsabnahme auch mit einem Verlust an Muskelmasse rechnen, gibt der US-Mediziner Ethan Lazarus, der für Novo Nordisk und Lilly als Sprecher auftritt, zu bedenken. Manche von ihnen entwickelten sogar eine Abneigung gegen Eiweiss und Fett. Weil die Patienten weniger essen, erschwert das die Deckung des täglichen Nährstoffbedarfs.
«GLP-1-Ernährungsbegleiter»
«Es muss auf jeden Fall sichergestellt werden, dass diese Menschen ausreichend Eiweiss zu sich nehmen», sagt Lazarus, der auch schon als Berater für die Nestle-Gesundheitssparte Nestle Health Sciences fungierte. Die geplanten Produkte könnten bei den Konsumenten zwar durchaus populär werden, für ihn sei aber noch unklar, inwiefern sie sich von schon erhältlichen Diätprodukten unterscheiden.
Nestle stellt bereits Shakes und Nahrungsergänzungsmittel zur Gewichtsabnahme her, die sich an Menschen richten, die die neuen Medikamente einnehmen, bei denen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Verstopfung auftreten können. Das Ernährungsunternehmen Herbalife hat Anfang des Jahres damit begonnen, einige seiner beliebtesten Shake-Mischungen und Ballaststoffpräparate als «GLP-1-Ernährungsbegleiter» zu vermarkten. Das soll nun auch auf andere Märkte ausgeweitet werden, einschliesslich Südamerika, wo GLP-1-Medikamente immer beliebter werden, so Herbalife.
(Reuters)