Krebs ist eine Krankheit mit einem äusserst vielfältigen Erscheinungsbild und weltweit die zweithäufigste Todesursache. Der Bedarf an erfolgreichen Behandlungsmethoden ist daher enorm. Baillie Gifford, ein langfristig orientierter Investmentmanager, prognostiziert für die nächsten fünf bis zehn Jahre ein erhebliches Wachstum im Bereich der Krebsbehandlung. Der Onkologiemarkt, der derzeit bei etwa 200 Milliarden Dollar liegt, könnte sich in den nächsten zehn Jahren vervierfachen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 10 bis 15 Prozent entspricht.

Diese Entwicklungen sind auf die zunehmende Häufigkeit von Krebserkrankungen und die verbesserte Diagnostik zurückzuführen. Faktoren wie die steigende Krebsinzidenz aufgrund demografischer Veränderungen, Lebensstil- und Umweltfaktoren sowie Fortschritte in der KI, der genomischen Medizin und der Präzisionsonkologie tragen zu dieser Prognose bei.

Seit der Covid-19-Pandemie hat die Aufmerksamkeit für Krebs vorübergehend abgenommen. Doch da Covid-19 nicht mehr im Vordergrund steht und die Bevölkerung immer älter wird, rückt das Thema Krebs wieder in den Fokus. Laut der WHO wird einer von fünf Menschen im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken, und die Zahl der Krebsdiagnosen soll bis 2050 um über 75 Prozent steigen. Dies unterstreicht, wie wichtig das Thema Krebs sowohl für die Gesundheitsbranche als auch für die gesamte Gesellschaft ist.

 

Vor dem Hintergrund eines moderaten Wirtschaftswachstums und sinkender Zinssätze erweist sich der Gesundheitssektor als weniger anfällig für wirtschaftliche Schwankungen, da die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen unabhängig von wirtschaftlichen Bedingungen stabil bleibt. Zudem dürften niedrigere Zinsen das Interesse der Anleger auch an innovativen, aber noch nicht rentablen Biotechnologieunternehmen verstärken.

Der Onkologiemarkt ist sehr global, wobei Nordamerika aufgrund der besseren Diagnostik einen grossen Anteil ausmacht. «Ein Beispiel für den internationalen Charakter der Unternehmen in unserem Portfolio ist das chinesisch-amerikanische Onkologieunternehmen BeiGene, das innovative Krebstherapien für einen weltweiten Kundenstamm bereitstellt», sagt Stewart Hogg, Investment Specialist bei Baillie Gifford. Der Westen ist derzeit in der Krebsdiagnose und -behandlung besser positioniert, obwohl die Krebsraten aufgrund der verbesserten Diagnostik weltweit steigen.

mRNA-Technologie im Fokus

Besonders faszinierend unter den Krebstherapien ist die mRNA-Technologie, die durch die COVID-19-Impfstoffe bekannt wurde. «Sowohl Moderna als auch BioNTech, die in unseren Portfolios enthalten sind, nutzen diese Technologie. Wir können nun Therapien programmieren wie Computer; nur verwenden wir anstelle von Nullen und Einsen den genetischen Code unserer DNA“, erklärt Stewart Hogg. Das erste menschliche Genom wurde in den frühen 2000er Jahren für etwa 3 Milliarden Dollar entschlüsselt, heute kostet dies nur noch einige hundert Dollar. Dieser erhebliche Kostenrückgang macht die Technologie für mehr Gesundheitssysteme zugänglich.

„Die USA haben bereits vor langer Zeit den Kampf gegen Krebs erklärt. Seit der Pandemie sind neue Technologien und therapeutische Ansätze, insbesondere durch mRNA-Technologien von Moderna und BioNTech, in den Fokus gerückt“, sagt Moritz Henkel, Product Manager bei VanEck, gegenüber cash.ch. Diese Entwicklungen bergen grosses Potenzial für die Zukunft der Krebsbekämpfung.

Entgegen dieser doch aussichtsreichen Ausgangslage haben die Aktien von Moderna seit Jahresbeginn 61 Prozent an Wert eingebüsst. Die Aussicht, dass der Impfkritiker Robert F. Kennedy US-Gesundheitsminister werden könnte, belastete zuletzt Pharma-Werte erheblich. Bei BioNTech steht immerhin ein Kursplus von 7 Prozent zu Buche.

Bei Moderna liegt das von Analysten veranschlagte durchschnittliche Kursziel laut Bloomberg-Daten zwar 74 Prozent über dem aktuellen Kurs, doch die Haltung ist weniger bullish geworden: Zehn «Buys» stehen fünfzehn «Holds» und drei «Sells» gegenüber. Denn auch im Jahr 2025 wird der Free Cash Flow wahrscheinlich negativ sein, ebenso wie das Umsatzwachstum. Im Gegensatz dazu hat sich die Stimmung bei BioNTech deutlich aufgehellt: 17 von 21 Analysten empfehlen den Kauf der Aktie, das durchschnittliche Kurspotenzial liegt bei 15 Prozent.

Individuelle Krebsimpfstoffe und Immuntherapien

«Technologischer Fortschritt ist entscheidend, um Marktbarrieren bei gleichzeitig geringeren Kosten zu überwinden. Früher basierten Therapien wie die Chemotherapie darauf, sowohl gesunde als auch krebsartige Zellen abzutöten, was viele Nebenwirkungen verursachte», sagt Henkel. Heutzutage stehen zielgerichtete und personalisierte Therapien sowie Immuntherapien im Fokus, da sie spezifischer gegen Krebszellen vorgehen. Erste Studien legen nahe, dass sie potenziell weniger Nebenwirkungen verursachen könnten als traditionelle Ansätze.

