Die Krypto-Industrie hat den Wahlkampf von Donald Trump mit riesigen Millionenbeträgen unterstützt und erwartet nun ein freundlicheres Regulierungsumfeld bei den Kryptowährungen. Die Branche will von Trump aber mehr als nur ein Geschäft ohne Fesseln. Sie macht sich in Washington für eine strategische Bitcoin-Reserve stark.

Wie die meisten Länder haben die USA verschiedene strategische Reserven, schreibt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank (SGKB) am Montag in einem Kommentar. Diese Reserven beinhalten Nahrungsmittel, Energieträger oder andere Güter, die im Krisenfall für die Versorgung der Bevölkerung notwendig sind. Die bekannteste sind die strategischen Ölreserven. Diese werden von den US-Präsidenten regelmässig angezapft, wenn der Ölpreis stark steigt. Denn ein hoher Preis an der Zapfsäule kommt bei der Bevölkerung schlecht an.

«Da Bitcoins weder gegessen noch als Energiequelle genutzt werden können, müssen sie einen anderen strategischen Nutzen bekommen, der die Haltung einer Reserve gerechtfertigt», so Stucki. Die Bitcoin-Reserve soll laut der Krypto-Lobby deshalb dafür da sein, die Schulden der USA von aktuell 36'000 Milliarden US-Dollar zu eliminieren. Dazu müssen heute ein paar Milliarden in Bitcoin investiert werden, so die Argumentation. Der Wertzuwachs des Bitcoins wird es dann in ein paar Jahren erlauben, die Schulden zurückzuzahlen. «Damit die Schulden aber zurückbezahlt werden können, müsste der Kurs auf eine Million Dollar pro Bitcoin ansteigen», sagt der SGKB-Experte. 

Neue Marktverwerfungen zu erwarten

Der Handel auf der Prognoseplattform Polymarket impliziert eine Wahrscheinlichkeit von etwa 28 Prozent, wonach Trump in den ersten 100 Tagen der neuen Amtszeit eine Bitcoin-Reserve anlegt. Sollte die Reserve tatsächlich kommen, könnten die Risiken auf lange Sicht entgegen der vorherrschenden Meinung aber zunehmen.

Eine strategische Bitcoin-Reserve macht für die USA keinen Sinn, weder in der Notwendigkeit für den Schutz der Bevölkerung noch in der Umsetzung, so Stucki. «Darum geht es der Krypto-Industrie auch nicht. Die US-Bevölkerung und die Schulden des Staates sind ihnen egal. Es geht nur darum, die Spekulation auf die Kryptowährungen anzuheizen und dadurch den Wert ihrer eigenen Bestände zu steigern. Damit sind sie recht erfolgreich.»

Die verlockende Aussicht auf eine strategische Bitcoin-Reserve in den USA haben den Preis des Tokens jüngst denn auch immer höher getrieben. Prognosen, wonach die älteste Kryptowährung einen Preis von 500'000 oder sogar einer Million Dollar erreichen wird, werden immer häufiger.

Noelle Acheson, Autorin des Newsletters «Crypto Is Macro Now», erwartet einen steigenden Bitcoin-Kurs in diesem Szenario. «Aber der Markt würde beispielsweise anfälliger für einen Regierungswechsel. Oder ein Sinneswandel der Regierung könnte zu einer Flut von Verkäufen auf den Kryptomärkten und einem Absturz führen, der den Wert des Bitcoin auf der ganzen Welt zerstören könnte. Denn viele Investierende zählen darauf, dass Bitcoin sie vor einer langfristigen Abwertung des Dollars schützt.»

Der Anlagechef von der SGKB sieht das ähnlich. «Schon nur die Ankündigung, falls die USA einen Teil ihrer strategischen Bitcoin-Reserve auflösen wollen, würde den Kurs des Bitcoins und aller anderen Kryptowährungen implodieren lassen.»

Wird Gold zum grossen Verlierer?

Es ist weiterhin offen, ob Donald Trump tatsächlich eine strategische Bitcoin-Reserve anlegen wird. Er hat einen Gesetzentwurf der Senatorin Cynthia Lummis von Wyoming noch nicht gebilligt, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Gesetzesentwurf sieht vor, einerseits die Gold-Bestände bei der amerikanischen Notenbank Fed abzubauen sowie Schuldverschreibungen auszugeben. Damit soll im Gegenzug bis zu einer Million Bitcoin gekauft werden. 

Auf dem Papier hat die amerikanische Notenbank Fed jede Menge Gold, das sie verkaufen kann, um eine Reserve im Bitcoin aufzubauen. Der aktuelle Marktwert der Goldbestände der Fed beläuft sich auf rund 690 Milliarden Dollar. Dies würde sich aber dramatisch auswirken, wenn die strategische Bitcoin-Reserve tatsächlich vom Kongress verabschiedet würde. Grosse Goldverkäufe durch die Regierung könnten den Preis des Edelmetalls deutlich fallen lassen. 

Thomas Daniel Marti
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