Als die Aktie von Nestlé im Oktober 2023 erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder unter die Marke von 100 Franken fiel, begann sich am Konzernsitz des Nahrungsmittelsmultis in Vevey Unruhe breit zu machen. Fragen zum Kurs von CEO Mark Schneider wurden auch an den Märkten erstmals laut geäussert. Investoren hofften auf eine Wende. Zumal die Börsen weltweit letzten Herbst einen Anstieg starteten, der bis heute anhält.

Fast ein Jahr später: Die Nestlé-Aktie kratzt an der Marke von bloss noch 80 Franken. Am letzten Freitag verlor der Titel 4 Prozent. Tiefster Stand seit Januar 2019. Anhaltender Kursverfall seit dem Rekordhoch von knapp 130 Franken. Wie ist das möglich?

Die übliche Massnahme bei solchen "Downturns" - die Auswechslung des Firmenchefs - hatte auch bei Nestlé nur kurzzeitige Wirkung auf den Aktienkurs. Nestlé ist es noch nicht gelungen, den Markt zu überzeugen, wie Schneider-Nachfolger und Nestlé-Urgestein Laurent Freixe den Dampfer wieder auf Kurs bringen soll.

Für einiges Erstaunen sorgte etwa die Aussage von Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke, wonach Freixe mit seinen 62 Jahren noch "jung" und daher keine Übergangslösung sei. Einige Beobachter frotzelten zudem, dass Nestlé mit Freixe und Bulcke eine inoffizielle operative Doppelspitze habe.

Freixe will das Unternehmen nun auf seine Kernmarken und -produkte konzentrieren und auf organisches Wachstum statt auf Übernahmen setzen. Schneider hatte das Nestlé-Portfolio in den letzten Jahren mit zahlreichen Akquisitionen und Firmenteilverkäufen um einen Viertel verändert - die Umsatzdynamik blieb jedoch aus.

Die Probleme von Nestlé sind natürlich nicht nur hausgemacht: Die Firma hat von verschiedenen Seiten Gegenwind, den auch andere Unternehmen verspüren: Inflation, höhere Rohmaterialpreise, ständig ändernder Konsumentengeschmack, Trend zu gesünderer Nahrung und die Fettwegspritzen. Dazu ein Konsumumfeld im ersten Halbjahr 2024, das eine Erholung erschwert.

Dennoch haben Nestlé-Konkurrenten Danone (plus 11 Prozent) und Unilever (plus 28 Prozent) in diesem Jahr an der Börse im Gegensatz zu Nestlé (minus 15 Prozent) gewonnen, auch wenn die Geschäftsmodelle nicht direkt vergleichbar sind. Nestlé erntet schliesslich auch den Zorn der Investoren, dass das Unternehmen mit seinen Prognosen für die Geschäftsjahre 2023 und 2024 zu optimistisch war.

Das Ziel eines organischen Umsatzwachstum wurde nach den Halbjahreszahlen für das Geschäftsjahr 2024 nach langer Anlaufzeit von "rund 4 Prozent" auf "mindestens 3 Prozent" heruntergenommen.

Analysten der UBS erwarten mittlerweile sogar, dass Nestlé die Erwartungen für das organische Umsatzwachstum auf 2 bis 3 Prozent senken könnte. Diese Erwartungen preist der Markt nun in den Aktienkurs ein. Am 17. Oktober publiziert Nestlé die Drittquartalszahlen. Bis dann dürfte der Kurs unter Druck bleiben.

Laut einem Analysten der britischen Bank Barclays müssen Nestlé-Investoren einen langen Atem haben. 2025 werde ein Übergangsjahr für den Konzern, und eine wirkliche Erholung bis zum Jahr 2026 ist seiner Einschätzung nach unwahrscheinlich. Aktienkurse von 130 Franken sind bei Nestlé also erstmal Geschichte.

Daniel Hügli
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