Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt 7,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch nach endgültigen Berechnungen bestätigte. Im Mai war die Teuerungsrate mit 7,9 Prozent so hoch ausgefallen wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr, im April betrug sie 7,4 Prozent. Die staatlichen Entlastungen dämpfen wohl auch in den Sommermonaten den Preisdruck. Allerdings dürfte die Inflationsrate nach Auslaufen dieser Massnahmen im September wieder nach oben schnellen, weil dann Tanken und Nahverkehr wieder teurer werden, warnen Experten.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher plädierte für eine gezielte Entlastung einkommensschwacher Haushalte. Es gebe bereits heute für viele Menschen eine Notsituation, weil die Preise explodiert seien. Menschen mit geringen Einkommen müssten 150 bis 200 Euro mehr im Monat für Lebensmittel und Energie bezahlen. "Die Politik tut noch nicht genug, um die Menschen, die wirklich Hilfe benötigen, die keine Schutzmechanismen haben, zu entlasten", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im ZDF-Morgenmagazin.

"Hauptursachen für die hohe Inflation sind nach wie vor Preiserhöhungen bei den Energieprodukten", erklärte Statistikamts-Präsident Georg Thiel. Energie verteuerte sich im Juni wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine um 38,0 Prozent und bleibt damit Preistreiber Nummer eins. Allerdings war das Plus im Mai mit 38,3 Prozent noch etwas höher ausgefallen. Nahrungsmittel kosteten 12,7 Prozent mehr als im Juni 2021. Erheblich teurer wurden Speisefette und Speiseöle (+43,1 Prozent). Deutlich mehr zahlen als vor einem Jahr mussten die Konsumenten auch für Fleisch und Fleischwaren (+18,9 Prozent), Molkereiprodukte und Eier (+15,3 Prozent) sowie Brot und Getreideerzeugnisse (+12,5 Prozent).

Klammert man Energie und Nahrungsmittel aus, lag die Inflationsrate nur bei 3,2 Prozent. Dienstleistungen verteuerten sich um 2,1 Prozent. Hier sorgte das Neun-Euro-Ticket für Entlastung. Denn die Preise für Bahnfahrkarten im Nahverkehr purzelten binnen Jahresfrist um 43,9 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will nächste Woche angesichts der rekordhohen Inflation in der Währungsunion erstmals seit 2011 ihren Leitzins anheben und im September nachlegen. Dadurch steigen die Kreditkosten für Verbraucher wie Unternehmen, worunter Konsum und Investitionen weiter leiden dürften. Das wiederum könnte der ohnehin schwächelnden Konjunktur weiter zusetzen.

Der massive Preisdruck bei Rohstoffen und Energie setzt auch Erzeuger landwirtschaftlicher Produkte unter Druck, ihrerseits die Preise zu erhöhen. Diese stiegen im Mai um durchschnittlich 36 Prozent. Das ist allerdings etwas weniger als noch im April, als der Preisanstieg zum Vorjahresmonat mit 40 Prozent so hoch ausfiel wie noch nie seit Beginn der Erhebung 1961. Von April auf Mai fielen die Preise nun leicht um 0,7 Prozent. Pflanzliche Produkte verteuerten sich im Mai binnen Jahresfrist mit 37 Prozent und tierische Erzeugnisse mit 35,2 Prozent jeweils nicht mehr ganz so kräftig. "Ausschlaggebend für die weiterhin hohen Preise bei Getreide ist immer noch die Verknappung des Angebots infolge des Kriegs in der Ukraine", teilten die Statistiker mit.

(Reuters)