Auch Tether, der mit einer Marktkapitalisierung von 81 Milliarden Dollar grösste Stablecoin, konnte sich am Donnerstag den Turbulenzen am Kryptomarkt nicht entziehen. Der Stablecoin fiel am Donnerstagvormittag auf 0,9455 Dollar, bevor er sich auf 0,9846 Dollar erholte. Es war der stärkste Rückgang seit März 2021. 

Tether ist ein Stablecoin, der durch liquide Mittel gedeckt ist, was es ihm ermöglichen sollte, jederzeit 1 Dollar zu halten. Dieses Versprechen scheint aber in den Marktturbulenzen, die durch den Absturz der drittgrössten Stablecoin TerraUSD mit ausgelöst wurde, nicht mehr zu gelten. Diese war am Mittwoch auf bis zu 0,30 Dollar abgestürzt und hat den Kryptomarkt erschüttert. Auch am Donnerstag handelt TerraUSD mit 0,6358 Dollar deutlich unter 1 Dollar.

«Der gesamte Kryptomarkt bricht wie ein Kartenhaus zusammen»

Der Kurssturz von TerraUSD und Tether weckt Bedenken über die Stabilität eines Vermögenswerts, der für das Funktionieren der Kryptomärkte von zentraler Bedeutung ist. Das Problem für den Kryptomarkt: Stablecoins werden häufig von Krypto-Händlern als vermeintlich stabiler und weniger volatiler Ort zum Parken ihres Geldes verwendet. Ist der Glaube an die Stabilität nicht mehr vorhanden, werden Anleger plötzlich in andere Anlagen flüchten. Ein Phänomen, das in der Realwirtschaft oft anzutreffen ist - Flucht in andere Währungen bei hoher Inflation, Bankrun bei Schieflage von Finanzinstituten.

"Die Volatilität der Stablecoins ist eine neue Realität für den Kryptomarkt", sagte Alex Kuptsikevich, leitender Marktanalyst bei der Handelsplattform FxPro. "Früher zogen es die Anleger vor, ihr Kapital in stabilen Währungen zu parken." 

"Der gesamte Kryptomarkt bricht wie ein Kartenhaus zusammen", so Kuptsikevich weiter. Bitcoin verliert in den letzten 24 Stunden 9 Prozent, Ether 18 Prozent und Ripple steht 26 Prozent tiefer.

Technologiechef von Tether versucht auf Twitter zu beruhigen

Wegen des Volatilitätsausbruchs bei Tether sah sich der Technologiechef Paolo Ardoino gezwungen, die Wogen auf Twitter zu glätten. So schrieb er, dass die Investoren den Token weiterhin zu einem Wert von eins zu eins zum Dollar einlösen können. So seien 300 Millionen Dollar ohne "ein Schweisstropfen" abgezogen worden. Etwas, das bei einem Stablecoin eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Doch Kritiker bezweifeln seit langem, dass der Stablecoin über genügend Vermögenswerte verfügt, um einen Massenabzug von Investoren zu verkraften.

Laut Analysten könnte ein Run auf Tether angesichts seiner Bedeutung für den Handel eine Katastrophe für den Kryptosektor sein. Ein Massenverkauf der liquiden Tether-Vermögenswerte, zu denen auch Unternehmensanleihen gehören, könnte auch Probleme auf anderen Märkten auslösen.

"Wenn die eins-zu-eins-Bindung an den US-Dollar bei Stablecoins wie Tether brechen, werden die Dinge schnell hässlich und können zu Cross-Margining-Verkäufen in anderen Anlageklassen führen", schreibt Jeffrey Halley, Senior Analyst bei Oanda, in einer Analystennotiz.

Droht ein Lehman-Moment für den Kryptomarkt?

Zumindest besteht aber die Hoffnung, dass ein Lehman-Moment ausbleiben sollte. Denn im Gegensatz zum Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008, der einen Dominoeffekt von Zahlungsausfällen auslöste, der zur globalen Finanzkrise führte, ist die Marktkapitalisierung von Tether wohl nicht gross genug, um einen systemweiten Krypto-Zusammenbruch zu verursachen.

Doch die Gefahr bleibt: Der Zusammenbruch der Tether-Bindung "wird einen grossen Teil des Krypto-Ökosystems in Mitleidenschaft ziehen, wenn man bedenkt, wie zentral Tether für die Kryptoflüsse geworden ist", schrieb Anant Jatia, Gründer von Greenland Investment Management, auf LinkedIn.

Billy Markus, der Gründer von Dogecoin, äusserte sich auf Twitter noch deutlich pessimistischer zu den potenziellen Folgen eines Tether-Abstiegs: "Wenn Tether stirbt, ist alles vorbei, Freunde."

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