Für die Schweizer Aktienanleger hat das neue Börsenjahr begonnen, wie das alte endete: Mit steigenden Aktienkursen. Doch diese wollen verdient sein. Wenn die hiesigen Unternehmen über die nächsten Wochen ihre Jahresergebnisse vorlegen, wird man besonders genau hinschauen. Fast noch wichtiger als das Abschneiden im zurückliegenden vierten Quartal sind die zukunftsgerichteten Aussagen – von Informationen rund um die Dividende für das vergangene Jahr gar nicht zu sprechen.
Wie immer, wenn harte Fakten auf vorgefasste Meinungen treffen, dürften den Aktien der jeweiligen Unternehmen grössere Kursbewegungen sicher sein. Mit anderen Worten: Es naht die Stunde der Wahrheit - wobei die enttäuschenden Jahresumsatzzahlen von Sika schon mal für Nervosität sorgen.
Sika zeigt: Die Erwartungen sind hoch
Denn bei den Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI) läutete der Bauchemiespezialist aus Baar ZG die Jahresberichterstattung am Donnerstag mit einem ernüchternden Zahlenkranz ein. Auf den ersten Blick konnte sich das Umsatzwachstum von fast 15 Prozent zwar sehen lassen.
Die milliardenschweren Firmenübernahmen ausgeklammert, steigerte Sika den Umsatz aus eigener Kraft allerdings bloss um 3 Prozent und verfehlte die diesbezüglichen Analystenerwartungen klar. Im Schlussquartal tendierte das organische Wachstum dann sogar fast gegen Null. Der Broker Kepler Cheuvreux sprach von der "grössten Enttäuschung seit Jahren".
Was die effektive letztjährige Gewinnentwicklung anbetrifft, so hüllt man sich beim Unternehmen selbst vorerst noch in Schweigen und vertröstet auf die Veröffentlichung des detaillierten Jahresergebnisses am 21. Februar.
Nachdem die Sika-Aktie die letztjährige SMI-Gewinnerliste mit einem satten Plus von 46 Prozent unangefochten anführte, geriet sie aufgrund der Umsatzenttäuschung (cash berichtete) unter Verkaufsdruck und büsste zeitweise fast 4 Prozent ein. Das zeigt, wie ambitioniert die Erwartungen mittlerweile sind.
Hoch sind die Erwartungen auch, wenn der Risikokapitalspezialist Partners Group und der Sanitärtechnikkonzern Geberit am 16. Januar mit ersten Eckdaten zum letzten Jahr und tags darauf der Luxusgüterhersteller Richemont mit seinem Zwischenbericht für das dritte Quartal des Fiskaljahres 2019/20 aufwarten.
Reduzierte Erwartungen bei Richemont
Analysten gehen davon aus, dass Partners Group die verwalteten Kundenvermögen erneut kräftig steigern konnte. Erst kürzlich bekräftigte die US-Investmentbank J.P. Morgan ihre Kaufempfehlung für die Aktie des Risikokapitalspezialisten und erhöhte das Kursziel auf 1000 (zuvor 900, derzeit: 913) Franken. Auch die Credit Suisse empfiehlt die Aktie neuerdings mit einem Kursziel von 1000 Franken zum Kauf.
Etwas zurückhaltender sind die Analysten für die Umsatzentwicklung bei Geberit und Richemont. Aufgrund der Proteste im Schlüsselmarkt Hongkong wurden die Umsatzschätzungen für Richemont im Vorfeld des Zwischenberichts mit dem Rotstift überarbeitet. Folglich sollten die Erwartungen mittlerweile an einem realistischeren Punkt angelangt sein. Bei Geberit hingegen sorgt die Umsatzenttäuschung des Branchennachbars Sika für eine gewisse Zurückhaltung. Das gilt insbesondere für die zukunftsgerichteten Aussagen.
Spannend wird es, wenn sich die UBS am 21. Januar als eine der ersten Grossbanken in Europa zu Wort meldet. Das Interesse gilt an diesem Tag vor allem der Höhe der Jahresdividende. Hält die Grossbank ihr ursprüngliches Versprechen, müsste sie die Jahresdividende eigentlich um 5 auf 70 Rappen je Aktie erhöhen.
Seit einem milliardenschweren Gerichtsurteil eines französischen Gerichts gegen die UBS ist allerdings nichts, wie es mal war. Ein Berufungsprozess wird für Juni erwartet. Im ungünstigsten Fall droht sogar ein langjähriger Rechtsstreit. 2019 zählte die UBS-Aktie zu den Schlusslichtern im SMI. Die Aktionäre der beiden Rivalen Julius Bär und Credit Suisse werden am 21. Januar wohl ebenfalls genau hinschauen, was sie dann im Februar in etwa erwarten könnte.
Stapeln Roche und Novartis erneut tief?
Als man sich am Hauptsitz von Lonza den 21. Januar für die Veröffentlichung des Jahresergebnisses ausgesucht hat, dürfte den Firmenverantwortlichen wohl nicht klar gewesen sein, die Firma an diesem Tag im Schatten der UBS stehen wird. Neben wichtigen Erkenntnissen zum abgelaufenen sowie zum neuen Jahr erhoffen sich die Analysten Neuigkeiten rund um die Suche nach einem Nachfolger für den ausscheidenden Firmenchef Mark Funk.
Die Stunde der Wahrheit naht erst Ende Januar. Am 29. Januar wartet der Pharmakonzern Novartis mit dem Jahresergebnis auf, gefolgt tags darauf vom Platzrivalen Roche. Gemeinsam sind die beiden Unternehmen beim SMI für fast 40 Prozent der Gesamtkapitalisierung verantwortlich. Mit anderen Worten: Bewegen sich die Schwergewichte, bewegt sich der gesamte Aktienmarkt.
Und gleich noch etwas haben die beiden Unternehmen gemeinsam: Ihre Aktionäre gelten als erfolgsverwöhnt, erhöhten doch sowohl Roche als auch Novartis in den vergangenen 12 Monaten gleich mehrmals in Folge ihre Jahresvorgaben. Gut möglich, dass die Basler Pharmakonzerne bei den Zielvorgaben auch 2020 so früh im neuen Jahr wieder tiefstapeln. Wie schon vor einem Jahr sollten sich Anleger davon nicht allzusehr irritieren lassen.
Die Aktionäre von Nestlé müssen sich hingegen noch bis Mitte Februar in Geduld üben. Dann wird sich zeigen, ob sich beim an der Börsenkapitalisierung gemessen grössten Schweizer Unternehmen im Schlussquartal die erhoffte Wachstumsbeschleunigung einstellte. Die Erwartungen sind hoch, auch was das Jahr 2020 anbetrifft.
Ähnliches lässt sich über die anstehenden Ergebnisse der Unternehmen aus der zweiten und dritten Linie sagen, unter ihnen etwa die beiden Schokoladehersteller Lindt & Sprüngli und Barry Callebaut, der Lausanner Peripheriegerätehersteller Logitech, der Tesla-Zulieferer Bossard oder die Industrie-Urgesteine Rieter, Bucher oder Mikron.
Auch sie alle müssen den hohen Erwartungen irgendwie gerecht werden. Nicht weniger bedeutend als die Geschäftsentwicklung im Schlussquartal sind mögliche Aussagen zur zukünftigen Dividendenpolitik sowie zum neu anlaufenden Geschäftsjahr.