Merck zahlt 47 Dollar je Aktie für das US-Biotechunternehmen SpringWorks Therapeutics, wie der Darmstädter Dax-Konzern am Montag bestätigte. Das entspricht einer Bewertung von umgerechnet drei Milliarden Euro. Für Merck ist es die grösste Übernahme im Pharmageschäft seit dem Kauf des Schweizer Biotechkonzerns Serono 2007 für 10,3 Milliarden Euro. «Im Unternehmensbereich Healthcare schärfen wir mit dem Zukauf unsere Fokussierung auf seltene Tumoren, beschleunigen das Wachstum und stärken unsere Präsenz in den USA», sagte Merck-Chefin Belén Garijo.
Trotz geopolitischer Risiken seien die USA als weltweit grösster Pharmamarkt weiterhin hoch attraktiv, betonte sie. Eventuelle Risiken wie neue Handelszölle seien bei der Preisfindung berücksichtigt worden, die Auswirkungen möglicher Zölle auf die Transaktion seien mässig. SpringWorks sei das «richtige Ziel, zur richtigen Zeit und zum richtigen Preis». Analysten hatten ursprünglich mit einem höheren Preis von rund 60 Dollar je Aktie gerechnet. Doch der Mangel an anderen ernsthaften Bietern sowie das schwierige makroökonomische Umfeld hätten vermutlich die Bewertung beeinflusst, sagte JP-Morgan-Analyst Anupam Rama.
SpringWorks mit Sitz in Stamford im US-Bundesstaat Connecticut ist auf Krebstherapien spezialisiert und beschäftigt rund 300 Mitarbeiter. Das Unternehmen, das 2017 aus einer Ausgründung von Pfizer entstand, hat in den USA schon Marktzulassungen für zwei Medikamente erzielt: Ogsiveo gegen fortgeschrittene Desmoidtumore, eine seltene Krebsart im Weichgewebe, sowie das Mittel Gomekli - die bisher erste und einzige von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassene Behandlung für Erwachsene und Kinder mit der seltenen Erkrankung Neurofibromatose Typ 1 mit einer bestimmten Form von Tumoren der Haut und des Nervensystems.
Merck hat Durststrecke im Pharmageschäft hinter sich
Die Analysten von JP Morgan trauen Ogsiveo einen Spitzenumsatz von rund einer Milliarde Dollar zu. Noch im zweiten Quartal wird die Entscheidung über eine Zulassung des Mittels auch in der Europäischen Union erwartet, auch für Gomekli könnte diese noch in diesem Jahr fallen. Merck selbst hat drei Krebsmedikamente auf dem Markt: Das schon ältere Produkt Erbitux, die Immuntherapie Bavencio sowie das Mittel Tepmetko. Nachschub ist essenziell, denn der Konzern hat im Pharmageschäft eine längere Durststrecke mit mehreren Rückschlägen bei der Entwicklung neuer Medikamente hinter sich. Im späten Entwicklungsstadium befindet sich bei Merck nur noch das Krebsmittel Pimicotinib. Der Grossteil der restlichen Pipeline steckt noch in frühen Phasen und ist damit weit von einer möglichen Zulassung entfernt.
SpringWorks sieht die Chance, durch den Verkauf an Merck auch ausserhalb der USA Fuss zu fassen: «Wir haben in den USA erfolgreich zwei Best-in-Class-Medikamente auf den Markt gebracht und wollen nun im nächsten Schritt unsere Therapien weltweit zugänglich machen», sagte SpringWorks-Chef Saqib Islam. «Damit befinden wir uns an einem richtungsweisenden Punkt unserer Unternehmensentwicklung.»
SpringWorks hat laut Merck rund 500 Millionen Dollar auf der hohen Kante, so dass der Eigenkapitalwert des Unternehmens bei 3,9 Milliarden Dollar liegt. Über die Übernahmegespräche hatte Reuters schon im Februar berichtet, in der vergangenen Woche hatte sich auch der Kaufpreis abgezeichnet. Finanzieren wird Merck die Übernahme zum Teil mit neuen Schulden. Bis sich der Zukauf auch positiv auf den Gewinn je Aktie auswirkt, wird es bis 2027 dauern.
Weitere Zukäufe in den anderen Sparten seien dadurch nicht ausgeschlossen, signalisierte Merck-Chefin Garijo. Der Schwerpunkt liege dabei auf Life Science, bekräftigte sie. «Unser Fokus liegt dabei grundsätzlich auf strategischer Eignung, finanzieller Robustheit und langfristiger Wertschöpfung.» Im Pharmageschäft setzt Garijo vor allem auf Einlizenzierungen. Rund die Hälfte der neu eingeführten Produkte sollen dabei aus externen Quellen kommen, nicht aus den Laboren von Merck.
(Reuters)