Das Ziel ist nicht nur, Krankheiten zu behandeln, sondern sie zu verhindern, bevor sie auftreten. Anstatt allgemeine Behandlungen wie Chemotherapie, die sowohl Krebszellen als auch gesunde Zellen zerstören, ermöglichen die Boten-RNA (mRNA) präzisere Ansätze. Unternehmen wie Moderna und BioNTech entwickeln individuelle Krebsimpfstoffe, die spezifische Tumore angreifen. Ein weiterer bedeutender Bereich ist die Immuntherapie, bei der das Immunsystem gegen Krebszellen eingesetzt wird, sowie die Präzisionsonkologie.

Gerade Immuntherapien, die das Immunsystem stärken und aktivieren, sind ein wachsender Markt. In-situ-Impfstoffe, die direkt am Tumor wirken, sind therapeutische Impfstoffe. Im Jahr 2023 hat Grossbritannien eine Vereinbarung mit BioNTech unterzeichnet, die darauf abzielt, bis 2030 bis zu 10'000 Patienten mit präzisionsbasierten Immuntherapien zu behandeln. «BioNTech forscht an therapeutischen Impfstoffen gegen Lungen- und Darmkrebs, Moderna kooperiert mit Merck bei Impfstoffen gegen Kopf- und Halskrebs, und CureVac arbeitet an Impfstoffen für Hirntumore», erklärt der Experte von VanEck.

Ein Beispiel für neue Ansätze sind auch Kombinationstherapien, bei denen die mRNA-Impfstoffe von BioNTech mit anderen Medikamenten wie Keytruda kombiniert werden können, um bessere Ergebnisse zu erzielen. «Während sich BioNTech auf personalisierte Impfstoffe konzentriert, nutzt Moderna die mRNA-Technologie auch für andere Krankheiten wie das Respiratorische Synzytialvirus und das Cytomegalovirus. BeiGene ist auf gezielte Therapien spezialisiert, insbesondere auf Checkpoint-Inhibitoren, die das Immunsystem in die Lage versetzen, Krebszellen zu erkennen und anzugreifen», erklärt Hogg.

Big-Pharma dominieren

Rückschläge bei Studien können sich negativ auswirken, und das muss man berücksichtigen. Auch nach erfolgreichen Studien gibt es weitere Hürden zu überwinden: «In der Gesundheitsbranche muss man zahlreiche FDA-Prüfungen durchlaufen, ein oft langwieriger Prozess von Versuch und Irrtum. Der RSV-Impfstoff von Moderna wurde im Juni für Patienten über 60 Jahren zugelassen. Die Konkurrenz war jedoch schneller, um daraus kommerzielles Kapital zu schlagen», erklärt Hogg von Baillie Gifford. Geschicktes Marketing ist ebenso wichtig wie effektive Forschung und Entwicklung. Unternehmen wie BioNTech und Moderna verfügen über grosse Barreserven aus ihren COVID-19-Impfstoffen, die sie gezielt in innovative Behandlungen investieren müssen, um nachhaltige Einnahmen zu generieren.

Auch in der Schweiz haben wir mit Roche und Novartis zwei bedeutende Marktteilnehmer. Denn der Krebsmarkt wird stark von Big Pharma dominiert, wobei 80 Prozent des Umsatzes auf die Top 10 Unternehmen entfallen. Diese Unternehmen sind sehr aktiv, um ihre führende Position zu halten. Zum Beispiel hat Novartis Anfang des Jahres MorphoSys übernommen, ein deutsches Unternehmen, das in der Krebsforschung tätig ist. Letztes Jahr hat Pfizer Seagen für 43 Milliarden Dollar gekauft, um in der Krebsforschung an der Spitze zu bleiben. Alle Unternehmen streben danach, den nächsten «Blockbuster» im Krebsbereich zu entwickeln, der hohe Umsätze generiert. Manchmal können diese hohen Erwartungen laut Henkel jedoch nicht erfüllt werden. Keytruda von Merck könnte in den nächsten Jahren seinen Patentschutz verlieren, was den Weg für Konkurrenz ebnen dürfte.

Trotzdem war dieses Jahr für die meisten grossen Akteure recht erfolgreich. Die Aktie von Roche hat sich erholt und Novartis verfolgt das Ziel, sich unter den Top 5 der führenden Pharmaunternehmen zu etablieren. Novartis betont dabei die Bedeutung und das Potenzial des Krebsmedikaments Kisqali, das im September 2024 für die Behandlung von frühem Brustkrebs zugelassen wurde. Ein weiteres interessantes Unternehmen ist die Bristol-Myers Squibb Company. Nach Kursverlusten bis Ende Juli hat die Aktie des Pharmakonzerns aus New York an Fahrt gewonnen, sodass der Titel seit Jahresbeginn 11 Prozent höher steht. Bristol-Myers Squibb ist dank neuer Zulassungen wieder auf Umsatzwachstum zurückgekehrt.

Kursentwicklung der Aktien von Bristol-Myers Squibb.

Ein wichtiger Aspekt bleibt jedoch auch die Frühdiagnose von Krebs, da die Therapien am effektivsten im frühen Stadium sind. Es gibt verschiedene Diagnosearten, von genetischen Tests bis hin zu nicht-invasiven DNA-Tests. Ein interessantes Unternehmen auf diesem Gebiet ist Natera, das auf DNA-Tests für Frauen und den Krebsbereich spezialisiert ist. Investoren setzen bereits auf die Aktie, obwohl die Gewinne bisher ausbleiben. Seit Jahresbeginn steht ein Kursgewinn von 165 Prozent zu Buche, auf Sicht von vier Jahren hat sich der Wert mehr als vervierfacht.

(cash)

ManuelBoeck
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