cash: Herr Wittwer, in Zürich soll gemäss Berichten das ehemalige Sheraton Atlantis künftig unter der Kempinski-Flagge betrieben werden. Wie weit fortgeschritten ist dieses Projekt?

Reto Wittwer: Unterschrieben ist da noch nichts – entgegen anders lautenden Medienberichten. Als Zürcher schaue ich das Atlantis natürlich anders an als ein Europäer. Da Kempinski eine deutsche Firma ist, müssen wir bei der Standortwahl besonders behutsam vorgehen.

Wie wichtig ist der Standort Zürich für Kempinski?

Sehr wichtig. Momentan entgeht uns wahnsinnig viel Geschäft in Zürich, weil wir dort kein Haus haben.

Welches Zürcher Hotel steht zuoberst auf Ihrer Wunschliste?

Ganz klar, das Dolder Grand, das wäre das ideale Hotel für unsere Gäste. Aber Urs Schwarzenbach (der Besitzer des Dolder, Anm. d.Red.) ist noch nicht soweit, dass er sich zu einer Zusammenarbeit bewegen lassen würde. Dabei ist Kempinski die einzige Hotelkette, die kein Rebranding macht. Wir würden das Dolder Grand auch künftig unter dem angestammten Namen führen, wie auch das Adlon in Berlin oder das "Vier Jahreszeiten" in München.

Im Vergleich zum Dolder Grand führt das verlassene Sheraton Atlantis aber ein stiefmütterliches Dasein. Passt das zum Image von Kempinski?

Man darf nicht vergessen, wer der neue Besitzer des Atlantis ist: Der Emir von Katar. Er ist heute der grösste Hotelinvestor der Welt. Er gab für das Atlantis ein Heidengeld aus, ohne dass ich Zahlen nennen möchte. Das Hotel wird mit massivem Geldeinsatz renoviert, wobei das oberste Geschoss dem Emir und seiner Entourage vorbehalten bleibt.

Ist Kempinski an weiteren Standorten in der Schweiz interessiert?

Lugano wäre für uns sehr spannend. In der Westschweiz sind uns weitgehend die Hände gebunden, weil mit dem Besitzer des Kempinski Grand Hotel die Regelung gilt, dass im Umkreis von 100 Kilometern kein weiteres Hotel aufgebaut werden darf. Eins ist aber klar: In Zürich würden wir nicht mehr eine solche Einschränkung eingehen.

Im Sommer 2013 wollten Sie das erste Kempinski-Hotel in der nordkoreanischen Hauptstadt Pyöngyang eröffnen. Was wird nach den jüngsten Eskalationen auf der koreanischen Halbinsel aus diesen Plänen?

Ou, das ist eine heikle Geschichte. Die EU hat seit den Atomtests im Februar die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft, und an diese Vorgaben müssen wir uns halten. So dürfen derzeit keine Luxusgüter nach Nordkorea eingeführt werden. Und ein Luxushotel lässt sich ohne Luxusgüter nicht führen.

Das Vorhaben ist also bis auf weiteres aufs Eis gelegt?

Ja, momentan sind uns die Hände komplett gebunden. Wir glauben aber immer noch an dieses Projekt - entgegen anderslautenden Meldungen. Sobald das Embargo gelockert wird und wir das Projekt weiterführen können, machen wir uns wieder an die Arbeit.

Hatten Sie mit einem solchen politischen Rückfall nicht rechnen müssen?

Nein, er kam für uns total überraschend. Ich war schon verschiedene Male in Nordkorea und kenne dort jene Leute, die man kennen muss. Es gab von dieser Seite her Anzeichen, dass es eher in eine positive Richtung läuft. Die jüngsten Zwischenfälle kamen aber eher als Gewittereinschläge daher.

Besser läuft es derzeit für Kempinski hingegen in China, wo erstmals in der Firmengeschichte ein zweiter Brand aufgebaut wird. Setzt Kempinski neu auf eine Mehrmarkenstrategie?

Es ist richtig, dass wir in China mit Nuo einen eigenen Brand kreiert haben. Das ist aber in erster Linie eine Schutzmassnahme. Wir wollen keinen Brand-Supermarkt aufbauen wie beispielsweise unsere amerikanischen Konkurrenten. Das Potenzial in China ist derart gross, dass es unsere Vorgabe in Gefahr bringen würde. Das Alter unserer Firma gibt vor, wie viele Hotels unter Kempinski laufen dürfen, das heisst maximal 116. Der zweite Brand erlaubt uns, das grosse Potenzial in China auszuschöpfen, ohne dabei unsere Leitlinien zu strapazieren.

Seit letztem Sommer herrscht an den Finanzmärkten wieder Optimismus, die Aktienkurse steigen. Spürt die Luxushotellerie diesen Stimmungswechsel?

2012 hatten wir das beste Jahr seit Bestehen der Firma. Das heisst: La crise, je ne connais pas. Die Krisenanalyse, die ausgeschlachtet wurde, überschattet meiner Meinung nach im Luxusbereich die Inkompetenz des Managements. Wer gut arbeitet, kennt keine Krise. Gerade in schwierigeren Zeiten wollen sich die Leute zwischendurch eine Freude machen und leisten sich etwas, ohne dabei aufs Geld zu schauen. Diese Glücksgefühle kann einem niemand nehmen.

Und wie sieht es für 2013 aus?

Unser Geschäft läuft super. Nach den ersten Zahlen sind wir erneut auf Rekordkurs.


Der Zürcher Reto Wittwer (63) ist seit 1995 CEO von Kempinski Hotel & Resorts, Europas ältester Luxushotelkette. Er hatte in seiner langen Laufbahn für verschiedene Spitzenhotels rund um den Globus gearbeitet und hat nach eigenen Angaben über 170 Länder besucht. Er wird in zwei Jahren freiwillig von seinem Chefposten zurücktreten.

Das Interview wurde am Rande des 3. World Tourism Forum geführt, das seit Mittwoch in Luzern stattfindet.