Der verblüffende Anstieg des Hongkonger Finanzdienstleisters AMTD Digital um 10’156 Prozent sorgte bei seinem New Yorker Debüt im letzten Monat für Furore an der US-Börse. Es ist nur die jüngste in einer Reihe von grenzüberschreitenden Börsennotierungen, die nach ihren amerikanischen Debüts stark gewachsen sind.
AMTD Digital hat eine lange Reihe von unerklärlichen, massiven Bewegungen neu an die Börse gebrachter Firmen aus China und Hongkong in den Fokus gerückt. Nun stehen weitere US-Börsengänge aus dieser Region unmittelbar bevor.
Weitere Knaller möglich
Magic Empire Global, ein Unternehmen, welches Corporate Finance-Beratung und Underwriting anbietet, wird voraussichtlich heute Freitag an die Börse gehen. Und die chinesische Parkingmanagement-Firma Yi Po wird nächste Woche ebenfalls in der Lage sein, einen Börsengang durchzuführen, nachdem es am letzten Dienstag die Bedingungen dafür festgelegt hatte.
"Die Händler sollten nach weiteren ungewöhnlichen Knallern Ausschau halten", sagte Matt Michel, Geschäftsführer von InvestorLink Capital Markets. "Der Höhenflug von AMTD Digital dürfte das Anlegerinteresse für ähnlich gelagerte Transaktionen wecken", meint Michel weiter. Seine Firma hilft Banken dabei, Privatanleger für Börsengänge zu gewinnen. "Es ist möglich, dass andere grenzüberschreitende Unternehmen ähnliche Kursbewegungen erleben werden, nachdem sie an die Börse gegangen sind."
Es gab in diesem Jahr schon einige Unternehmen mit Sitz in China und Hongkong, welche nach ihren US-Börsengänge mysteriöse Kursschwankungen erlebten. So ist der IPO-Preis von Ostin Technology beim April-Börsengang um 892 Prozent nach oben gesprungen. Die Aktien machten diesen Anstieg aber schnell wieder zunichte und beendeten den ersten Monat 51 Prozent unter dem IPO-Preis. Seitdem sind die Aktien sogar mit einem noch tieferen Wert gehandelt worden.
Ein anderes Beispiel wäre die Golden Sun Education Group, welche bei ihrem Debüt 375 Prozent über dem IPO-Wert eröffnen konnte. Momentan liegt der Aktienwert des Unternehmens sogar 1’026 Prozent darüber.
Interesse der Kleinanleger geweckt
Insgesamt machen Unternehmen, die solche mysteriösen Kursschwankungen zeigten, zwei Drittel der diesjährigen US-Börsengänge aus China und Hongkong aus. Das Muster dieser Börsenausreisser legt nahe, dass bevorstehende Notierungen, die vergleichsweise klein sind und wenig gehandelt werden, eine ähnliche Reaktion auslösen könnten.
Den grössten Börsengang aus dieser Gruppe hatte aber AMTD Digital, womit das Unternehmen 125 Millionen Dollar einnehmen konnte. Der Grund, warum es bei der Investment-Gesellschaft aber zu diesem anfänglichen Höhenflug kam, bleibt, wie bei vielen der diesjährigen Angebote aus China und Hongkong, ein Geheimnis.
Es besteht aber kein Zweifel daran, dass das Interesse der Kleinanleger inzwischen geweckt wurde. So war die Muttergesellschaft AMTD Idea Group letzten Dienstag die am meisten gehandelte Aktie auf der Finanzplattform Fidelity. Der Wertschein hatte in Internetforen nämlich an Zugkraft gewonnen.
Taiwan-Besuch erschwert Situation
Diese Marktbewegungen fallen besonders in einem Jahr auf, in welchem es bislang kaum zu aufsehenerregenden Börsengängen gekommen ist. Investoren scheuen nämlich das Risiko und Emittenten warten die volatilen Marktbedingungen ab. Erschwerend wirken sich auch die erneuten Spannungen zwischen den USA und China aus, welche durch den umstrittenen Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi ausgelöst wurden.
Aber bereits zuvor haben die Regulierungsbehörden der beiden Länder Schritte unternommen, um die Anzahl grenzüberschreitender Börsengänge zu begrenzen. "Chinesische Firmen, die ausschliesslich in den USA notiert sind, müssen möglicherweise ihre Pläne zur Verlagerung nach Hongkong beschleunigen, da sich die chinesisch-amerikanischen Beziehungen zusehends verschlechtern", schrieb die Bloomberg Intelligence-Analystin Sharnie Wong in einer Notiz dazu.
(Bloomberg/cash)