Die finanziellen Gesundheitsaufwendungen steigen unaufhaltsam. Gemäss den jüngsten Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) stiegen die Kosten des Gesundheitswesen um 2,5 Prozent - bereits im Vorjahr schnellten sie um knapp sieben Prozent in die Höhe. Damit machen die Gesundheitskosten nun knapp 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus - das ist dreimal mehr als in den 60er-Jahren.

Während die Gesundheitskosten bereits für jüngere Leute einen grösseren Kostenblock darstellen, können die Gesundheitsausgaben bei älteren Personen zum Problem werden - besonders bei Personen in einem Pflegeheim. Sie sind mit steigenden Kosten und sinkenden Einkommen konfrontiert.

Das zeigt die Einkommensentwicklung: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen in der Schweiz ist während den Lebensjahren von 45 und 54 am grössten und beträgt über 12’000 Franken pro Monat. Dieses Bruttoeinkommen sinkt gemäss BFS bis nach der Pensionierung auf 7000 Franken - bei Haushalten mit über 75-jährigen Personen fällt es sogar unter 6’000 Franken.

Müssen ältere Personen gepflegt werden und ziehen dazu in ein Pflegeheim, geht die Rechnung dann schnell nicht mehr auf. Ein Monat in einem Pflegeheim in der Schweiz kostet im Durchschnitt gut 10’000 Franken.

Die Mehrheit der Pflegebedürftigen können die Ausgaben nicht selbst finanzieren

Diese Kosten lassen sich in drei Kategorien aufteilen: Pflegekosten, Hotellerie und Betreuung. Die Pflegekosten werden von der obligatorischen Krankenversicherung und dem Kanton finanziert. Die pflegebedürftige Person muss sich - unabhängig von der Pflegefallstufe - mit einem Selbstbehalt von maximal 23 Franken pro Tag an diesen Kosten beteiligen.

Die Kostenpunkte Hotellerie und Betreuung hingegen müssen von der Person selbst übernommen werden. Gemäss dem Branchenverband der Dienstleister für Menschen im Alter, Curaviva, machen diese Kosten aber den Grossteil, nämlich gut zwei Drittel, der Gesamtkosten aus. Das entspricht etwa 6000 Franken pro Monat.

Diese Kosten sind abhängig vom jeweiligen Pflegeheim und können deutlichen Unterschieden unterliegen. Gemäss einer Auswertung vom Kanton Zürich aus dem Jahr 2021 reichte die Bandbreite der Hotellerie- und Betreuungskosten von 50 Rappen bis 5 Franken pro Minute. Pro Tag ist das teuerste Pflegeheim im Mittelwert fast drei Mal so teuer wie das billigste, das 360 Franken kostet. 

Aufgrund der Höhe dieser Aufwendungen können gemäss Curaviva nur 40 Prozent der pflegebedürftigen Personen diese Kosten aus eigener Kraft finanzieren - der Rest ist auf die Hilfe der Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen.

Der Bezug von Ergänzungsleistungen sollte vorgängig geprüft werden

Anspruchsberechtigung haben sich im Rentenalter befindende Personen mit einem Vermögen unter 100’000 Franken. Die Höhe der EL wird durch das Einkommen beeinflusst. Als Einkommen gilt unter anderem die AHV-Rente, Zinseinkommen oder Dividenden oder der Eigenmietwert einer Liegenschaft. Schenkungen und ein Leben auf «zu grossem Fuss» können zu Kürzungen der EL führen.

Das zuständige Sozialamt des Kantons berechnet in einem ersten Schritt die anfallenden Ausgaben und setzt die Maximalleistungen anhand von Tagessätzen fest. Während die Durchschnittskosten bei der Hotellerie und Betreuung gemäss Curaviva in fast allen Deutschschweizer Kantonen von den EL gedeckt sind, können teure Heime deutlich über diesen Maximalbeträgen liegen. Gemäss Daniel Domeisen, Leiter der Gesundheitsökonomie bei Curaviva, geht es bei der EL nicht um die Finanzierung von Luxuslösungen - die zu betreuende Person muss die über den Höchstwerten liegenden Kosten deshalb selber übernehmen. 

Auch bei ausserkantonalen Aufenthalten ist Vorsicht geboten. Zwar wurden gemäss Domeisen erhebliche Fortschritte bei den interkantonalen Vereinbarungen erzielt, dennoch sind «weitere Absprachen in allen Bereichen der Ergänzungsleistungen sowie im Bereich der Restfinanzierung zwischen den Kantonen notwendig.» In diesem Fall liegt es bei einer individuellen Absprache zwischen Kanton, Heim und pflegebedürftigen Person, die Finanzierungslücke zu schliessen.

