16 Prozent im 2022, 10 Prozent im 2023. Und nun 24 Prozent im 2024. Das sind die Kursverluste der Nesté-Aktie in den letzten drei Jahren. Laut Bloomberg verzeichnete der Titel 2024 gar den grössten Jahresverlust aller Zeiten.

Ob das stimmt, sei dahingestellt. Denn immerhin ​​wurden die Aktien der "Anglo Swiss Condensed Milk Co" - einer der beiden Gründungsgesellschaften von Nestlé - bereits am 17. März 1873 an der Börse in Zürich kotiert, wie der Nestlé-Website entnommen werden kann. Nach der Fusion zwischen dieser Gesellschaft und "SA Henri Nestlé" wurden die Titel von "Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Co." 1905 an der Zürcher Börse kotiert.

Doch ob schlimmstes Börsenjahr oder nicht - die Frage ist eigentlich nebensächlich. Pensionskassen, Einzelaktionäre und Grossinvestoren sorgen sich schon länger über den Niedergang der Nestlé-Aktie. Seit dem Rekordstand zum Jahreswechsel 2021/2022 wurde eine Beinahe-Halbierung des Aktienkurses vollzogen. Rund 150 Milliarden Franken an Börsenwert wurden dabei vernichtet.

Grösste Einzelaktionärin von Nestlé ist laut Bloomberg-Daten die UBS mit 5,5 Prozent, gefolgt von den US-Vermögensverwaltungsgiganten Blackrock und Vanguard mit je 4,3 Prozent und dem Norwegischen Staatsfonds mit 2,8 Prozent. Auch die Zürcher Kantonalbank sitzt mit einem Kapitalanteil von 1,6 Prozent auf einer stattlichen Position Nestlé-Aktien. Keiner dieser Grossaktionäre wird mit der Kursperformance zufrieden sein.

Inwiefern die Grossinvestoren bereits bei der Absetzung von CEO Mark Schneider Ende August Druck ausgeübt haben, ist nicht bekannt. Doch falls die Investoren im August wegen der Kurserosion bereits nervös waren, müssten sie heute noch viel unruhiger sein. Denn damals stand der Aktienkurs bei knapp 90 Franken, fünf Monate später und nach der Kommandoübernahme des Schneider-Nachfolgers Laurent Freixe rutschte der Kurs weiter ab - kurz vor Jahresende bis auf eine Marke knapp unter 73 Franken.

Beschleunigung des Nestlé-Aktienkurses fand nach unten statt

Es ist offensichtlich: Die "Back-to-the-Roots"-Stategie von Freixe und seinem Förderer, Verwaltungsratspräsident und ex-CEO Paul Bulcke, zieht an den Märkten nicht - oder noch nicht. Auch der Nestlé-Investorentag im November mit dem Titel "Accelerating Nestlé" brachte keinen Stimmungsumschwung. Die Beschleunigung des Aktienkurses fand nach unten statt. Freixe will die grössten Marken des Konzerns wieder auf Wachstumskurs bringen und verlorene Marktanteile zurückgewinnen. Doch die Besinnung auf alte Stärken - das verfängt nicht.

Immer schmerzhafter ist der Börsen-Vergleich zu den Rivalen: Danone erzielte eine Jahresperformance 2024 von plus 10 Prozent. Die Aktie von Unilever ist 2024 sogar 20 Prozent gestiegen. Zwar sind diese Firmen anders aufgestellt. Doch wahrscheinlich erhalten Investoren den Eindruck, dass sich diese Firmen für die Zukunft besser aufzustellen beginnen. Anfang Dezember kündigte Unilever den Verkauf weiterer Lebensmittelmarken an. Bereits im Frühling hatte Unilever die Abspaltung seines Eiscreme-Geschäfts bekanntgegeben.

Schon länger drängen Investoren auch Nestlé zu mutigeren Schritten. Etwa bei der Sparte "Health Science", von Mark Schneider gefördert und eigentlich zukunftsgerichtet, aber nie auf die Sprünge kommend. Oder beim 20-Prozent-Anteil am Kosmetikkonzern l'Oréal, an dem seit drei Jahren nichts mehr geändert wurde. Oder beim Wassergeschäft von Nestlé, das regelmässig Probleme bereitet und das Firmen-Image demoliert.

Das Wassergeschäft ist das Heiligtum des ehemaligen CEO und VR-Präsidenten Peter Brabeck, vor kurzem 80 Jahre alt geworden. Wahrscheinlich liegt genau hier das grundlegende Problem von Nestlé - und an dem schon Mark Schneider gescheitert war. Die "alte Clique" rund um Brabeck und Bulcke verteidigt ihre Errungenschaften. "Im Hintergrund läuft ein Kulturkampf um das Vermächtnis der alten Granden", schrieb das deutsche "Manager Magazin" (Artikel bezahlpflichtig) jüngst unter dem Titel "Das Methusalem-Komplott" - eine Verschwörung alter weisser Männer.

Gralshüter verteidigen das alte Nestlé-Modell

Dass die "Gralshüter das alte Nestlé-Modell" verteidigen, bewies bereits die Chef-Nomination von Freixe, 62 Jahre alt, ein Mann, der bereits 1986 im Alter von 24 zu Nestlé kam, ehemaliger Nestlé-Europa-Chef und ex-Leiter Amerika, ein beharrlicher Schaffer. Bulcke, selber schon 70 Jahre alt, wehrt sich gegen den Eindruck, dass Freixe bloss ein Übergangs-CEO sein soll. Das Beispiel Freixe zeige indes exemplarisch, so Beobachter, dass es die alte Nestlé-Garde nicht geschafft habe oder schaffen wollte, einen jüngeren internen Nachfolger aufzubauen.

Die Zeit drängt: Je länger der Nestlé-Aktienkurs dümpelt, desto grösser ist die Gefahr eines "Daniel Loeb 2.0". Der aktivistische Investor nistete sich 2018 mit seinem Hedgefonds Third Point beim Multi ein. Obwohl Loeb nur maximal 1,3 Prozent des Kapitals besass, konnte er einen Grossteil seiner Forderungen durchbringen. Aggressiven Druck von aussen wünscht sich das Management und der Verwaltungsrat von Nestlé in der derzeitigen Verfassung der Firma zuletzt.

Und: Je länger die Nestlé-Kursmisere an der Börse andauert, desto grösser wird auch der Druck auf Verwaltungsratspräsident Bulcke, dem Verfechter des alten Nestlé-Modells. Bulcke selber will so lange für Nestlé tätig sein, wie er für die Firma nützlich sei. "Wenn nicht, bin ich weg", sagte er in einem Interview.

Doch wer urteilt beim Hauptsitz in Vevey darüber, ob Bulcke noch nützlich ist oder nicht?

Daniel Hügli
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