Zu Beginn dieses Jahres machten US-Aktien mehr als 75 Prozent des MSCI World aus. Es war das Resultat eines fast schon halsbrecherischen Wirtschaftswachstums in den USA und der Konzentration auf grosse US-Tech-Aktien. Donald Trump hat die Rahmenbedingungen nun geändert. 

Die beispiellose Marktkonzentration in US-Aktien stellt Anleger vor Herausforderungen, denn passive Portfolios sind zu wenig diversifiziert. Aktive Anlageentscheide sind gefragt, um diesen Risiken gegenzusteuern.

Geldflüsse in wachstumsstarke Länder

Die Ertragsstärke der Techkonzerne sowie der so genannte US-Exzeptionalismus haben zur Überperformance von US-Aktien geführt. Während viele andere Wirtschaften seit der Covid-Pandemie nie wirklich in Schwung gekommen sind, rasten die USA davon. 

Das durchschnittliche reale BIP Wachstum lag jenseits des Atlantiks von 2021 bis 2024 bei jährlich knapp 3 Prozent. Die Eurozone und China erreichten Werte von 0,15 Prozent respektive 5,4 Prozent. Während das Wachstum der Amerikaner über dem Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre lag, fiel das Wachstum der Eurozone und China spürbar tiefer aus. Damit floss Kapital aus den wachstumsschwächeren Teilen der Welt in die USA. 

Diese Rahmenbedingungen haben sich nun dramatisch verändert. Die vergangenen Wochen an den Aktienmärkten haben gezeigt, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Die US-Aktienindizes notieren auf Jahresbasis im Minus - die europäischen Börsen haben nur wenig nachgegeben.

Marktkonzentration ist ein Risiko

«Passives Investieren wird niemals die Notwendigkeit einer aktiven Anlageaufsicht beseitigen», fasst Richard Oldfield, CEO des britischen Vermögensverwalters Schroders, die derzeitige Situation zusammen.

Während passive Anlagen in jedes Portfolio gehören, kommen Investoren in solchen Anlagen nicht um die Problematik der Marktkonzentration herum. Selbst während der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre übertrafen die Top-Ten-Aktien kaum 25 Prozent des S&P 500 - derzeit sind es 35 Prozent. 

Für aktive Anleger ist diese Marktkonzentration hingegen eine gute Ausgangslage. Besonders auf dem Schweizer Parkett lassen sich derzeit viele günstige Unternehmen finden. Viele davon sind nur wenig von den aussenpolitischen Massnahmen der US-Regierung betroffen.

Schweizer Aktien als Nische

Derartige Bewertungsdifferenzen zwischen den US- und Schweizer Märkte gab es in der jüngsten Geschichte nur ein weiteres Mal. cash.ch hat eine Auswahl an Schweizer Aktien mit Gewinnpotenzial und überschaubaren Risiken hinsichtlich der Zollproblematik zusammengestellt. 

LEM

Gemäss Unternehmensanalysten bieten die Aktien vom Elektrokomponenten-Hersteller Lem derzeit eines der attraktivsten Gewinnpotenziale am Schweizer Markt. Der zwölfmonatige Kurszielkonsens liegt über 40 Prozent höher bei 1140 Franken. Es gibt nur Kaufempfehlungen für die Aktien des Unternehmens.

Das Kerngeschäft besteht aus Wandlern zur Messung elektrischer Parameter wie Strom und Spannung, die in den Bereichen Industrie, Automatisierung und Automobil eingesetzt werden. Das Unternehmen befindet sich in einer Übergangsphase. Ursache ist der Gegenwind in der erneuerbaren Stromerzeugung und der Fokus auf China und Europa. 

Lem ist jedoch von den Entwicklungen in den USA mehrheitlich isoliert. Nur etwa 11 Prozent des Umsatzes erzielen sie jenseits des Atlantiks. Die Experten der UBS sehen die neuen CO2-Vorschriften der EU bei der Automobilproduktion in diesem Jahr als Haupttreiber für das Wachstum bei Elektroautos und bei Lem. Die Aktien werden mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 24 gehandelt. 

Clariant

Der Spezialchemiekonzern aus Basel bietet gemäss Experten ein Aufwärtspotenzial von 35 Prozent. Die Chemieindustrie gilt als Frühindikator für den Wirtschaftsverlauf. Aufgrund der Wachstumsdifferenzen zwischen den USA und Europa wurde besonders aus dieser Branche Kapital abgezogen.

Fast die Hälfte des Umsatzes generiert Clariant in zyklischen Industrien. Dort sieht das Management erste Zeichen einer Stabilisierung. Goldman Sachs geht von einer Erholung des wichtigen Katalysatorengeschäfts ab dem zweiten Semester 2025 aus.

Die USA betragen indes nur 16 Prozent am Umsatz und laut Management werden 90 Prozent der dort verkauften Produkte auch dort hergestellt. Die Aktien sind mit einem KGV von 10 billig.

Barry Callebaut

Bei Barry Callebaut hat sich ein stark gestiegener Kakaopreis negativ auf den Geschäftsverlauf bemerkbar gemacht. Doch dieser scheint sich bereits zu normalisieren: Seit dem Dezember-Hoch ist er um 40 Prozent gefallen. 

