Im Laufe des Mittwochnachmittags wurden für die Nestlé-Aktie mal eben kurz noch Kurse von 100 Franken und mehr bezahlt. Doch die nachhaltige Rückkehr in den dreistelligen Frankenbereich, sie rückt in weite Ferne.
Denn das Ergebnis des Nahrungsmittelherstellers aus Vevey für das vergangene Jahr fällt an der Börse ganz klar durch. Zeitweise wird die Aktie mit einem Minus von mehr als 5 Prozent abgestraft. Bei 93,84 Franken markiert sie ein neues Mehrjahrestief.
Enttäuschendes Schlussquartal
Will man den Analysten Glauben schenken, dann ist die Liste der Enttäuschungen lang.
Wie die UBS schreibt, wies die viel beachtete Entwicklung der Absatzvolumen im vierten Quartal zwar erstmals wieder positive Vorzeichen auf. Mit einem eher mageren Plus von 0,4 Prozent seien die Erwartungen allerdings klar verfehlt worden. Der Grossbank zufolge lagen die durchschnittlichen Erwartungen bei einem Wachstum von 1,4 Prozent. Sie selber ging sogar von einem Zuwachs um 1,8 Prozent aus.
Trotz einer Erhöhung der Absatzpreise um 5,2 Prozent verlangsamte sich das organische Umsatzwachstum im Schlussquartal von 6 Prozent im Vorquartal auf 5,7 Prozent und damit deutlicher als erwartet. Die britische Barclays etwa hatte sogar mit einer leichten Wachstumsbelebung auf 6,3 Prozent gerechnet.
Jahresgewinn höher als 2022, aber tiefer als erwartet
Bei Bernstein Research zeigt man sich sichtlich enttäuscht. Die US-Investmentbank hält fest, dass sich andere Rivalen wie Unilever oder Danone im vierten Quartal in Sachen Volumenabsatz besser als Nestlé geschlagen hätten. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Marketingausgaben sei die verhaltene Wachstumsentwicklung bei den Westschweizern noch viel enttäuschender. Die Citigroup erklärt sich das verhaltene Abschneiden vor allem mit der Wachstumsflaute bei Nestlé Health Sciences. Doch auch das China-Geschäft sei zuletzt eher schleppend verlaufen. Die US-Investmentbank hatte schon vor Wochen vor einer möglichen Enttäuschung gewarnt und die Aktie auf die "Negative Catalyst Watch"-Liste gesetzt.
Auch vom Jahresgewinn hatte man sich rückblickend mehr erhofft. Mit 11,2 Milliarden Franken liegt dieser weit unter den durchschnittlich erwarteten 11,9 Milliarden Franken zurück. Neben den Folgen des starken Frankens erklärt man sich diese Differenz bei der Zürcher Kantonalbank einerseits mit hohen Restrukturierungskosten, andererseits aber auch mit hohen Wertberichtigungen. Da das Ergebnis 2022 von einem milliardenschweren Abschreiber auf Aimmune belastet worden war, resultiert im Jahresvergleich dennoch ein Gewinnzuwachs von gut 20 Prozent.
Für enttäuschte Gesichter sorgt nicht zuletzt der Ausblick, stellt Nestlé für dieses Jahr doch ein organisches Umsatzwachstum von 4 Prozent sowie eine leichte Verbesserung bei der operativen Marge in Aussicht. Damit liegt das Umsatzziel ganz am unteren Ende der mittelfristig angestrebten 4 bis 6 Prozent. An den Mittelfristzielen ändert sich hingegen nichts. Doch auch bei den Margenannahmen könnten die Analysten gezwungen sein, ihre Schätzungen unter negativen Vorzeichen zu überdenken, wie Bernstein Research meint.
Eine erste Kurszielreduktion
Vontobel hält fest, dass der Nahrungsmittelhersteller 2023 schon zum zweiten Jahr in Folge mit einem rückläufigen Absatzmengen zu kämpfen hatte. Von den verhaltenen diesjährigen Wachstumsvorgaben schliesst die Zürcher Bank darauf, dass sich bei den Absatzmengen nur eine leichte Belebung einstellen dürfte.
Die Basler Kantonalbank zögert nicht lange und kürzt ihr Kursziel für die Nestlé-Aktie auf 115 (zuvor 120) Franken. An der "Übergewichten" lautenden Kaufempfehlung hält sie indes fest. Wie der zuständige Analyst schreibt, verfehlt das Westschweizer Unternehmen bei so ziemlich jeder kennzahl die Erwartungen - wenn auch nur geringfügig. Er begründet seine beibehaltene Zuversicht mit der guten Wettbewerbsposition Nestlés.
Mit Ausnahme von Bernstein Research haben alle genannten Banken Kaufempfehlungen für die Nestlé-Aktie ausstehend, Vontobel sogar mit einem Kursziel von 120 Franken.