cash.ch: Für die Börse ist 2022 kein gutes Jahr, für Meier Tobler schon. Die Aktie hat seit Januar um fast 75 Prozent zugelegt und erreicht die zweithöchste Kurssteigerung im Swiss Performance Index (SPI). Wie stark beschäftigt Sie das Börsengeschehen?

Roger Basler: Ich verfolge den Börsenkurs natürlich täglich, bin aber nur indirekt dafür verantwortlich. Als CEO  ist es meine Verantwortung, dass das Unternehmen gute Resultate ausweisen kann. Wenn alles stimmt, dann beeinflusst ein gutes Resultat auch den Börsenkurs im positiven Sinne. 

Vor wenigen Tagen hat Meier Tobler ein Update zum dritten Quartal gegeben: Sie weisen einen zum Vorjahr höheren Umsatz aus, erwarten aber eine Verlangsamung des Umsatzwachstums im vierten Quartal. Beim operativen Gewinn stellen Sie eine Steigerung in Aussicht. Auf einen Ausblick verzichten Sie aber weiterhin. Wo liegen die Schwierigkeiten?

Wir konnten in der Tat auch im dritten Quartal unseren Umsatz steigern und sehen starke Neun-Monats-Resultate. Wir sehen aber eher noch zugespitzte Lieferengpässe, speziell bei unseren Wärmepumpen, und wagen uns auch deshalb nicht an eine Gesamtjahresprognose.

Wann wird Meier Tobler wieder eine Guidance vorlegen?  

Es scheint uns nach wie vor nicht angebracht in unserem Markt, bei der heutigen geopolitischen Lage, den Lieferschwierigkeiten unserer Lieferanten und dem neuen Zinsumfeld, eine Guidance abzugeben. Persönlich beurteile ich den Schweizer Baumarkt allerdings positiv, auch aufgrund der vielen anstehenden Renovationen.

Das Update machte keine Aussagen zur Dividende. Eine Dividendenerhöhung ist für 2024 in Aussicht gestellt. Könnte dies schon früher der Fall sein? 

Die Dividende ist eine Entscheidung des Verwaltungsrates.  

Erfolgreiche Unternehmen laufen unter Umständen Gefahr, Opfer des eigenen Erfolgs zu werden - zumindest an der Börse. Welche Wachstumstreiber stellen Sie den Anlegerinnen und Anlegern in Aussicht? 

Wir wollen keine Wachstumsphantasien schüren, sondern unser Geschäft kontinuierlich weiterentwickeln. Wir wollen mittelfristig auf 8 Prozent Ebitda-Marge kommen (Gesamtjahr 2021: 7 Prozent, Anm. d. Red). Was man von Meier Tobler erwarten darf, ist eine solide und kontinuierliche Zahlung von Dividenden und das laufende Aktienrückkaufprogramm. Das macht uns an der Börse zu einem soliden Schweizer Titel. 

Ein sehr starker Treiber - auch dies kam durch die letzten Resultatvorlagen und das jüngste Update zum Ausdruck - sind im Moment Wärmepumpen. Wie viele Wärmepumpen sind mit Meier Tobler dieses Jahr schon installiert worden? 

Wir verkaufen 30 Prozent mehr Wärmepumpen als im vergangenen Jahr. Dafür sind Ölheizungen um weitere 12 Prozent zurückgegangen. Bei Gasheizungen sind es 30 Prozent weniger. Dank den Wärmepumpen verkaufen wir aber unter dem Strich wohl leicht mehr Wärmeerzeuger als im Vorjahr. Gas- und Oelheizungen machen dieses Jahr wohl weniger als 20 Prozent des Marktes aus.

Werden Sie das Geschäft mit Gas und Öl bald aufgeben? 

Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und speziell der Schweiz geht weiter. Für mich steht ausser Zweifel, dass der Bedarf nach Ölheizungen verschwinden wird. Gas wird nur noch limitiert eingesetzt. Ich würde Gas aber nicht komplett totsagen: Die bestehenden Gasleitungen können wir im Sinne der Nachhaltigkeit mit Biogas oder Wasserstoff betreiben. Wärmeerzeuger mit Gas, wie wir sie heute verkaufen, können auch mit Wasserstoff betrieben werden.

Der Kurs der Meier-Tobler-Aktie seit Anfang Jahr (Grafik: cash.ch).

Meier Tobler hat vier Sparten: Handel, Wärmeerzeugung, Servicegeschäft und Klimasysteme. In den ersten drei Sparten ist das Heizungsgeschäft im Zentrum. Besteht allenfalls eine zu grosse Abhängigkeit von Heizungsinstallationen - und wartungen? 

