Die Aktien des ums Überleben kämpfenden Zahlungsdienstleisters Wirecard notierten am freitag noch etwas über einen Euro. Am Montag legten die Aktien von Wirecard dann zeitweise um 216 Prozent zu. Zum Schluss resultierte noch ein Tagesgewinn von insgesamt 166 Prozent. Auch am heutigen dienstag steigen die Aktien über 100 Prozent und notieren plötzlich wieder bei 6,50 Euro.
Die Spekulanten wetten darauf, dass Wirecard der endgültigen Pleite entkommen kann und sich der Aktienkurs auf kurz oder lang wieder erholt. Das eingeleitete Insolvenzverfahren und die daraus resultierenden Konsequenzen scheinen die Spekulanten nicht stark zu stören. Sie fühlen sich durch den heute angekündigten Verkauf des US-Geschäfts in ihrem Unterfangen bestätigt. Wahrscheinlich - und das wäre typisch bei solchen Aktien - sinkt der Kurs dann wieder rasant.
Insolvenzverwaltung - Nordamerika-Tochter von Wirecard stellt sich zum Verkauf https://t.co/fwE0rLQ8Vq pic.twitter.com/cco0t4rAQ1
— cash (@cashch) June 30, 2020
Der Grossteil der Leerverkäufer scheint die starke Gegenbewegung antizipiert zu haben. Sie stiegen rechtzeitig aus. Der bislang grösste Wirecard-Leerverkäufer, Susquehanna International, hat seine Netto-Shortposition bis am 26. Juni um 36,5 Prozent auf 1,22 Prozent der Aktien reduziert, wie Bloomberg berichtet. Die Investmentbude Slate Path fuhr die Leerverkaufs-Position um 10,4 Prozent auf 1,21 Prozent der Aktien des Unternehmens zurück. Und der Vermögensverwalter Capital Fund Management berichtete indessen für den 26. Juni eine Netto-Shortposition von 1,22 Millionen Aktien, was 0,99 Prozent der Anteilsscheine entspricht.
Die Deutsche Börse und die Politik reagieren
Der Deutschen Börse ist diese Entwicklung, wie das Manager Magazin berichtet, ein Dorn im Auge. So soll das Regelwerk für die deutsche Börsenliga überarbeitet werden. "Das Vertrauen in den Kapitalmarkt hat offensichtlich in den letzten Tagen gelitten. Als Marktplatzbetreiber ist es auch unsere Aufgabe, das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken", lässt der Frankfurter Börsenbetreiber verlauten.
Und auch die Politik wird aktiv. So wurde der Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung gekündigt. Der privatrechtlich organisierte Verein DPR kontrolliert im Staatsauftrag die Bilanzen und hat im Fall von Wirecard nach Ansicht der Ministerien versagt. Das Versagen der Aufsicht lässt sich auch darin verorten, dass mit der aufwendigen und komplexen Prüfung in den vergangenen 16 Monaten im Wesentlichen nur ein einzelner Mitarbeiter betraut gewesen sei.
Die Geschichte erinnert an das Hertz-Comeback
Der Kursgewinn der Wirecard-Aktien erinnert stark an die jüngste Aktienentwicklung des Autovermieters Hertz. Dieser meldete am 24. Mai kurz nach Handelsschluss Insolvenz an. Die Corona-Krise hatte dem schon länger strauchelnden Unternehmen den letzten Stoss versetzt. Der Aktienkurs stand rund zwei Wochen später 100 Prozent höher als am Tag der Insolvenz-Meldung. cash hatte hier berichtet, warum Pleite-Unternehmen ohne Wertschöpfung an den Börsen gehypt werden. Viele investoren, die neu an der Börse sind, stürzen sich auf der Jagd nach schnellem Geld auf die Aktien von Pleite-Unternehmen und treiben die Kurse damit hoch.