Nestlé war in den letzten Monaten stark im Fokus der Öffentlichkeit. Der Aktienkurs des weltgrössten Lebensmittelkonzerns hat stark gelitten und fiel Ende September gar auf ein Fünfjahrestief. Die schlechte Performance führte zum abrupten Abgang des ehemaligen Chefs Mark Schneider. Der neu eingesetzte CEO Laurent Freixe mit langjähriger Nestlé- Erfahrung soll es nun richten. Bevor Nestlé aber wieder auf den alten Wachstumspfad zurückkehren kann, dürften er und die ebenfalls neue Finanzchefin Anna Manz nach Einschätzung von Analysten zuerst einmal den Jahresausblick für das organische Wachstum und die zugrundeliegende operative Marge senken.

Für das dritte Quartal gehen die Analysten gemäss AWP-Konsens von einem organischen Wachstum von 2,9 Prozent aus. Sie erwarten, dass das Unternehmen sowohl wegen höherer Preise (+1,0 Prozent) als auch wegen mengenmässigen Wachstums (+1,9 Prozent) zulegen dürfte. Für die Neunmonatsperiode ergäbe sich damit ein Wachstum von 2,4 Prozent. Damit lägen die Erwartungen unter der letzten kommunizierten Unternehmensprognose von "mindestens 3 Prozent" fürs Gesamtjahr.

Die Papiere von Nestlé haben im bisherigen Jahresverlauf (Stand: Dienstagmittag) 15,3 Prozent verloren, während der Gesamtmarkt (gemessen am SMI) um 10,0 Prozent zugelegt hat. Damit bleibt Nestlé sehr deutlich hinter dem Markt zurück. Ausserdem sind die Valoren vor rund einem Monat mit 82,04 auf den tiefsten Stand seit 2019 gefallen.

Kursentwicklung von Nestlé in Franken.

Festhalten an Zielen unwahrscheinlich

Gespannt sind Beobachter aber insbesondere auf Aussagen zum kommenden Jahr 2025 und zur Mittelfrist-Guidance, wobei sich die Investoren wohl noch bis zum Kapitalmarkttag im November beziehungsweise bis zur Ergebnispräsentation für das Gesamtjahr im Februar gedulden müssen, um Konkretes zu erfahren. Vor allem die Margenguidance steht unter strenger Beobachtung. Manche Analysten gehen nämlich davon aus, dass das Management die Margen senken könnte, um das Wachstum anzukurbeln. Nach Ansicht von Experten ist ein nachhaltiges profitables Wachstum in den nächsten 12 bis 18 Monaten utopisch.

Auch strategische Ankündigungen dürften nach Meinung der Analysten dann erst am Kapitalmarkttag folgen. Dort sollen Freixe und sein Team dann unter anderem darlegen, wie sie mit den Fehlinvestitionen der letzten Jahre umgehen wollen und was sie im Bereich der "Underperformers" wie Tiefkühlkost oder Wasser zu tun gedenken. Sollte sich der Manager dazu hinreissen lassen, hierzu bereits Aussagen zu machen, würden diese auf jeden Fall mit grossem Interesse verfolgt.

Bislang erwartete das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024 ein organisches Umsatzwachstum von "mindestens 3 Prozent". Die operative Marge (2023: 17,3 Prozent) soll "moderat" steigen. Allerdings entstand dieser Ausblick noch unter Schneider. Dass die neue Geschäftsführung an diesen Werten festhält, bezweifeln Analysten.

2025 und darüber hinaus sagte Schneider eine Rückkehr zu organischem Umsatzwachstum "im mittleren einstelligen Bereich" voraus. Ausserdem sollte die zugrunde liegende operative Marge in der Mittelfrist-Periode bis 2025 bei 17,5 bis 18,5 Prozent zu liegen kommen und der zugrunde liegende Gewinn pro Aktie zu konstanten Wechselkursen um 6 bis 10 Prozent zulegen.

Abrupter Chefwechsel und politische Schlagzeilen

Grösste Nachricht bei Nestlé im dritten Quartal war natürlich der sehr abrupte Chefwechsel im August. Dass der Chef ausgetauscht werden würde, hat allerdings nach der Aktienperformance die wenigsten überrascht. Der neue CEO Freixe ist ein Nestlé-Urgestein. Bei seinem Antritt gab er an, er wolle die "Kernkategorien, Kernmarken, Kernprodukte und Kernwachstumsplattformen" von Nestlé weiter stärken und sich auf die Basis konzentrieren. Es wird nun sein erster offizieller Auftritt werden als Konzernführer, entsprechend gespannt ist die Analystengemeinde.

Nestlé hat auch im dritten Quartal an seiner Portfoliozusammensetzung gearbeitet. Unter anderem verkaufte das Unternehmen eine Kaffeerahm-Marke in Südafrika. Zudem erwägt laut Medienberichten der Staatsfonds von Abu Dhabi den Einstieg ins Glace-Geschäft von Nestlé. Auch an der Innovationsfront gab es Neuerungen, so hat das Unternehmen beispielsweise eine Technologie zur Fettreduktion von Milchprodukten entwickelt.

Politisch war der weltgrösste Lebensmittelkonzern auch im dritten Quartal oft in den Schlagzeilen. Unter anderem musste hat sich die Tochter Nestlé Waters in Frankreich durch eine sogenannte gerichtliche Vereinbarung im öffentlichen Interesse (Convention Judiciaire d'Intérêt Public CJIP) mit der Staatsanwaltschaft der Stadt Epinal zur Zahlung einer Busse von 2 Millionen Euro verpflichten. Dabei ging es um den Vorwurf der illegalen Wassernutzung und um die falsche Deklaration von mit ultraviolettem Licht und Aktivkohlefiltern behandeltem Wasser, das als Mineralwasser bezeichnet wurde. Zudem wurde in Frankreich ein formelles Ermittlungsverfahren aufgenommen wegen Buitoni-Pizzen, die mit dem Bakterium E. coli verseucht gewesen waren.

(AWP/cash)