60 Prozent der rund 1,5 Millionen beheizten Gebäude in der Schweiz sind immer noch fossil beheizt. Dass diese über die Jahre ersetzt werden müssen, ist ein Umsatztreiber für Meier Tobler. Womit wir natürlich rechnen, ist ein Rückgang des Wartungsgeschäft mit Öl- und Gasheizungen, das wir mit neuen, digitalen Services kompensieren wollen. 

Wir haben einen Oktober mit sehr warmen Temperaturen hinter uns. Beeinflusst dies das Geschäft mit Heizungen? 

Der warme Oktober beeinflusst das Servicegeschäft von Meier Tobler in der Tat. Noch heizt man in der Schweiz vergleichsweise wenig: Sobald eine Heizung läuft, braucht und ruft man eher einen Servicetechniker. Da gibt es einen saisonalen Effekt. Bei der Investition in neue Heizungen hat ein warmer Oktober aber keinen Einfluss. 

Muss man befürchten, dass das allgemein schwierigere Wirtschaftsumfeld oder höhere Hypothekarzinsen die Bauinvestitionen dämpfen werden? 

Der normale Renovationsbedarf wird meiner Meinung nach sowieso weiter gehen. Bei den Heizungen und speziell bei Heizungen mit fossilen Brennstoffen sind wir in einem speziellen Renovationsmarkt. Seit Februar, als der Krieg in der Ukraine begann, wollen die meisten Leute weg vom Gas. Im Januar, als noch kein Krieg herrschte und die Energiepreise auf einem anderen Niveau waren, lag unter den verschiedenen Anlagen für Heizungen bei der Wärmepumpe der Payback bei etwa acht bis zehn Jahren. Ein höherer Strompreis und ein tieferer Gaspreis haben den Payback vielleicht wieder auf zehn oder mehr Jahre verschoben. In der Schweiz lässt man sich von kurzfristigen Betrachtungen bezüglich Investitionen hoffentlich nicht so stark beeinflussen.    

Der Ausbau des margenstarken Servicegeschäfts liegt im Interesse des Unternehmens. Wie wollen Sie diese Sparte ausbauen? 

Wir versuchen, das über Zeit abnehmende fossile Geschäft durch digitale Services mindestens zu ersetzen, und bestenfalls noch zu wachsen. Das Stichwort ist "Smart Solutions": Wir wollen smarte Lösungen anbieten und dabei die technologische Entwicklung nutzen: Eine intelligente Steuerung beispielsweise des Solardachs, der Wärmeerzeugung und der Wärmeverteilung in einem Haus kann bis zu 20 Prozent Energie sparen. Und in diesem Bereich lässt sich auch ein Servicegeschäft aufbauen. 

Wie entwickelt sich das kleinere Meier-Tobler-Geschäftsfeld Klimatechnik?

Bei dieser Geschäftseinheit arbeiten wir anders als in der Wärmeerzeugung und im Handelsgeschäft. Grossprojekte stehen im Mittelpunkt und der Haupttreiber technologisch sind heute nachhaltige und umweltverträgliche Kühlmittel. Dies wird auch unser Wachstum in der Klimatechnik antreiben. Solche Anlagen werden ersetzt, wenn sie am Ende ihrer Lebensdauer sind. Aber die Gesetzgebung wird dahin gehen, dass nur noch nachhaltige Kühlmittel eingesetzt werden können. Die Ingenieure in der Schweiz verfügen bereits über ein sehr ausgeprägtes Umweltdenken und das ist gut so. 

Unternehmen, die zum Klimaschutz beitragen, sind in den vergangenen Jahren an der Börse viel stärker beachtet worden als zuvor. Arbeiten Sie darauf hin, als besonders klimafreundliches Unternehmen wahrgenommen zu werden?

Wir tragen zum Erreichen der Klimaziele der Schweiz bei, indem wir System- und Haustechnik verkaufen, die der Nachhaltigkeit entsprechen. Dies ist für mich auch der richtige Weg in der Klimapolitik. Aktuell haben 20 Prozent der Haushalte eine Wärmepumpe, Tendenz stark steigend. Wenn dies so weiter wächst, werden wir 2050 bei der Gebäudetechnik klimaneutral sein. Ich glaube deswegen, dass die Bauwirtschaft die Schweizer Klimaziele 2050 erreichen kann. Ob dies für die ganze Wirtschaft der Fall sein wird, ist eine andere Frage. Aber mit dem Fokus auf Produkten, die der Nachhaltigkeit dienen, sind wir auf dem richtigen Weg. Daneben verfolgen wir eine klare Nachhaltigkeitsstrategie, die aus Überzeugung ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele verfolgt. Kein Greenwashing!