In einem zweiten Schritt werden die Einnahmen bestehend aus Einkommen und Vermögen abgerechnet. Je höher das Einkommen und das eigene Vermögen, desto kleiner fallen die Ergänzungsleistungen aus. 

Schenkungen und ein zu teurer Lebensstil führen zu zusätzlichen Kürzungen - beides gilt als freiwilliger Vermögensverzicht und wird nachträglich an das Vermögen angerechnet. Dies betrifft Schenkungen von über 10’000 Franken pro Jahr. Damit will der Staat die Umgehung der Kostenanteilnahme verhindern, bei der zu betreuende Personen ihr Vermögen an die Kinder abtreten und als «Mittellose» anschliessend EL beantragen.

Zum Vermögensverzicht wird auch das Aufbrauchen des eigenen Vermögens innerhalb gezählt

Zum Vermögensverzicht wird auch das Aufbrauchen des eigenen Vermögens innerhalb von kurzer Zeit gezählt. Gibt eine Person mit einem Vermögen von über 100’000 Franken innerhalb eines Jahres mehr als 10 Prozent davon aus, so gilt der Betrag über diesen 10 Prozent als Vermögensverzicht. Der Zeitpunkt des Vermögensverzichts spielt keine Rolle, da keine Verjährung eintritt - somit könnten auch Vermögensverzichte, die einige Jahrzehnte zurückliegen, zu Aufrechnungen führen.

Der Bezug von Ergänzungsleistungen kommt zusätzlich mit einer Rückzahlungspflicht. Sofern der Nachlass 40’000 Franken übersteigt, müssen die EL von den Nachkommen zurückbezahlt werden. Besonders wenn Immobilien vererbt werden, kann dies zu Überraschungen führen.
  
Wer hingegen keinen Anspruch auf EL hat oder die Ergänzungsleistungen dennoch nicht ausreichen, kann Sozialhilfe beantragen. In diesem Fall könnten Verwandte vom Sozialamt in die Pflicht genommen werden. Grundsätzlich kommt bei Sozialleistungen die «Unterstützungspflicht durch Verwandte» zum Tragen, wenn die Kinder in «günstigen Verhältnissen» leben. 

In solchen Verhältnissen lebt es sich, wenn das Einkommen bei Alleinstehenden über 120’000 Franken und das Vermögen 250’000 Franken übersteigt. Bei Ehegatten sind die Grenzwerte beim Einkommen 180’000 Franken und beim Vermögen 500’000 Franken. Sie müssen die Sozialleistungen zurückzahlen. 

Aufgrund der potenziell interfamiliären finanziellen Auswirkungen sollte deshalb ein Anspruch auf und Auswirkungen vom Bezug der Ergänzungs- oder Sozialleistungen vorgängig gut geprüft werden. 

Schweizer System bietet eine bemerkenswerte Sicherheit

Lohnt es sich, für den Pflegefall vorzusorgen? Nein. Das Schweizer System bietet eine bemerkenswerte Sicherheit: Jeder pflegebedürftigen Person steht unabhängig von der persönlichen finanziellen Lage der Weg in ein Pflegeheim offen. Im Normalfall, wo keine luxuriöse Lösung und kein ausserkantonaler Aufenthalt in Betracht gezogen wird, decken die staatlichen Unterstützungsmassnahmen den Finanzierungsbedarf vollständig ab. Für Personen mit zusätzlichem Sicherheitsbedürfnis gibt es zudem diverse Versicherungsprodukte für den Pflegefall.

Auch der Fehlanreiz des Vermögensverzehrs, wo vereinzelte Personen absichtlich ihr Vermögen verbrauchen oder es aus nachvollziehbaren Gründen geschickt an ihre Nachkommen übertragen und anschliessend trotzdem Ergänzungsleistungen oder Sozialleistungen beantragen, spielt eine untergeordnete Rolle.

Denn der Pflegefall trifft gemäss Domeisen nur etwa ein Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung oder gut sieben Prozent der über 65-Jährigen. Dieses Verhältnis verhielt sich in einem Langzeitvergleich stabil. Finanziell auf ein Ereignis mit einer derart tiefen Wahrscheinlichkeit vorzusorgen, lohnt sich nicht. Und für die Nachhaltigkeit der Finanzen des Gesundheitssystems sind diese staatlichen Hilfeleistungen nicht ausschlaggebend.

Um negative Überraschungen zu vermeiden, ist dennoch eine vorgängige Abklärung über die finanziellen Auswirkungen von verschiedenen Betreuungsmodellen und der Bezug von Ergänzungs- und Sozialleistungen ratsam. Denn je nach Leistung können die finanziellen Konsequenzen über die pflegebedürftige Person hinausgehen.
 

Luca_Niederkofler
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