Die Aktien des Technologiekonzerns ABB erholten sich im Jahr 2020 innerhalb von vier Monaten vom Corona-Einbruch im März. Und auch in der Folge ging es bis im August 2021 ohne grosse Unterbrechungen weiter aufwärts. Zwar tauchte der Titel im September für eine kurze Zeit, erreichte aber in der Folge bei knapp 36 Franken den höchsten Stand seit dem Jahr 2000. 

Doch im neuen Jahr hat der Schwung mehr als nur nachgelassen. Die Aktie verliert beständig an Terrain und das Kursminus seit Jahresbeginn hat sich auf 16 Prozent aufsummiert. Im Vergleich dazu hat der Markt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) mit minus 9 Prozent deutlich weniger verloren.

Immerhin schneidet die ABB-Aktie im Vergleich zur europäischen Konkorrenz wie Siemens (-20 Prozent), Schneider-Electric (-26 Prozent) oder Legrand (-22 Prozent) besser ab.

Kursentwicklung der Aktien von ABB seit dem Januar 2020 (Quelle: cash.ch).

Für einen kleinen Dämpfer haben die Zahlen zum ersten Quartal gesorgt, in dem ABB den Umsatz nur geringfügig gegenüber der Vorjahresperiode steigern konnte. Gebremst wurden die Verkäufe durch Lieferengpässe bei Komponenten im Geschäftsbereich Robotik & Fertigungsautomation. Teilweise waren auch Fabriken in Shanghai geschlossen.

Was aber erstaunt, ist, dass der starken Auftragseingang - 21 Prozent höher als im Vorjahresquartal - so gut wie gar keinen positiven Einfluss auf die Kursentwicklung hatte. Dies, obwohl der gemeldete Bestelleingang 40 Prozent über dem Niveau von Ende 2018 liegt. An der Börse wurde vielmehr negativ aufgefasst, dass ABB für das zweite Quartal Marktaktivitäten auf dem Niveau der Vorjahresperiode in Aussicht stellte.

Was den Aktienkurs wohl hauptsächlich in Schieflage brachte, ist die konjunkturelle Eintrübung, der Ukraine-Krieg und die steigenden Zinsen. "Zyklische Aktien wie ABB werden in einem solchen Umfeld mehr abgestraft", sagt Mark Diethelm, Analyst bei Vontobel, gegenüber cash.ch. ABB habe auch Gegenwind von der Währungsfront, da der Konzern in Dollar berichtet. Der Greenback hat sich seit Jahresbeginn gemessen am Dollar-Index DXY um 6,2 Prozent verteuert. Dieser vergleicht die US-Währung mit einem Korb anderer grosser Währungen.

Aktien von ABB mit zunehmend interessanter Bewertung

Als Folge des Kursrückgangs ist das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf 18 zurückgekommen - dies ist leicht unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre und spricht für ein Ende des Abwärtstrends. Im gleichen Zug ist die Dividendenrendite auf 2,9 Prozent gestiegen. 

Doch es gibt neben der zunehmend interessanten Bewertung weitere Gründe, warum die Aktien von ABB trotz Konjunktureintrübung und steigender Zinsen allmählich einen Boden finden und sich ein Einstiegspunkt für Anlegerinnen und Anleger bietet. So stehen in der Zukunft wegen der politischen gewollten Dekarbonisierung des Verkehrs Batterien, strombasierte Kraftstoffe und Wasserstoff-Brennzellen als Alternative zu fossilen Brennstoffen im Fokus. ABB dürfte von diesen Investitionen in die Infrastruktur profitieren.

Zudem ist mit dem hohen Bestelleingang die Basis für Wachstum in den nächsten Jahren gelegt. Dies dämpft den konjunkturellen Gegenwind ab. Laut Vontobel-Analyst Diethelm dürfte auch die Entspannung in der Lieferkette für Industrieelektronik und -halbleiter das Umsatzwachstum antreiben. Und: "China öffnet wieder und damit kann ABB auch wieder mehr liefern und produzieren, vor allem im Bereich Robotik", fügt der Experte an.

ABB als Turnaround-Geschichte

Und: ABB ist unter dem CEO Björn Rosengren, der seit März 2020 im Amt ist, eine erfolgreiche Turnaround-Geschichte. Dabei hat sich der Verkauf der Power-Grids-Sparte im Jahr 2020, welche die Profitabilität belastet hatte, als Wendepunkt erwiesen. 

ABB will unter Rosengren das Tempo hochhalten, was die Umstrukturierung und die Verschlankung angeht: Vor Mitte 2022 will der Technologiekonzern die Division E-Mobility noch an die Schweizer Börse bringen. Zudem ist die Abspaltung der Division Turbocharging laut Diethelm im dritten Quartal wahrscheinlich. Beides dürfte für die Aktionärinnen und Aktionäre von ABB Mehrwert schaffen.

Zudem gehen Analysten davon aus, dass ABB dieses Jahr noch bis zu zehn Ergänzungstransaktionen tätigen könnte, was zusätzliche Kursfantasien auslösen dürfte. Als Schutz gegen unten wirkt aber auch, dass ABB ein Aktienrückkaufprogramm im Umfang von 3 Milliarden Dollar seit Anfang April am Laufen hat. Es ist daher aus all diesen Gründen nicht erstaunlich, dass die von Bloomberg befragten Analysten die Aktie im Durchschnitt um 17 Prozent höher sehen.

Doch es gibt auch Risiken, die sich Anlegerinnen und Anleger bewusst sein sollten: Eine Investition bei ABB wird wohl nur dann zum Bumerang, wenn sich der Wirtschaftsabschwung deutlich akzentuiert und die damit einhergehende Nachfrageschwäche in den Geschäftszahlen manifestiert. In diesem Szenario dürften die Aktien ABB im Einklang mit dem Aktienmarkt noch weiter korrigieren.

ManuelBoeck
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