Meier Tobler ist auf die Schweiz konzentriert. Weshalb ergibt aus Ihrer Sicht der Schritt ins Ausland keinen Sinn? 

Wir sind in der Schweiz verankert. Mit unseren Handelsformaten und der hervorragenden Logistik sind wir sehr nahe bei unseren Kunden. Unsere weit über 100 Kundenbetreuer besuchen täglich unsere Partner, unsere 400 Servicetechniker leisten sieben mal 24 Stunden Höchstleistung für unser Endkunden. All dies können wir im Ausland nicht einfach so duplizieren. 

Liegt die Zurückhaltung auch darin begründet, dass Meier Tobler nach der Fusion von Walter Meier und Tobler Haustechnik 2017 erst gerade aus einem Turnaround herauskommt? Meier Tobler schreibt nach dieser Fusion immer noch Goodwill ab. 

Wie gesagt, es ist nicht unsere Absicht, im Ausland zu expandieren. Wir wollen nicht als Kapitalgeber im Ausland fungieren. Wir wollen stattdessen das Geschäft in der Schweiz solide weiterentwickeln - inklusive der Möglichkeit, den Aktionären eine vernünftige Dividende auszuschütten. 

Seit 2018 hat Meier Tobler die Verschuldung massiv reduziert. Die Nettoverschuldung wurde bis 2021 von knapp 106 Millionen auf knapp 11 Millionen Franken abgebaut. Der Verschuldungsgrad gemessen am Ebitda sank von 3,6 auf 0,3 Mal. Werden die Schulden in den nächsten Jahren wieder ansteigen? 

Dieses Jahr sehen wir einen leichten saisonalen Effekt bei der Verschuldung durch einen gewollten  Lageraufbau um Lieferengpässe zu vermeiden. Wir rechnen allerdings nicht mit einem Anstieg im Verschuldungsgrad.

Wird Meier Tobler einen höheren Investitionsbedarf in der Schweiz haben? 

Meier Tobler hat derzeit drei hauptsächliche Investititonsprojekte: Das grösste ist das Zentrallager in Oberbuchsiten SO, das wir über die Versicherungsgesellschaftt Suva fremdfinanzieren, an die das Gebäude übertragen werden wird und bei der sich unser Unternehmen einmieten wird. Zweitens haben wir ein Digitalisierungsprojekt, um die Systeme von Walter Meier und Tobler Haustechnik auf einer Plattform zusammenzuführen und zukunftsfähig zu machen. Das dritte Projekt sind die schon erwähnten Smart Solutions. Weil wir aber keine Akquisitionsgelüste im Ausland haben, ist unser Kapitalbedarf gedeckt. 

Vom grossen Lagergebäude in Oberbuchsiten, das derzeit noch im Bau ist und nächstes Jahr in Betrieb genommen werden soll, wird viel gesprochen. Weshalb ist dieses für Meier Tobler so wichtig? 

Es ist eine sehr wichtige Investition für das Handelsgeschäft. Einsparungen im Millionenbereich dürften uns einen kleinen Gewinnsprung 2024 ermöglichen. Logistik ist ein wichtiger Teil des Erfolgs. Oberbuchsiten an der Autobahn A1 und nahe der Nord-Süd-Verbindung könnte idealer nicht gelegen sein. Mit dem Lager werden wir Kunden von einem Stützpunkt aus anfahren können. Intern schafft dies viele Synergien. Dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber einer Situation, wenn man mit zwei unterschiedlichen Stützpunkten operiert. 

Sind Zukäufe im Inland ein Thema? 

Wir können mit unseren vier Geschäftsbereichen organisch wachsen. Wir planen auch mit einer Mitarbeiterzahl von rund 1300 Personen in den nächsten Jahren. Weder ein grosser Aufbau noch ein signifikanter Abbau sind geplant. Also nein.

Im Trading-Update zum dritten Quartal erwähnt Meier Tobler die stockenden Lieferketten. Welche Probleme treffen Sie an? 

