Genomics klingt in manchen Ohren wohl noch etwas nach Science-Fiction. Doch in der Erforschung des Genoms beziehungsweise der Erbgut-Informationen von Menschen stecken enorme Hoffnungen. Es geht nicht nur darum, das Zusammenwirken der Gene zu ergründen, sondern auf diesem Wege beispielsweise auch Krankheiten zu verhindern. An Genomics ist die Hoffnung geheftet, schwere Krankheiten wie zum Beispiel Krebs deutlich besser als bisher in den Griff zu bekommen. 

Alle menschlichen Leiden haben einen Ursprung in den Genen. Die Forschung darüber trägt dazu bei, neue medizinische Anwendungen zu entwickeln. Anders als in der bisherigen Praxis von Pharma und Medizin sollen Menschen dank der Genomics-Forschung individuell behandelt werden können. Eine zentrale Rolle bei der Forschung spielt die DNA, auf der die biologischen Informationen von Lebewesen gespeichert sind. Die Forschung versucht, die immer noch existierenden Geheimnisse der DNA zu entschlüsseln.

In der Medizin stehen deswegen grosse Veränderungen an. Und auf diese Weise ist Genomics auch zum Megatrend für Investoren geworden. Nicht ohne Hintergedanken verpasst eine der derzeit bekanntesten Investorinnen der Welt ihren Genomics-Investments einen disruptiven Beinamen: Der im Moment wohl bekannteste Themenfonds ist der "ARK Genomic Revolution ETF" von Cathie Woods Anlagegesellschaft Ark. Zwischen März 2020 und Januar 2021 hat sich der Kurs des aktiv gemanagten Exchange Traded Funds (börsengehandelter Fonds, ETF) fast verdreifacht, weil das Thema nicht zuletzt wegen der Corona-Gesundheitskrise beziehungsweise dem Durchbruch mit mRNA-Impfstoffen die Aufmerksamkeit von Investoren stark angezogen hat. 

Wie andere Growth-Sektoren haben es auch Genomics-Aktien bisher 2021 nicht leicht gehabt. Die Sektorrotation aus Wachstumstiteln heraus, die im Februar begonnen hat, belastet die Kurse immer noch. Der Ark-Genomics-ETF mit seinem Kursrückgang um rund ein Drittel seit Anfang Jahr zeigt dies exemplarisch.

Der "ARK Genomics Revolution ETF" in den vergangenen fünf Jahren (Grafik: cash.ch).

Weil die Genom-Forschung ein so grosses Langfrist-Thema ist, weckt es weiterhin hohe Erwartungen an der Börse. Genomics ist klar ein Investment mit Risiken und zu erwartend hoher Volatilität. Für Buy-and-Hold-Anlegerinnen und -Anleger ist es aber ein Trend, der einen Blick verdient.

DNA-Sequenzierung: Der Datenschatz der Medizin

Die DNA-Sequenzierung ist die zentrale Grundlage von Genomics. Pacific Biosciences of California, kurz PacBio, gehört zu den wichtigsten Unternehmen in dieser Technologie, mithilfe derer die DNA analysiert werden kann. Die Single-Molecule-Real-Time-Anwendung (SMRT) von PacBio erlaubt eine minutenschnelle Darstellung von langen DNA-Sequenzen. Und dies vor allem auch zusehends kostengünstig: Eine wichtige Errungenschaft der Genomics-Forschung ist, dass das einst sehr teure Gen-Sequenzieren heute viel weniger kostet und künftig noch weniger kosten wird. Die Kosten sind ein wesentlicher Faktor, damit sich die DNA-Sequenzierung durchsetzen kann. 

Ein Unternehmen wie PacBio hilft der Forschung und der Medizin im Grunde genommen, Daten in grossem Umfang zu sammeln und auszuwerten. Ähnlich wie grosse Tech-Firmen, die mit ihren Datenschätzen ganze Wirtschaftszweige umpflügen, hat die Gen-Sequenzierung das Potential, eine wichtige Grundlage für die künftige Gesundheitsindustrie zu werden.   

PacBio sollte vor drei Jahren vom Gensequenzierungs-Weltmarktführer Illumina übernommen werden. Die Pläne wurden Anfang 2020 fallengelassen. Illumina gehört ebenfalls zu den bekanntesten Genonics-Investments. An der Börse ist die im Moment hoch bewertete Illumina-Aktie zuletzt in einen Gegenwind geraten, und die Marktexperten sind derzeit etwas vorsichtig mit Empfehlungen. Mittel- und langfristig ist aber auch Illumina weiter ein Unternehmen, das noch stark von einem Megatrend profitieren kann.

