Wagnis- oder Risikokapital verzeichnete noch 2021 einen unvergleichbaren Boom. Startups profitierten von günstigem Kapital auf dem Markt, für das Investoren händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchten. In Deutschland zum Beispiel wurden gegen 4 Milliarden Euro in Jungunternehmen investiert, ein Rekord.
Der Wind hat mit den veränderten Rahmenbedingungen nun gedreht. Steigende Zinsen an den Kapitalmärkten machen risikoreiche Investitionen wie Venture Capital weniger attraktiv. Gemäss dem deutschen Startup Monitor 2022 etwa erwarteten über 80 Prozent der Startups negative Auswirkungen auf ihren Geschäftsverlauf. Gegen die Hälfte der befragten Startups befürchtete auch Finanzierungsengpässe. In Grossbritannien ist die durchschnittliche Höhe eines Darlehens für ein Startup in diesem Jahr 138 Prozent gefallen, nämlich von 339'000 Pfund im Jahr 2021 auf 142'000 Pfund, wie City A.M. am Dienstag berichtete. Die Anzahl der Kredite für Startups hat sich seit 2019 mehr als halbiert. Fundraising wird für Startups nun zweifellos eine grössere Herausforderung als in den letzten Jahren.
"2021 war der Höhepunkt einer Bubble, die grösste, die ich je gesehen habe", sagte Daniel Aegerter, Investor und Gründer des Family Office Armada Investment, zum Auftakt der Investorenkonferenz Noah am Dienstag im "The Circle" am Flughafen Zürich. Viele Investments, die im Boom-Jahr getätigt wurden, seien nicht nachhaltig gewesen. Allerdings sieht Aegerter, auf der Noah-Bühne flankiert von Ringier-CEO und Digitalswitzerland-Gründer Marc Walder, die derzeitige Krise auch als Chance. Die "Beziehungen" zwischen Firmengründern und Investoren seien besser geworden, und dies sei die Grundlage für Nachhaltigkeit.
Die Konferenz Noah bringt alljährlich bereits börsenkotierte Konzerne, Start-ups, Risikokapitalgeber und Family Offices zusammen. Nach eigenen Angaben hat die Konferenz jeweils die am schnellsten wachsenden europäischen Digitalunternehmen zu Gast.
Hommels warnt wegen der Regulierung
Gespannt sein durfte man zum Noah-Auftakt auf den Auftritt von Konferenz-Aushängeschild und Star-Investor Klaus Hommels und seine Sicht auf die abgekühlte Lage an den Märkten. Laut Hommels, Gründer und Chairman von Lakestar mit Sitz in Zürich und früher Risikokapitalgeber bei Spotify, Skype oder Facebook, werde "ein gewisses Mass an Inflationsdruck bestehen bleiben". Dies werde auch die Finanzierungsmodelle in der Branche beeinflussen.
Viele Gedanken zur aktuellen Marktlage teilte Hommels allerdings nicht mit dem Publikum. Besorgt zeigte sich Hommels - und er steht mit diesen Sorgen natürlich nicht allein da - vielmehr wegen des Anstiegs der globalen Gesamtverschuldung (Staaten, Banken, Unternehmen, Haushalte) auf über 300 Billionen Dollar auf der einen und dem steigenden Zinsumfeld auf der anderen Seite. "Es wird mehr sichtbare Insolvenzen geben", prophezeite Hommels und riet den Investoren, etwas "vorsichtiger zu navigieren als im letzten Jahr".
Richtig "grosses Kopfweh" bereiten Hommels aber die Entwicklungen auf regulatorischer Ebene, insbesondere der "Inflation Reduction Act" in den USA. Das US-Bundesgesetz zielt darauf ab, die hohe Inflation in den USA mittels Staatausgaben einzudämmen. Vorgesehen sind etwa Steuererleichterungen für Elektroautos, Investitionen in Technologien zur Reduktion von CO2-Emissionen oder der Ausbau von Wind- und Solarkraft. In Europa wird allerdings kritisiert, dass das Gesetzespaket, das über zehn Jahre hinweg Ausgaben von fast 500 Milliarden Dollar vorsieht, europäische Firmen benachteiligt.
Hommels stimmt in die Kritik ein. Der US-Inflation Reduction Act führe zu mehr Protektionismus über alle Regionen, warnte Hommels. Das Gesetz werde auch dazu beitragen, die geopolitischen Spannungen zu verstärken. Dabei laufe Europa in Gefahr, seine Position in der internationalen Arena zu verlieren. Hommels schlägt daher vor, dass in Europa Regulierung und Finanzierung besser in Einklang kommen müssen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen müssten Innovation in der europäischen Wirtschaft unterstützen. Und für institutionelle Investoren müssten die richtigen Rahmenbedingungen für Wagniskapital geschaffen werden.
Die Investorenkonferenz Noah findet heuer am 6. und 7. Dezember statt. Seit 2009 sind in Berlin, London oder Tel Aviv insgesamt mehr als 20'000 Gäste an die Konferenzen gekommen und über 2500 Speaker sind aufgetreten.
1 Kommentar
In diesem Bericht wird etwas zu viel analytische Information angeboten. Von diesem "Bubble" im Jahre 2021 habe ich nichts mitbekommen. Nur an diesen "Federer-Schuh" - Börsengang mag ich mich noch erinnern (ON mit viel tralala). Das "Große Kopfweh" von Herrn Hommel teile ich vollumfänglich. "Der US-Inflation Reduction Act führe zu mehr Protektionismus über alle Regionen, warnte Hommels". Wegen einer hohen Inflation neue Gesetze zu schaffen scheint mir total zu viel und überflüssig. Das sollte doch die Aufgabe der Nationalbanken sein und bleiben. Zudem denke ich, dass Europa vor allem wirtschaftlich, militärisch und politisch erwachsen und selbstbewusster werden muss. Dieses Kuschen vor den USA führt nur in eine weitere Sackgasse und löst die Probleme dieser Welt nicht. Nimmt mich ja wunder, was diese aufgeblasene Investorenkonferenz "Noha" schlussendlich bringen wird. Ausser Spesen nichts gewesen!?