Die Probleme sind nicht wegzudiskutieren. Bei Komponenten und Handel streben wir eine Verfügbarkeit von 95 Prozent an. Derzeit liegen wir bei 90 Prozent, man sieht also einen Effekt dieser Lieferkettenprobleme. Wir haben uns aber besser als andere durch diese Krise manövriert. Wir können bei den Lieferanten dank Diversifizierung den Problemen zu einem gewissen Grad ausweichen. Bei der Beschaffung fällt bei uns nur 1 Prozent auf Asien. 42 Prozent kommt aus Europa, 56 Prozent direkt aus der Schweiz. 

Sind die Schweizer und europäischen Lieferanten nicht von Asien abhängig? 

Natürlich beziehen diese Ihre Komponenten auch von überall auf der Welt. Die Vielfalt der Lieferanten gibt uns im Produktsortiment aber eine gewisse Balance. 

Richten Sie sich auf längere Lieferkettenprobleme ein? 

Für Meier Toblersollte sich die Lage dank der Diversifikation in den nächsten Monaten entspannen. Aber man muss generell die Beschaffung bei den Produzenten überdenken. Man muss mehr 'in der Region, für die Region' produzieren und sich von China und sowieso von Russland unabhängiger machen. 

Würde dies die Preise nach oben treiben? 

Ich glaube nicht, dass mehr Produktion zurück in die Schweiz kommt. Ich denke aber, dass mehr Produktion nach Europa zurückkommt. Dies muss den Preis nicht treiben - oder wenn, dann eher kurzfristig. Man muss sehen: China mit seinen Wachstums- und Inflationsraten ist auf einem Lohnniveau, mit dem Osteuropa heute mithalten kann. Ein geschicktes Beschaffungsmanagement bei unseren Lieferanten dürfte dazu führen, dass die Kosten nicht nach oben gehen. 

Ein weiteres Mangelthema sind Fachkräfte. Wie geht Meier Tobler damit um? 

Bei Meier Tobler bilden wir mehr Lernende aus als früher. Wir konnten die Lehrstellen, die wir hatten, besetzen. Aber es ist ein Kampf. Der Fachkräftemangel ist entstanden, weil die arbeitstätige Bevölkerung durch den demographischen Wandel abnimmt. Die Lösung kann nur in mehr Produktivität liegen. Daran arbeiten auch wir. 

Sind die Rahmenbedingungen Ihrer Meinung nach noch gut? 

Das duale Bildungssystem in der Schweiz sucht in Europa seinesgleichen und darauf müssen wir auch weiter bauen. Beim Wirtschaftsstandort Schweiz sehe ich schon, dass in den vergangenen 20 Jahren deutlich Bürokratie dazugekommen ist. Man muss bedenken, dass das Umfeld für Unternehmen schwieriger geworden ist. Dem sollten wir entgegen halten. 

Geopolitisch, konjunkturell und in der Energieversorgung sehen wir weitere grosse Krisenthemen. Wie kommen wir durch den Winter 2022/2023?

Die Schweiz hat gute Voraussetzungen, um gut durch eine sehr schwierige Situation zu kommen. Ich denke auch, dass die Schweiz die Situation besser  als andere Länder meistern wird. Der Bausektor zeigt Resistenz gegen kurzfristige Trends. Auch der langfristige Trend beim Bauen wird positiv bleiben. Trotz Zinserhöhungen bleibt das Kapital billig. Wir werden auch in Zukunft Wohnraum in der Schweiz brauchen. Zudem besteht überall Renovationsbedarf. Meier Tobler ist gut balanciert zwischen Neubau- und Renovationsgeschäft. 

Wie schätzen Sie generell die konjunkturellen Aussichten der Schweiz ein?

Im nächsten Jahr werden wir ein positives Umfeld haben. Dies spezifisch im Schweizer Bausektor, und noch spezifischer im Renovationssektor. Ich sehe noch keine dunklen Wolken heranziehen. Die europäische Rezession und die Zinserhöhungen werden länger als zwölf Monate brauchen, bis sie sich im Bausektor in der Schweiz allenfalls niederschlagen werden. Aber die Zukunft ist schwierig vorauszusagen und die Stabilität und Kontinuität von einst ist  nicht mehr vorhanden.

Roger Basler ist seit 2020 CEO des Haustechnik-Unternehmens Meier Tobler. Davor war er sieben Jahre lang Geschäftsführer der Franke Water Systems beim Küchen- und Anlagenbauer Franke Holding. Er arbeitete in Leitungsfunktionen unter anderem auch bei Compaq Computer, Red Bull, Heineken und Dyson. Basler ist Absolvent der Universität St. Gallen mit Abschluss in Betriebswirtschaft.