Zwar dürfte der Rückgang der Kakaopreise Barry Callebaut erst ab 2026 wieder positiv beeinflussen, doch bereits heute werten Analysten die Entwicklung positiv. Der aktuelle Kurszielkonsens impliziert ein Gewinnpotenzial von 30 Prozent. Die Trump-Regierung hat nur einen beschränkten Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens. 17 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet der Schokoladenhersteller in den USA.

Sika

Zwar verlangsamte die Flaute in der europäischen Baubranche das Wachstum des Baustoffkonzerns, doch vermochte Sika aufgrund der Positionierung, Produktmix und finanziellen Stärke diese Zeit gut zu meistern. Die Aussichten puncto Gewinnwachstum und Margen sind ebenfalls gut.

Sika dürfte von der Wachstumsbeschleunigung profitieren. Der EZB-Leitzins wird seit September 2023 reduziert und sich letztlich positiv auf den Immobiliensektor auswirken. Das deutsche Konjunkturpaket dürfte ebenfalls für Rückenwind sorgen.

Diese Ausgangslage wird von den Finanzmärkte honoriert. Die Sika-Titel sind mit einem KGV von 27 nicht billig. Dennoch: Das Kurspotenzial sehen Analysten bei 24 Prozent. Einige Experten sehen sogar Kurse von bis zu 350 Franken - also gut 50 Prozent höher.  Den US-Zöllen sieht das Sika-Management indes gelassen entgegen. Die Lieferketten wurden schon vor Jahren dezentralisiert. Das Unternehmen erzielt 23 Prozent vom Umsatz in den USA.

SIG Group

Der Verpackungshersteller befindet sich in einem wachstumsarmen Umfeld. Gemäss der UBS drückt die Teuerung die Konsumentennachfrage weiterhin und die Wachstumsraten dürften unter den langjährigen Durchschnitten liegen. Diese Ausgangslage hat SIG dazu bewogen, einen zurückhaltenden Ausblick für dieses Jahr abzugeben.

Nicht alle Experten teilen diese Meinung. Die vorsichtige Prognose lässt Raum für positive Überraschungen, meint ein Analyst. Er erwartet ein zweistelliges Gewinnwachstum in den kommenden Jahren. Das Geschäftsmodell, das hohe Marktwachstum bei verpackten Getränken und weitere Marktanteilsgewinne bei aseptischem Karton verdient einen besseren Multiplikator. Der Kurszielkonsens impliziert ein Aufwärtspotenzial von 22 Prozent.

Mit einem KGV von 21 sind die SIG-Titel zwar nicht ganz günstig, doch die hohen operativen Margen und die stark steigenden Gewinne rechtfertigen diese zumindest. Für das defensive Geschäftsmodell dürften auch Zölle keine Gefahr sein. Der Konzern erwirtschaftet nur 13 Prozent der Umsätze in den USA.

Sensirion

Die Aktien des Technologie-Unternehmen Sensirion gehören in diesem Jahr zu den besten SPI-Titeln. Sie notieren auf Jahresbasis über 36 Prozent im Plus.

Laut Analysten ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Der Konsens deutet auf ein weiteres Gewinnpotenzial von mindestens 6 Prozent hin. Laut der US-Grossbank JPMorgan haben sich die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung ausgezahlt. Dies zeigt sich in einem deutlichen Wachstum. Bis 2027 wird mit einer Umsatzsteigerung von über 50 Prozent und einer Vervielfachung des Gewinns pro Aktie gerechnet.

Sensirion erwirtschaftet nur 15 Prozent der Umsätze in den USA und dürfte damit in begrenztem Masse von Zöllen betroffen sein. Aufgrund des Wachstumscharakters des Unternehmens sind die Papiere nicht ganz billig. Mit Blick auf die 2027er-Ergebnisse handeln die Aktien bei einem KGV von 25. 

Geberit

Ebenfalls von einer konjunkturellen Erholung in Europa wird Geberit profitieren. Laut Analysten beträgt das Umsatzwachstum der nächsten drei Jahre 13 Prozent. Das Gewinnwachstum wird auf 17 Prozent geschätzt. Trotz Immobilienkrise vermochte Geberit die operativen Margen seit Jahren bei knapp 30 Prozent halten.

Diese Stabilität und Ertragsfähigkeit führen dazu, dass die Geberit-Papiere teuer sind. Das KGV liegt bei knapp 31. Die jüngsten Kursbewegungen als Reaktion auf das deutsche Konjunkturpaket haben dazu geführt, dass Geberit die Kursziele überschossen hat. Experten setzen das Kursziel 11 Prozent tiefer. Ob die tieferen Kursziele ein Grund zur Sorge sind, ist fraglich. Dem Unternehmen geht es trotz Widerständen gut. Geberit verfügt über eine der geringsten Exponierungen gegenüber den USA. Gerade mal 3 Prozent erzielt der Sanitärtechniker jenseits des Atlantiks. 

Luca_Niederkofler
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