Die Kaufkraft einer Rente von heute 5000 Franken sinkt bei einer jährlichen Inflation von 1 Prozent in 10 Jahren auf rund 4500 Franken, bei 2 Prozent Inflation auf 4100 Franken und bei 3 Prozent auf 3700 Franken. Denn kaum eine Pensionskasse gleicht die Teuerung aus.
Es erstaunt daher aus dieser Warte nicht gross, dass immer mehr Menschen Kapitalbezüge bei der Pensionierung vornehmen: 54'273 Pensionierte bezogen 2022 gesamthaft 13 Milliarden Franken (+15,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) in Form einer Kapital- oder Teilkapitalauszahlung. Der Durchschnittswert des Kapitalbezugs belief sich auf 240'291 Franken (+8,9 Prozent). Dies geht aus der Pensionskassenstatistik 2022 des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.
Mit der Investition des Kapitals in Aktien oder Anlagefonds erhält man die Kaufkraft viel eher, vorausgesetzt «Know-How» in Sachen Anlagen und Selbstverantwortung für Kapital ist vorhanden. Zudem muss man die Pensionskassenrente vollumfänglich als Einkommen versteuern. Der Kapitalbezug hingegen wird nur einmal als Einkommen besteuert, und zwar getrennt vom übrigen Einkommen im Jahr der Kapitalauszahlung und zu einem tieferen Steuersatz. Deshalb zahlt man bei einem Kapitalbezug auf Dauer weniger Steuern als mit der Rente. Ein gestaffelter Kapitalbezug - mit einem Teilpensionierungsschritt - ist noch lohnender.
Berechnung als Grundlage
Am wichtigsten ist, dass man ein Budget für die Zeit nach der Pensionierung macht. Wofür habe ich bisher Geld ausgegeben? Was brauche ich noch, was nicht mehr? Welches Renten- und Kapitalertragseinkommen benötige ich dafür? Welche Risiken bin ich bereit einzugehen? Die Frage, ob jemand Rente oder Kapital beziehen soll, ist oft eine finanzielle - «was lohnt sich mehr?». Die nachfolgende beispielhafte Berechnung des unabhängigen Vorsorgeberaters PensExpert zeigt, wann der Break-even erreicht wird.
Parameter:
- Wohnort Stadt Zürich, geschieden, keine Kirchensteuer.
- Vorhandenes Altersguthaben 1'000'000 Franken, Umwandlungssatz 5,6 Prozent.
- Besteuerung der Rente zu durchschnittlich 20 Prozent.
- Rendite auf dem Vermögen von 3 Prozent.
Obwohl auf die Kapitalleistung von 1'000'000 Franken gleich am Anfang 113'576 Franken Steuern anfallen, reichen die 886'424 Franken bei einem Vermögensverbrauch von 44'800 Franken (Rente 56'000 Franken minus 20 Prozent Steuern jährlich) und zusätzlichen Vermögens- und Einkommenssteuern von 1500 Franken pro Jahr 28 Jahre lang, bis sie aufgebraucht sind - also bis Alter 93.
«Natürlich verändert jede Anpassung (Steuersatz, Umwandlungssatz, Vermögensrendite) das Bild etwas, aber der ‹Break-Even› Punkt liegt regelmässig später als bei der durchschnittlichen Restlebenserwartung», sagt Cyrill Habegger, Leiter Steuern bei PensExpert, gegenüber cash.ch.
Umwandlungssatz und Gesundheitszustand der Pensionskasse
Der Umwandlungssatz muss beim Entscheid berücksichtigt werden. Ob dieser bei 5,2 Prozent oder bei 5,8 Prozent liegt, kann einen deutlichen Unterschied machen. Die meisten Pensionskassen weisen einen einheitlichen Umwandlungssatz aus. Sie rechnen schlicht mit ein und demselben Wert und unterscheiden nicht zwischen obligatorischem und überobligatorischem Altersguthaben. Meist ist der einheitliche Umwandlungssatz tiefer als der gesetzliche Mindestsatz von 6,8 Prozent.
Hat eine Person ausschliesslich obligatorisches Altersguthaben, dann ist die Pensionskasse verpflichtet, die errechnete Altersrente auf das gesetzliche Minimum anzuheben. Den Umwandlungssatz für überobligatorische Guthaben können die Pensionskassen selber festlegen. Oft ist er deutlich niedriger als der Satz für das Obligatorium. Bei einer Reihe von Pensionskassen beträgt dieser zwischen 5 und 5,5 Prozent, bei manchen ist er sogar noch tiefer.
