«Trumps Wirtschaftspolitik vernichtet Wohlstand». «Deutsche Wirtschaft stellt sich nach Trumps Sieg auf schwierige Zeiten ein». «Trump wird das politische Klima in Europa und in der Schweiz vergiften.» Oder auch: «Der Lügner ist zurück», wie es eine Schweizer Tageszeitung formulierte.

Solche Schlagzeilen dominieren den Tag nach dem Sieg von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen. Es tropft und trieft der Pessimismus und ein unterschwelliges Selbstmitleid, bevor Trump überhaupt seine neue Amtszeit in Angriff genommen hat. Ich konnte die Schlagzeilen schon am Mittag nicht mehr hören und lesen. Man fühlt sich zurückversetzt ins Jahr 2016. Damals waren die Reaktionen nach Trumps erstem Sieg ähnlich.

Klar: Viele Menschen in Europa und in den USA hätten sich für die nächsten vier Jahre eine weniger populistische Person als US-Präsidenten gewünscht. Und viele Leute im Umfeld von Trump, etwa Elon Musk, wecken ungute Erinnerungen an Zeiten, in denen der Totalitarismus auf dem Vormarsch war. Andere im Trump-Umfeld vermischen schamlos politische und eigene finanziellen Interessen.

Die Reaktionen auf Trumps Wahlsieg missachten jedoch vor allem eines: Ein überraschend deutliches Votum einer demokratischen Mehrheit von Wählerstimmen. Ein Kommentator auf CNN sagte am Mittwochmorgen süffisant: Die Demokraten setzten auf eine gebildete Schicht in den Städten und Vorstädten der USA, die sich vorab um Genderfragen kümmert. Trump setzte auf die Wähler, die sich wegen der hohen Preise und der Einwanderung Sorgen machen. Das sind traditionell die Themen, welche die Amerikaner wirklich bewegen. Vor allem die Leute, die wenig verdienen.

Statt zu lamentieren, sollten sich die Menschen vorab in Europa endlich der Realität stellen. Eigene China-Politik, eigene Zoll-Politik, weniger Appeasement und vor allem: Selbständigere Sicherheitspolitik. Der «Weckruf für die Europäer», der auch am Tag nach der US-Wahl vielerorts erhallt, geht schon seit Jahren durch den Alten Kontinent. Bloss hören will man ihn nicht.

Vor allem aber: Trump ist ein Mensch der Sorte Angeber und Flunkerer, um es einmal so zu formulieren. Die Ankündigung ist bei ihm wichtiger als die Tat. Es ist alles andere als sicher, ob er seine Androhungen wegen der Strafzölle auch umsetzt. Trump weiss: Die restriktivere Handelspolitik könnte zu höherer Inflation führen, die amerikanischen Konsumenten belasten und die Wirtschaft bremsen.

So wird sich Trump in den nächsten vier Jahren an dem messen lassen müssen, was die US-Bürger bewegt: Wie hoch ist der Benzinpreis? Hat die Einwanderung zugenommen? Es sind die gleichen Fragen wie vor acht Jahren, als Trump überraschend US-Präsident wurde. Nach vier Jahren war seine Amtszeit übrigens bereits beendet.

Daniel Hügli
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