Fast alle grossen Volkswirtschaften stehen 2025 vor einer geldpolitischen Lockerung, jedoch deutlich vorsichtiger als in den Vorjahren. Bloomberg Economics erwartet, dass der durchschnittliche Leitzins in den entwickelten Volkswirtschaften bis Ende 2025 von derzeit 3,6 Prozent auf 2,9 Prozent sinkt - ein langsamer, aber notwendiger Anpassungsschritt, der jedoch weiterhin Überraschungen bereithalten könnte.
Der Grund für diese Zurückhaltung liegt in den fortgeschrittenen Lockerungszyklen und den anhaltenden Risiken durch Inflation und geopolitische Unsicherheiten. Ein zusätzlicher Risikofaktor ist die Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus, der durch neue Handelszölle das Wirtschaftswachstum belasten und die Inflation anheizen könnte.
US-Notenbank (Fed): Vorsicht trotz Lockerung
Das Federal Reserve hält seinen Leitzins aktuell bei 4,5 Prozent und dürfte diesen bis Ende 2025 auf 3,75 Prozent senken. Die Märkte erwarten eine erste Zinssenkung um 25 Basispunkte im März 2025.
Nach einer Zinssenkung im Dezember 2024 deuteten die Fed-Entscheidungsträger jedoch an, vorerst eine Pause einzulegen. Grund dafür ist die weiterhin über dem Ziel liegende Inflation. Die US-Notenbank hat betont, dass weitere Lockerungen nur erfolgen werden, wenn Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung sichtbar werden.
Die Politik des designierten Präsidenten Donald Trump könnte dabei eine zusätzliche Herausforderung darstellen. Handelszölle, wie sie bereits angekündigt wurden, könnten das Wachstum belasten und die Inflation weiter anheizen.
Bloomberg Economics hält dennoch weitere Lockerungen für wahrscheinlich: "Sollte sich die Konjunktur weiter abkühlen und die Arbeitslosenquote von derzeit 3,9 Prozent auf 4,7 Prozent bis Ende 2025 steigen, wird die Fed gezwungen sein, stärker einzugreifen - mit weiteren Zinssenkungen um bis zu 75 Basispunkte."
Europäische Zentralbank (EZB): Mehrere Zinssenkungen in Sicht
Die EZB hat sich 2024 von ihrem zögerlichen Start in den Lockerungszyklus verabschiedet und dürfte 2025 den Einlagensatz in mehreren Schritten auf 2 Prozent senken. Der aktuelle Satz liegt bei 3 Prozent, wobei die Märkte bereits mehrere Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte bis Mitte 2025 einpreisen.
Obwohl die Gesamtinflation allmählich das Ziel von 2 Prozent erreicht, bleiben die Dienstleistungspreise ein Problem. Diese steigen weiterhin fast doppelt so schnell wie der Durchschnitt, was Sorgen über steigende Löhne und deren Inflationsdruck verstärkt.
Laut Bloomberg Economics gibt es kaum Anzeichen für Eile seitens der EZB, grössere Zinsschritte vorzunehmen. Vielmehr wird erwartet, dass der Einlagensatz in vierteljährlichen Schritten gesenkt wird. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich nach einer Winterflaute erholen, getragen von einem Anstieg der privaten Ausgaben.
Schweizerische Nationalbank (SNB): Rückkehr zu Negativzinsen?
Die SNB hat ihren Zinssenkungskurs zuletzt beschleunigt. Im Dezember 2024 überraschte sie mit einer Reduktion des Leitzinses um 50 Basispunkte auf 0,5 Prozent. Bloomberg Economics geht davon aus, dass der Zinssatz bis Ende 2025 auf 0,25 Prozent sinken wird - mit der Möglichkeit einer Rückkehr zu negativen Zinsen.
Der starke Franken bleibt dabei ein entscheidender Faktor. Die Aufwertung der Währung senkt die Importpreise und dämpft damit den Inflationsdruck. Der jüngste Wert von 0,7 Prozent liegt deutlich unter dem Zielband der SNB von 0 bis 2 Prozent. Um zu verhindern, dass der Franken weiter anzieht und den Exportsektor belastet, könnte die SNB erneut Deviseninterventionen erwägen - eine Praxis, die sie bereits in der Vergangenheit genutzt hat.
Bloomberg Economics sieht das Lockerungspotenzial jedoch begrenzt: "Die Jumbo-Senkung im Dezember hat den Spielraum für weitere Zinssenkungen erheblich reduziert. Eine weitere Lockerung auf 0,25 Prozent wird zwar erwartet, doch der starke Franken könnte zusätzliche Massnahmen erforderlich machen."
(Bloomberg/cash)
1 Kommentar
Das aktuelle Zinsniveau in der Schweiz ist aus nationalökonomischer Sicht nicht zu rechtfertigen. Für die letzte Zinssenkung gab es keinerlei volkswirtschaftliche Notwendigkeit, im Gegenteil, sie war kontraindiziert.
Mein "Verdacht" ist, dass die SNB vor der Auslösung der Handelskonflikte durch Trump den CHF möglichst stark positionieren wollte, in der Erwartung, dass es zumindest kurzzeitig durch Trumps protektionistische Massnahmen zu einer Stärkung des USD kommen wird. Damit hätte die SNB einen Teil der erwarteten Abwertung des CHF quasi im Voraus kompensiert.
Ob das funktionieren wird, ist dennoch fraglich, denn der Wechselkurs ist in einer offenen Volkswirtschaft keine Einbahnstrasse. Viel geeigneter wäre ein aktiver und kompetenter Bundesrat, der eine Wirtschafts- und Standortpolitik implementiert, die Innovation und Produktivitätswachstum fördert. Denn damit werden Wettbewerbsvorteile und Wertschöpfung nachhaltig gesichert.