Auch der Gesundheitszustand einer Pensionskasse ist zu prüfen. Wenn sich eine Vorsorgeeinrichtung in Unterdeckung befindet oder der Deckungsgrad nur knapp über 100 Prozent liegt, ist genauer hinzuschauen. Bei einer Unterdeckung könnte die Pensionskasse unter Umständen gezwungen sein, alle Sparguthaben um den Betrag der Unterdeckung zu kürzen. Auch Geld, das man freiwillig eingezahlt hat, wäre davon betroffen.
Wendungen des Lebens berücksichtigen
Mit oder ohne Kapitalbezug ist man neben der Inflation mit Problemstellungen konfrontiert, die ans Portemonnaie gehen und den Entscheid erschweren: Die Gesundheitskosten wachsen meist stärker als die Inflation und es besteht immer das Risiko für hohe Pflegekosten im Heim. Auch ist es für den Pensionskassenspezialist André Tapernoux vom Beratungsunternehmen Keller Experten ein grosser Fehler, die Wendungen des Lebens nicht zu berücksichtigen: «Als Pensionierter können einem viele Schicksalsschläge treffen: Verlust des Ehepartners, Krankheit und Scheidungen gehören dazu. Was passiert dann mit der Rente oder dem Kapital?»
Um den Entscheid Kapitalbezug oder Rente zu treffen, müsste auch aus rein finanzieller Optik bekannt sein, wie alt jemand wird. Um zu bestimmen, was idealer ist, respektive ob eine Mischform passt. So streicht auch Tashi Gumbatshang, Leiter Kompetenz Center Vermögens- und Vorsorgeberatung bei Raiffeisen Schweiz die Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands und der Lebenserwartung sowie derjenigen der Angehörigen als wichtigen Entscheidungsfaktor hervor.
Der Wert der Rente wird gerade aus der Optik der Lebenserwartung oft unterschätzt. Diese wird bis Lebensende bezahlt, und als Partnerrente sogar bis zum Tod des Ehegatten oder Lebenspartner. Das können gut und gerne 30 Jahre lang sein, das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Der andere Aspekt ist eine allfällige Hypothek, ob die Tragbarkeit nach der Pensionierung weiterhin gegeben ist, kann auch mit der Höhe des Rentenbezugs zusammenhängen.
Entscheid auch für die Hinterbliebenen bedeutend
Ein wichtiger Startpunkt vor einem Kapitalbezug ist es, sich ein realistisches Budget fürs Alter zu machen und sich die Frage zu stellen, ob man (und allenfalls dann auch Hinterbliebene) gut schlafen, wenn keinerlei regelmässiges Einkommen (in Form von Rente) mehr erzielt wird. «Stirbt jemand kurz nachdem er sich für den Rentenbezug entschieden hat, war der Entscheid (sicher für die Erben) ein Fehler›», so Habegger von PensExpert. Der hinterbliebene Ehepartner kriegt zwar typischerweise eine reduzierte Rente, aber fehlt dieser, ist das Geld «weg».
Wenn jemand schwer krank ist und mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Lebenserwartung rechnet, ist ein Kapitalbezug klar die bessere Wahl. Ebenso kann mit diesem Schritt auch mit einem noch längeren Lebenshorizont dem inflationsbedingten Kaufkraftverlust begegnet werden. Hat jemand aber Mühe, mit Geld umzugehen, ist eine monatliche Rente die vernünftigere Variante. Das Risiko, dass schon nach kurzer Zeit kein Geld mehr vorhanden ist, kann mit dem Rentenbezug ausgeschlossen werden.
Nur in seltenen Fällen ist die Ausgangslage aber eindeutig. «Es muss keine Entweder-oder-Entscheidung sein, sondern häufig ist eine Mischform sinnvoll», argumentiert auch Gumbatshang von der Raiffeisen Schweiz. Was bleibt: Vieles ist hinlänglich bekannt, jedoch entscheidet sich erst hinterher, ob die in den allermeisten Fällen nicht mehr rückgängig machbare Entscheidung wirklich richtig war. Denn es spielen laut Gumbatshang auch exogene volkswirtschaftliche und politische Aspekte eine Rolle. Die Entwicklung der Finanzmärkte, der Zinsen, der Inflation einerseits, das politische Ringen um den gesetzlichen Umwandlungssatz andererseits.
