Der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers sieht im Laufe der Zeit höhere langfristige Zinssätze. "Die Märkte sollten sich in absehbarer Zukunft an Zinssätze im aktuellen Bereich gewöhnen und wahrscheinlich auch an langfristige Zinssätze über dem aktuellen Niveau“, sagte er am Dienstag in einem Webinar des Economic Club of New York, das er mit dem ehemaligen Chefökonomen des Weissen Hauses, Glenn Hubbard, durchführte.

Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe liegt derzeit bei etwa 4,3 Prozent. Summers erklärte, die Inflation befinde sich nicht auf einem "überzeugenden Kurs“ in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels der Federal Reserve. Er argumentierte auch, dass der neutrale kurzfristige Zinssatz - der Zinssatz, der das Wirtschaftswachstum weder ankurbelt noch bremst – bei etwa 4,5 Prozent liege und damit deutlich über der mittleren Schätzung der Fed von 2,6 Prozent.

"Wir müssen uns auf einen neutralen Zinssatz von 4,5 Prozent als vernünftige beste Schätzung einstellen“, sagte er. "Das bedeutet wahrscheinlich weniger Zinssenkungen durch die Fed als derzeit erwartet.“ Händler auf dem Federal Funds Futures-Markt wetten darauf, dass die Zentralbank die Zinsen bis zum Jahresende um etwa einen halben Prozentpunkt senken wird.

Hubbard, der heute Professor an der Columbia University ist, stimmte Summers Einschätzung im grossen und ganzen zu. "Die Inflation liegt derzeit deutlich über dem Inflationsziel der Fed von zwei Prozent“, sagte er. Er sieht eine Verlangsamung der Wirtschaft als Reaktion auf die Bemühungen der Fed, die Inflation zu senken, aber er rechnet nicht mit einer "sehr grossen Rezession“. "Ich erwarte eine relativ sanfte Landung“, sagte Hubbard, der in der republikanischen Regierung des ehemaligen Präsidenten George W. Bush diente.

Sowohl Hubbard als auch der Demokrat Summers äusserten Bedenken über die Bedrohungen der Unabhängigkeit der Fed, obwohl sie sich nicht einig waren, woher diese kamen. Hubbard sah die Risiken sowohl von Präsident Joe Biden als auch von seinem Herausforderer Donald Trump ausgehen. Summers war anderer Meinung und sagte, die Bedrohung durch Trump sei weitaus grösser.

Summers argumentierte, dass eine Reihe von Faktoren - darunter Trumps scheinbare Missachtung der Unabhängigkeit der Fed, seine offensichtliche Unterstützung eines schwächeren Dollars und seine Unterstützung umfassender Importzölle - auf eine deutlich höhere Inflation hindeuteten, sollte der Republikaner zum Präsidenten gewählt werden. "Ich finde diese Wirtschaftsagenda im Hinblick auf Inflation und Finanzstabilität wirklich ziemlich besorgniserregend“, sagte er.

(Bloomberg/cash)