Investoren und Analysten verfolgen die Geschehnisse um Adipositas-Medikamente nach wie vor mit grosser Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse gelten als entscheidend für die Strategie der Konzerne im stark wachsenden Markt, der von intensiverem Wettbewerb geprägt ist. 

Das Interesse wurde diese Woche einmal mehr unterstrichen: Die Publikation der Studiendaten zur Abnehmspritze des Pharmakonzerns Novo Nordisk enttäuschte Investoren und Analysten. Obwohl das Mittel CagriSema in den klinischen Studien zwar einen Gewichtsverlust von 13,7 Prozent erzielte, streben Konzerne mit ihren Produkten nach Präparaten, die einen höheren Gewichtsverlust bieten. Analysten hatten mit 20 Prozent gerechnet.

Betroffen von solchen Publikationen ist nicht nur der dänische Riese, sondern auch der Zulieferer Ypsomed. Das Schweizer Medizintechnikunternehmen hat mit Novo Nordisk einen Vertrag zur Produktion des Injektionsgeräts für CagriSema, den Autoinjektor YpsoMate, abgeschlossen. Die Aktienkurse beider Firmen fielen infolge der CagriSema-Daten deutlich. 

Dieses Phänomen tritt nicht zum ersten Mal auf. Bereits im Dezember, als Novo 30 Prozent wegen «enttäuschender Studiendaten einbüsste», wurde Ypsomed mit einem Kursverlust von 28 Prozent in Sippenhaft genommen. «Es ist eine Zukunftsfantasie, welche die Investoren momentan sehr stark bewegt. Wenn Neuigkeiten zu den Abnehmmedikamenten kommen, reagieren die Aktienkurse viel stärker als bei anderen Themen», erklärt Vontobel-Analystin Sibylle Bischofberger. Zudem sei es selten, dass eine Firma wie Ypsomed den Namen des Kunden und des Medikaments bekannt gibt, was die Situation weiter anheizt.

Nur geringe Abhängigkeit

Für die Vontobel-Expertin scheinen Anlegerinnen und Anleger die Abhängigkeit zu hoch zu gewichten. Wenn CagriSema nicht auf den Markt käme oder nicht erfolgreich wäre, könnte Ypsomed die Werkzeuge und Montagelinien für andere Kunden nutzen», sagt Bischofberger. «Ein Autoinjektor ist ein neutrales Injektionsgerät, das an Novo geliefert wird, die dann noch die Ampullen mit den Medikamenten einsetzt und es so verpackt, wie es dann in der Apotheke gekauft werden kann», erklärt sie. 

Diese Standardisierung mache Ypsomed sehr anpassungsfähig. Wenn Novo Nordisk keine Autoinjektoren mehr benötigt, muss Ypsomed nur ein Plastikteilchen anders herstellen, aber die Maschinen laufen weiter wie bisher. Das dauert laut Aussagen des Unternehmens nur ein paar Stunden und ermöglicht so eine Umstellung auf andere Kunden. «Wir produzierten Plattformprodukte. Es ist unseren Anlagen relativ egal, ob Kunde A, B oder C beliefert wird», sagte auch CEO Simon Michel gegenüber cash

Somit ist Ypsomed ziemlich abgesichert in diesem Markt, da Pharmaunternehmen, allein im Abnehmsegment, über 100 Medikamente in der Pipeline haben. Bischofberger verrät, Ypsomed habe davon 40 Medikamente von 31 Kunden in der Pipeline. Das lässt darauf schliessen, dass diverse Kunden mehrere Medikamente in der Entwicklung haben. «Potenzielle Partner für Ypsomed sind grundsätzlich alle Pharmaunternehmen und Hersteller von Medikamenten, die nicht als Tabletten geschluckt werden können», so Bischofberger weiter. 

Ausserdem: «Bei Novo Nordisk laufen 2026 erste Länderpatente für Wegovy und Ozempic aus, was die Tür für Generikahersteller öffnet, die sicherlich ziemlich schnell in den Markt einsteigen möchten, um sich ein attraktives Kuchenstück abschneiden zu können», so die Vontobel-Expertin. Wenn diese Unternehmen bis dahin bereit sein möchten, muss Ypsomed jetzt schon die Injektoren liefern, dass sie dann ihre Produkte gleich verkaufen können. Eines dieser Unternehmen ist Sandoz, die angekündigt haben, ein Generikum auf den Markt zu bringen, was vermutlich billiger sein dürfte.