Welche Fehlüberlegungen man bei der Entscheidung weiter vermeiden sollte:
- Zwar wird der Kapitalbezug einmalig und zu einem tieferen Steuersatz besteuert, doch auch spätere Kapitalerträge aus dem angelegten Vermögen sind als Einkommen steuerbar. Gleichzeit können viele Abzüge, wie etwa die Berufskosten, nicht mehr getätigt werden.
- Die Anlagekosten nicht im Auge behalten sind für Tapernoux ein Fehler: Eine Rente wird netto berechnet und dann ohne Abzug von Kosten ausbezahlt, während Kapitalerträge brutto vor Kosten anfallen. Das gelte es zu beachten.
- Eine tatsächliche Steuerersparnis beim freiwilligen Pensionskasseneinkauf kann nur dann erzielt werden, wenn mindestens das einbezahlte Kapital bei der Pensionierung bezogen wird. Dabei ist der Zeitpunkt für den freiwilligen Pensionskasseneinkauf dann am steuerlich attraktivsten, wenn das Einkommen am höchsten ist. Im Normalfall ist dies bei vielen Erwerbstätigen in den Jahren vor der Pensionierung der Fall - also ab dem 50. Altersjahr.
18 Kommentare
Beim Kapital beziehen gibt es Risiken es gibt immer sogenannte gute berater die sehr gute Anlagen verkaufen wollen. Leider gibt es zuviele Betrüger. Wenn ich in den Kommentaren lese dass Verzinsungen von mehr als 5% gibt dann leuchten mir schon die roten Lämpchen. Darum mit einer Rente kannst du besser und ruhiger schlafen und leben.
Ich verstehe nicht warum hier immer gesagt wird, dass der Kapitalbezug steuerliche Vorteile hat da die Rente voll versteuert werden muss.
Erstens wird schon der Kapitalbezug besteuert. Zweitens muss das Kapital als Vermögen versteuert werden. Und drittens müssen sämtliche aus dem Kapital erzielten Erträge genau gleich als Einkommen versteuert werden wie die Rente.
Ein steuerlicher Vorteil besteht meiner Meinung nach nur, wenn das Kapital sukzessive verbraucht wird (als Rentenersatz) und daraus auch keine Erträge generiert werden. Aber dann ist halt irgendeinmal «ende Feuer».
Oder täusche ich mich?
Sehr umfassende und umsichtige Darstellung, wie noch selten gesehen. Entsprechend komplex.
Ich stimme grundsätzlich mit @housi überein.
Die Hypothek abzuzahlen und auch sonst die laufenden Kosten (Wärmepumpenheizung und Solaranalage) zu minimieren ist sicher sehr sinnvoll.
Viele sind sich gar nicht bewusst, wie tief das Einkommen nach der Pensionierung WIRKLICH sinken wird und dass es 2025 bei fast allen PK’s nochmals eine anständige Senkung der Renten geben wird.
Wenn die Hypothek noch hoch ist, ist die Wahrscheinlichkeit ausserdem gross, dass nach der Pensionierung die Bank anklopft und eine Amortisation verlangen wird (die Banken rechnen immer noch mit 5% Zins, obwohl das seit Jahren völlig realitätsfremd ist).
Dazu kommt der unsägliche Eigenmietwert welche als Evergreen alle paar Jahre wieder aufpoppt und leider immer noch nicht abgeschafft wurde. Dieser ist in der Regel sehr hoch und muss voll als Einkommen versteuert werden, welches NICHT da ist.
Ich habe diverse Bekannte, welche ihr Haus nach der Pensionierung verkaufen MUSSTEN, da nicht mehr tragbar.
Ich komme immer mehr zum Schluss, dass SACHLICH gesehen, das ganze PK-Geld bezogen und selbst investiert werden sollte. Die «Rendite» der Rente sollte locker mit Dividendenaktien erreicht, bzw. massiv übertroffen werden können (speziell unter Beimischung auch von ausländischen Aktien, mit welchen sich eine VIEL höhere Dividende (15-25%) erzielen lässt, als mit CH-Aktien).
Was viele ausserdem nicht sehen ist, dass das Kapital dann auf dem EIGENEN Konto ist und in Notfällen davon bezogen werden kann (was bei normalem Rentenbezug ja nicht möglich ist).
