Kurz nach Handelsstart tauchten die Papiere von Nestlé 2,7 Prozent auf 81.60 Franken. Damit fielen sie auf den tiefsten Stand seit Januar 2019. Dies, nachdem sie mit 82,04 Franken schon im September einen ähnlich tiefen Wert erreicht hatten. Der Tauchgang am Donnerstagmorgen war zeitweilig. Die Papiere erholen sich und legen am Nachmittag um 2,5 Prozent zu auf über 86 Franken. Sie hätten nach dem stetigen Rückgang während des Jahres nun wohl den Boden gefunden, meinen Börsenexperten. Nestlé bleibe eine Qualitätsaktie - trotz der jüngsten Nachrichten.

Der weltweit grösste Lebensmittelkonzern ist in den ersten neun Monaten 2024 zu wenig stark gewachsen, um die bisherigen Wachstumsziele fürs Gesamtjahr noch zu erreichen. Unter dem abgetretenen Chef Mark Schneider war von einem organischen Wachstum um  über drei Prozent respektive vier Prozent die Rede. Nun zeigt sich: Dieser Ausblick war zu optimistisch. 

Insgesamt hat Nestlé in den ersten neun Monaten 67,1 Milliarden Franken umgesetzt. Das entspricht einem organischen Wachstum von zwei Prozent. Laurent Freixe, seit kurzem Nestlé-CEO, geht neu von «etwa 2,0 Prozent» organischem Wachstum im Gesamtjahr 2024 aus. Auch die Prognose für die operative Marge wurde leicht gesenkt.

Jean- Philippe Bertschy, zuständiger Analyst der Bank Vontobel, kommentiert, die Nachrichten aus Vevey seien «ein sehr schmerzhafter Rückschlag für Nestlé, der in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel ist». Es sei schwer nachzuvollziehen, wie das Unternehmen bis Juli ein Umsatzwachstum von etwa vier Prozent erwarten konnte. «Für einen Branchenriesen wie Nestlé ist diese Verfehlung in nur wenigen Monaten enorm.» 

Mit einem Umbau der Konzernleitung will Freixe Nestlé wieder zum Erfolg führen. Die 2022 vorgenommene Zonen-Reorganisation wird rückgängig gemacht: Die Zonen Lateinamerika und Nordamerika werden wieder zusammengelegt und Greater China in die Asien-Zone integriert. Zudem kommt es zu einigen Wechseln in der Konzernleitung - neu sind darin mit Nespresso-Chef Philipp Navratil und der neuen Personalchefin Anna Lenz zwei Schweizer vertreten.

Laut Bertschy sollte das neue Management Nestlé wieder zu seinen Wurzeln zurückführen: «Marketing und die Verbindung zu den Verbrauchern.» Diese Aufgabe sei gewaltig und werde Zeit brauchen. Ein «Buy»-Rating mit einem Kursziel von 105 Franken zeugt allerdings von Vertrauen des Vontobel-Analysten in den Nahrungsmittelkonzern.

Einen Silberstreifen am Horizont sieht auch der zuständige Experte der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Für Nestlé sprächen die tiefe Bewertung und die starke Marktstellung, aber auch die Aufbruchstimmung nach dem Chefwechsel. Die ZKB bestätigt die Einstufung «Übergewichten». Sie geht also davon aus, dass Nestlés Gesamtrendite in den kommenden zwölf Monaten über jener des Gesamtsmarktes liegen wird. 

(cash)