Völlig neue Wege: Die DNA neu zusammensetzen

Mit dem Gebiet Gene Editing verknüpft ist das Vorhaben, einzelne, Krankheiten verursachende Teile aus der DNA "herauszuschneiden" und zu ersetzen. Durch die Veränderung der DNA können Krankheiten behandelt, aber auch verhindert werden. Eines der wichtigsten Unternehmen in dieser Forschungsrichtung ist Crispr Therapeutics mit Schweizer Wurzeln und Sitz in Zug. Gelistet ist das Unternehmen an der Nasdaq New York. Crispr forscht zusammen dem US-Biopharmaunternehmen Vertex Pharmaceuticals an der Behandlung der Blutkrankheiten Beta-Thalassämie und Sichelzellenanämie. 

AktieKurs seit
1.1.2021
KurspotentialKurs-Gewinn-
Verhältnis
Buy/Hold/Sell
Pacific Biosciences- 6,3%+89%-3/2/0
Illumina+9,5%+10%734/11/4
Crispr Therapeutics-36,8%+65%1915/6/1
Vertex Pharmaceuticals-23,6%+44%1719/5/2
Editas Medicine-46,1%+40%-8/5/3
Intellia Therapeutics+139,1%+36%-15/3/0
Beam Therapeutics+11,1%+42%-7/3/0
Exact Sciences-26,7%+48%-16/2/1
Invitae-34,8%+56%-5/5/0
NeoGenomics-20,0%+31%30312/0/0
Fulgent Genetics+52,4%+77%51/1/0

Daten: Bloomberg/cash.ch

Den Namen hat das Unternehmen von der Bezeichnung CRISPR für bestimmte DNA-Abschnitte, respektive der molekularbiologischen CRISPR/Cas-Methode, die das Schneiden der DNA ermöglicht. Crispr-Mitgründerin Emmanuelle Charpentier ist für ihre Forschungen in diesem Gebiet 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt worden. Dies allein ist natürlich noch kein Garant für eine Kurssteigerung. Gene-Editing-Unternehmen gleichen an der Börse den stark spekulativen Biotechfirmen. So hat Crispr wie viele Biotechfirmen noch keine Produkte auf dem Markt. Die Aktie erlebte aber 2020 einen enormen und konstanten Höhenflug und hat dieses Jahr deutlich korrigiert. Ein Einstieg ist damit nur interessanter geworden.

Investieren bei Gene-Editing-Unternehmen ist stets eine Wette darauf, wer den Durchbruch schaffen könnte. Ein ähnliches Unternehmen wie Crispr Therapeutics ist Editas Medicine. Das US-Unternehmen konzentriert sich auf Editing-Therapien bei Augendefekten, etwa genetisch bedingter Blindheit. Zu den bekannten Gene-Editing-Firmen an der Börse zählt auch Intellia Therapeutics. Das US-Unternehmen begeisterte im Juni Investoren mit der Nachricht, dass die klinische Studie "NTLA-2001" zur Bekämpfung eines schädlichen Leber-Proteins erfolgreich und ohne Nebenwirkungen verlaufen sei. Intellia arbeitet mit Branchengrössen wie Regeneron und Novartis zusammen. 

Beam Therapeutics wiederum fokussiert sich auf das so genannte Base Editing. Dort, vereinfacht gesagt, werden DNA-Sequenzen nicht ausgeschnitten, sondern neu "beschrieben". Eine Technologie, der ebenfalls ein grosses Potential zugesprochen wird.

Tests und Diagnostik: Ein potentieller Massenmarkt

Exact Sciences mit Sitz in US-Staat Massachusetts spezialisiert sich auf Molekular-Diagnostik bei Krebs. Testverfahren benötigen Daten aus der Sequenzierung, um genetische Varianten in der DNA aufzuspüren. Solche Varianten sind zunächst normal und machen Unterschiede zwischen Menschen aus. Gewisse Veränderungen in der DNA beinhalten aber Krankheitsrisiken. 

Exact Sciences hatte an der Börse schon ab Anfang 2017 eine enorme, zweieinhalbjährige Kurssteigerung erlebt. Erneut stieg der Kurs nach dem Rückschlag der ersten Coronawelle 2020. Seit Anfang Jahr hat der Kurs aber um rund ein Viertel korrigiert. Zum Weiter-Investieren dürfte aber das Marktpotential verleiten. Genetic Testing wird für die nächsten fünf Jahre ein Wachstum auf 17 Milliarden Dollar attestiert. Auch dabei spielen die Kosten eine grosse Rolle.

Ein Ziel der Forschung ist, günstige, breit einsetzbare Tests anbieten können. Für dieses avisierte Massengeschäft positioniert hat sich etwa Invitae. Das Unternehmen arbeitet mit Pacific Biosciences zusammen und will Tests für eine grosse Zahl von Varianten anbieten. Spezialisiert auf Krebs-Diagnosen ist NeoGenomics und hat 2019 und 2020 ebenfalls starke Kursteigerungen gesehen. Fulgent Genetics wiederum hat im vergangenen Jahr umsatzmässig und auch an der Börse enorm vom Verkauf von Corona-Tests profitiert. Neuen Schub könnte der Aktie die Entwicklung von genetischen Tests speziell für Kinderkrankheiten sorgen.