Laut einem Bericht der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aus dem letzten Monat hatten italienische Unternehmen Ende Juni aus der Covid-Ära staatlich garantierte Kredite im Rekordvolumen von 123,2 Milliarden Euro ausstehen. Im Quartal zuvor waren es noch 118 Milliarden Euro. In Italien gibt es mehr staatliche garantierte Schuldtitel, die noch zurückgezahlt werden müssen, also überall sonst in der Eurozone - obwohl das Land beim Bruttoinlandsprodukt nur die Nummer drei ist.
Die neu gebildete Regierung von Giorgia Meloni steckt damit in einem Dilemma: Wie und in welchem Umfang kann sie Unternehmen unterstützen, die in einem rapide nachlassenden Konjunkturumfeld mit höheren Kosten zu kämpfen haben, insbesondere beim Posten Energie? Rom hat ein Hilfspaket geschnürt, das es den Unternehmen ermöglicht, ihre Energierechnungen auf bis zu zwei Jahre zu verteilen. Den Gas- und Stromversorgern indessen wurde eine 90-prozentige staatliche Garantie für die umgeschuldeten Rechnungen gewährt.
«Befinden uns auf sehr dünnem Eis»
Jede zusätzliche Unterstützung für Unternehmen in Form von Schulden verschiebe den Schmerz nur, warnt Stefano Caselli, Dekan der SDA Bocconi School of Management in Mailand. Folge seien Unternehmensstrukturen mit hoher Schuldenlast, die untragbar werden könnten, wenn in einem Rezessionsumfeld Einnahmen und Gewinne einbrechen. "Wir befinden uns auf sehr dünnem Eis", sagte er. "Wenn das System in eine Rezession gerät und die Spannungen bei den Energiepreisen hoch bleiben, wird die Verschuldung der Unternehmen zu einem Problem. "
Der Internationale Währungsfonds prognostiziert, dass die Wirtschaftskraft Italiens 2023 um 0,2 Prozent schrumpfen wird.
Die staatlich garantierten Pandemiekredite wurden im Jahr 2020 gewährt, als das Coronavirus und die Massnahmen zu seiner Eindämmung für Verwerfungen in der Weltwirtschaft führten und zahlreiche Unternehmen in Liquiditätsnöte brachten. Mit den nun steigenden Zinsen und nachlassendem Wirtschaftswachstum stellen viele italienische Unternehmen fest, dass Darlehen schwer rückzahlbar und auslaufende Kredite schwer durch neue ersetzbar sind. Einigen gelingt es nicht, ihre Kreditkonditionen zu erfüllen.
Problem: Wenig Eigenkapital
Beispiel Giochi Preziosi: Der Spielzeughersteller erhielt 2020 ein Bankdarlehen über 85 Millionen Euro, das zu 90 Prozent vom italienischen Staat garantiert wurde. Anfang dieses Jahres mussten die Banken dem Unternehmen eine Ausnahmegenehmigung erteilen, weil es laut seinem jüngsten Geschäftsbericht die mit den Kreditlinien verbundenen Covenants nicht einhalten konnte. Das Unternehmen wies auch auf potenzielle Risiken für seine Geschäftstätigkeit durch eine anhaltende Rezession hin.
Caselli merkt an, in Reaktion auf die Corona-Krise hätte den Unternehmen besser Eigenkapital zu Verfügung gestellt werden sollen, statt ihre Schuldenlast zu vermehren. "Das Problem bei italienischen Unternehmensschulden ist die Eigenkapitalknappheit in den Bilanzen."
Grossvolumige Garantien
In Reaktion auf die Pandemie hatte jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union seinen eigenen öffentlichen Garantieplan entwickelt.
Das Rahmenwerk Garanzia Italia sah vor, dass Unternehmen zuerst die Finanzierungslinie einer Bank beantragen, die dann wiederum um eine staatliche Garantie ersuchte - über die Exportkreditagentur SACE oder die Staatsbank Mediocredito Centrale Mezzogiorno. Sobald es grünes Licht gab, konnte die Bank die Fazilität gewähren.
Der Staat garantierte die neuen Kreditlinien zwischen 70 Prozent und 90 Prozent. Italien hat laut EBA-Bericht mit 84,8 Prozent der insgesamt vergebenen Kredite den grössten Prozentsatz durch Staatsgarantien abgedeckt. Spanien und Frankreich kamen auf 78,9 Prozent beziehungsweise 65,8 Prozent. Auf Italien, Spanien und Frankreich entfallen zusammen etwa 90 Prozent der EU-weit noch ausstehenden staatlich garantierten Kredite.
Auch Unternehmen mit Ramsch-Ratings wurden Garantien angeboten. Banken waren bereit, Kreditlinien zur Verfügung zu stellen, da sie wussten, dass der Grossteil des Volumen vom Staat garantiert wurde. Zu den Banken mit den grössten Engagements gehören Intesa Sanpaolo, UniCredit und Banco BPM.
"Es gibt immer noch gewisse Bedenken hinsichtlich der Kreditqualität dieser Engagements", sagte der Autor des EBA-Berichts, Andreas Pfeil. "Für Banken dürfte dies aufgrund der Garantien jedoch weniger ein Problem darstellen", so der Bankenanalyst in der EBA-Abteilung Konjunktur- und Risikoanalyse.
Die entscheidende Frage ist also, wann und wie all diese Schulden zurückgezahlt werden.
Kein Zugzwang
"Die Regierungen erkennen zunehmend, dass einige dieser Kredite umstrukturiert werden müssen, wobei die einfachste Möglichkeit darin besteht, die Laufzeiten zu verlängern", erklärte Justin Holland, Managing Director bei DC Advisory. "Vieles wird davon abhängen, wo das Darlehen eingestuft wird und wo es in der Kapitalstruktur steht".
In Italien haben solche Darlehen in der Kapitalstruktur einen hohen Rang. Im Falle einer Umstrukturierung haben sie damit gegenüber anderen Schulden Vorrang. Umgehender Zugzwang besteht indessen nicht. Eine Wand von Fälligkeiten droht Italiens Unternehmen nicht. Ein Grossteil der staatlich garantierten Darlehen wird laut einem separaten EBA-Bericht erst nach dem Jahr 2024 fällig.
"Wir befinden uns in einem Spannungsfeld: Die Zinsen steigen und wir steuern auf eine Zeit zu, in der der Druck auf die Unternehmen weiter zunehmen und das Finanzierungselement mehr Gewicht haben wird", sagte Carlo Massini, Partner bei Hogan Lovells in Mailand. "Ein umgehendes Problem gibt es im Hinblick auf Rückzahlungen derzeit allerdings nicht."
Letztlich wird sich Italien aber doch mit dem Schuldenberg seiner Unternehmen auseinandersetzen müssen.
(Bloomberg)
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Mini-Bots – Wie ist die Idee entstanden?
Regierungen haben immer wieder kreative Wege gesucht, um sich zu finanzieren. Beispiele liefert die jüngere Vergangenheit: So gab der US-Bundesstaat Kalifornien in einer Budgetkrise 2009 vorübergehend Schuldscheine heraus.
Auf ein ähnliches Instrument setzte Argentiniens Regierung: 2001 lancierte sie «Patacón»-Papiere, um ihr Schuldenloch zu stopfen. Auch in der Eurozone waren ähnliche Ideen im Umlauf. So wollte Griechenlands Finanzminister Yannis Varoufakis während der Euro-Krise eine Parallelwährung herausbringen.
Mini-Bot: Italien liebäugelt mit einer Parallel-Währung