Was bleibt ist ein «mulmiges Bauchgefühl», wenn das ganze Geld bezogen wird (= keine Rentenzahlungen, nur AHV = selbst verantwortlich für Erwirtschaftung des Einkommens).
Auf jeden Fall rate ich JEDEM an, sich ca. 10 Jahre aber allerspätestens 5 Jahre VOR der Pensionierung intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und allfällige Deckungslücken in der PK einzuzahlen (was ich getan habe). Dies NICHT, um die späteren Rentenzahlungen zu erhöhen, sondern um mindestens das für das schliessen der Deckungslücken einbezahlte Geld nach der Pensionierung wieder auszuzahlen. Einzahlungen lassen sich am steuerbaren Einkommen abziehen = Steuerbelastung VOR der Pensionierung lässt sich damit – oft massiv – senken. Die spätere Auszahlung muss dann zwar ebenfalls besteuert werden aber zu einem viel tieferen Satz (das lohnt sich wirklich!)
Wichtig: Die Deckungslücken müssen 3 Jahre VOR Pensionierung einbezahlt worden SEIN, sonst müssen die Einzahlungen später regulär nachversteuert werden.
Wo gibt es Dividenden von 15% oder gar 25%? Oder meinten Sie dass die Dividenden um 15-25% höher sind als bei Schweizer Aktien? Ist 25% mehr Dividenden VIEL mehr?
Bin der Meinung viele Personen sind nicht dafür gemacht das Geld selber anzulegen ohne bei Rücksetzer in Panik zu verfallen, ohne auf überteuerte Produkte von Banken, Vermögensverwalter etc. reinzufallen. Dies bräuchte alles viel Disziplin und Risikotoleranz...
@onelog:
Ja, Bedingung ist, das man sich SELBER um seine Investitionen kümmert und es ist richtig, dass das Disziplin und Risikotoleranz braucht (was nicht jedem gegeben ist).
Bei Dividendenaktien ist primär wichtig, dass sich der Hauptsitz des Unternehmens, dessen Aktien man kauft, in einem Land befindet, welche der Dividende keine oder höchstens geringe Quellensteuern abzieht.
Länder ohne Quellensteuern sind z. Bsp.: England, Australien und Singapur.
Aktien z. Bsp. GB ohne QS-Abzug :
AA4 (ca. 18% Dividende) / DNA2: (ca. 15% Dividende)
=> Beides sind kleine Unternehmen, welche Flugzeuge verleasen
Aktien z. Bsp. AUS ohne QS-Abzug :
HZN (ca. 18%) -> kleine Ölgesellschaft
Aktien z. Bsp. NORW:
BWLPG (ca. 24%) -> Mittelgrosse Schifffahrtsgesellschaft für den Transport von Flüssigkeiten (Flüssiggas, etc.)
=> Norwegen kennt zwar Quellensteuern, da der Hauptsitz aber in Singapur ist, gibt es KEINE Quellensteuern
Aktien z. Bsp. BRA/USA:
PBR (ca. 15-20%) -> Sehr grosse Ölfirma in Brasilien, welche aber auch via ADR an der US-Börse gehandelt werden kann
=> Hier gibt es zwar Abzüge an der Dividende, es bleibt aber "genügend" übrig
Die Höhe der Dividende in % hängt natürlich immer auch von gerade aktuellen Kurs der Aktien ab.
Und... dazu kommt auch noch ein Währungsrisiko oder eine Währungs-Chance (letztes Jahr hat z. Bsp. das Risiko zugeschlagen, da der Franken extrem stark war). Dieses Jahr überwiegt bisher die Währungschance, da der CHF abgegeben hat.
Wichtig ist auch, dass man breit diversifiziert. Aktuell wären/sind z. Bsp. BWLPG in der Aufstellung oben mit Abstand am besten.
Ich würde aber nie nur BWLPG kaufen, da dann das Klumpenrisiko viel zu gross wäre.
Aber ja... das muss einem "gegeben" sein und das ist nicht für jeden praktikabel, da haben Sie völlig recht...
Danke für die Rückmeldung. Solche Investitionen wären aber nichts für mich.
a) Die Sektoren sprechen mich nicht an
b) Zu viel Klumpenrisiko
Trotzdem Danke für die Erläuterung. Werde weiterhin meinen Index ETFs treu bleiben mit bescheidenen Dividenden und primär Kursgewinnen. ETF Sparpläne lassen sich auch sehr kosteneffizient selbst umsetzen.