Für Yspomed spricht, dass nicht viele Firmen ernsthafte Konkurrenz bieten in der Produktion der Autoinjektoren für die Abnehmindustrie. Bachem fokussiert sich auf die GLP-1-Wirkstoff-Produktion, während Skan Isolatoren herstellt, die in der Produktion eingesetzt werden, um Medikamente steril umfüllen zu können. Ein wenig anders sieht es aus bei Medtronic und Sanofi, die im Bereich der Diabetes-Produkte und -Technologien als Konkurrenz gelten. Dabei ist Medtronic im Bereich der medizinischen Geräte und Sanofi im Bereich der Pharmazeutika tätig.

Diversifizierte Produktpalette

Es gibt noch viele weitere Krankheiten oder Umstände, bei denen Medikamente anhand von Autoinjektoren selbst verabreicht werden können. Schlussendlich machen die anderen Geschäfte bei Ypsomed einen grösseren Anteil am Geschäft aus als die Abnehmindustrie. Der Umsatz mit dem dänischen Pharmakonzern werde 2030 weniger als ein Viertel ausmachen, der Gewinn sogar weniger als ein Fünftel, so der CEO im Dezember.

Das Solothurner Unternehmen verkaufe aktuell im Bereich der Injektionsgeräte bereits 70 Pens und Autoinjektoren an rund 50 Kunden. Weitere 200 Produkte mit rund 120 Kunden seien in der Entwicklung. Bis zum Ende des Jahrzehnts würden es vielleicht 140 sein. «Man benötigt üblicherweise eine höhere Dosis eines Wirkstoffs für die orale Verabreichung als bei einer Spritze», betont Bischofberger. Das mache das Geschäft mit Autoinjektoren umso attraktiver. «Lieber mehr injizierbare Medikamente verkaufen, als eine Tablette, wo der Wirkstoff mehrfach drin ist.»

Im Fokus steht aktuell der Verkauf des Diabetesgeschäfts im Frühjahr. Damit schliesse das Medtech-Unternehmen die 2022 eingeleitete Fokussierung ab und werde mit der Konzentration auf das Injektionsgeschäft zum Pure Play, sagte der Firmenchef Simon Michel. «Das Diabetesgeschäft hat Ypsomed immer gebremst und den Gewinn verwässert», so Michel weiter. Der Verkauf sei aber auch eine Frage der Opportunitätskosten. Angesichts des starken Wachstums mit Pens und Autoinjektoren wolle man verfügbare Mittel lieber hier investieren. So oder so, Michel ist überzeugt: Ypsomed wird am Ende des Jahrzehnts eine '10-Billion-Dollar-Company' sein, wie er vor einem Jahr gegenüber cash sagte.

Attraktiver Einstiegszeitpunkt

In unsicheren Zeiten an den Kapitalmärkten ist es besonders wichtig, die Risiken im Portfolio durch einen ausgewogenen Anlagemix zu minimieren. So hat die Zürcher Kantonalbank (ZKB) zu Jahresbeginn ihre diesjährigen Aktienfavoriten präsentiert. Die Titelselektion besteht aus zehn ausgewählten Aktien, worunter auch Ypsomed zu finden ist. Ypsomed profitiere vom Trend zur Selbstmedikation und dem steigenden Anteil injizierbarer Medikamente im Bereich Biologics inklusive Biosimilars, begründete die Bank ihre Wahl.

Auch andere Schweizer Banken sind optimistisch: Vontobel geht auf 460 Franken mit «Buy» und die UBS hat ihr Rating jüngst ebenfalls auf «Buy» erhöht, das Kursziel jedoch auf 400 von 422 Franken gesenkt. Die jüngste Kursreaktion biete einen attraktiven Einstiegszeitpunkt, schrieb die Analystin Tanya Hansalik. Das Medtech-Unternehmen sei gut positioniert, um weiterhin von der hohen Nachfrage nach injizierbaren Medikamenten, insbesondere GLP-1, zu profitieren. Ein potenzieller positiver Katalysator im Jahr 2025 sei der anstehende Verkauf des YpsoPump-Geschäfts.

Vier weitere Analysten schliessen sich ihrem Rating an, zwei sind neutral eingestellt - keine Verkaufsempfehlung. Das durchschnittliche Kursziel kommt bei 451 Franken zu stehen, was 40 Prozent Aufwärtspotenzial entspricht.

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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