Seit Mitte 2002 sind die Preise für Eigentumswohnungen in der Schweiz um 75 Prozentpunkte gestiegen, nachdem sie in den 1990er-Jahren 28 Prozentpunkte gefallen waren. Dies zeigen Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Wohl gibt es nicht nur einen einzigen Grund für die Trendumkehr. Eine Erklärung scheint aber plausibel: Das Bevölkerungswachstum, welches besonders durch die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU gefördert wurde. Das diesbezügliche Abkommen wurde 1999 unterzeichnet und trat 2002 in Kraft.

Seither hat, so die offziellen Angaben, die ständige Wohnbevölkerung pro Jahr um durchschnittlich 66'200 Personen zugenommen. Davon kamen 43'000 Personen aus dem EU-Raum hinzu. Zahlreiche der eingewanderten Arbeitskräfte sind hochqualifiziert, gut verdienend und in stark wachsenden Wirtschaftszweigen des Dienstleistungssektors beschäftigt. Sie können für den Wohnraum, den sie benötigen, entsprechend viel bezahlen, was den Immobilienmarkt belebt.

Der Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsentwicklung und den Immobilienpreisen ist auch quantifizierbar: Ein Anstieg des Bevölkerungswachstums um 1 Prozentpunkt werde das Preiswachstum für Einfamilienhäuser um 1,29 Prozentpunkte und jenes für Eigentumswohnungen um 1,69 Prozentpunkte erhöhen, heisst es in einer Studie der Immobilienberatung Wüest Partner.

Doch ein wesentlicher Faktor des Bevölkerungswachstums, die Personenfreizügigkeit, ist unter politischem Druck. Zum einen läuft eine Volksinitiative, welche die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz auf zehn Millionen Menschen beschränken will. Zu diesem Zweck verlangt die Initiative als Ultima Ratio, dass die Personenfreizügigkeit gekündigt werde. Wegen der sogenannten Guillotine-Klausel würden auch die anderen bilateralen Verträge des erstens Pakets dahinfallen.

Zum anderen steht ein Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU im Raum. Die Personenfreizügigkeit ist darin enthalten. Wie der Bundesrat schreibt, seien diesbezüglich in den Verhandlungen die Ziele der Schweiz erreicht worden. Etwa werde die Zuwanderung weiterhin auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet. Doch der Widerstand gegen das Vertragspaket ist bereits da. Die Gewerkschaften kritisieren, der Lohnschutz werde abgebaut und der Service Public geschwächt. Die SVP wehrt sich gegen eine engere Anbindung an die EU und beharrt auf einer eigenständigen Steuerung der Zuwanderung durch die Schweiz - eine solche Steuerung des Personenverkehrs steht der Freizügigkeit entgegen, ist aber schon seit 2024 in der Verfassung vorgesehen.

Zoltan Szelyes, CEO von Macro Real Estate, schreibt: «Ein Ende der Freizügigkeit könnte einem schwarzen Schwan-Event für Immobilieninvestoren in der Schweiz gleichkommen.» Der Zustrom von Hochqualifizierten habe zu «ausserordentlich stabilen und hohen Anlagerenditen und geringen Schwankungen der Werte in der Schweiz» geführt. Die Daten, die Szelyes liefert, zeigen, dass sich die Erträge auf Anlageimmobilien seit 2002 vervielfacht haben, nachdem sie sich zuvor kaum oder nur mässig entwickelt hatten.

Weiter skizziert der Ökonom und Immobilienanalyst die markoökonomischen Folgen einer Entflechtung der Beziehungen zwischen Bern und Brüssel. Ein kurzfristiger ökonomischer Schock und mittelfristig tieferes Wachstum wären zu erwarten, heisst es in dem kürzlich veröffentlichten Papier. Höhere Inflation ginge mit höheren Zinsen einher. Sprich: Höhere Finanzierungskosten stehen ins Haus.

Tatsächlich ein schwarzer Schwan?

Ob die Auswirkungen tatsächlich so schwer sein werden, dass man von einem schwarzen Schwan sprechen muss, ist offen. Denn trotz des sich abzeichnenden Widerstandes gegen die Verträge zwischen der Schweiz und der EU, entschieden ist Stand heue nichts. Das Parlament wird sich erst noch mit den frisch verhandelten Abkommen befassen, und ein Referendum ist absehbar. Ein Nein zum Vertragspaket würde die Personenfreizügigkeit nicht beenden. Diese und die anderen bestehenden Abkommen würden aber nicht mehr aufdatiert, «was zu einer schrittweisen Erodierung des bilateralen Weges führen würde», wie das Schweizer Aussendepartement EDA auf Anfrage von cash.ch erklärt.

Weiter hängt der Immobilienmarkt nicht nur von der Zuwanderung, sondern auch von den Zinsen und von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Landes ab: Ein gut laufender Arbeitsmarkt und ein robustes Wirtschaftswachstum stützen den Immobiliensektor ebenso, wie es die sehr tiefen Zinsen in den vergangenen 15 Jahren getan haben.

Worauf ein grösseres Zerwürfnis zwischen der Schweiz und Brüssel hinauslaufen kann, hat BAK Economics untersucht. Bezogen auf die Bilateralen I: Ohne sie würde das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Leistung bis zum Jahr 2040 um 6,5 Prozent tiefer liegen. Einem wirtschaftlichen Verlust dieser Grössenordnung wird sich der Immobiliensektor kaum entziehen können.

Allerdings gibt es Hinweise, dass sich die Schweiz ein Stück weit von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone abgenabelt hat. Seit 2011 habe die Industrieproduktion hierzulande 40 Prozentpunkte zugelegt, während sie im europäischen Umfeld praktisch gleich geblieben sei, berichtete Charles-Henry Monchau, Anlagechef der Bank Syz im vergangenen Herbst. Zur Erklärung sagte er: «In der Schweiz gibt es einige wichtige Sektoren mit sehr hoher Wertschöpfung, die sich immer noch von der Konkurrenz aus den Schwellenländern abheben. Dies sind Pharma, Uhren und Chemie.»

Auf die eigenen Stärken verweisen auch die Kritiker des neuen Vertragspakets, zu denen auch Unternehmer gehören. Das «Erfolgsmodell Schweiz» beruhe auf dem Föderalismus und der direkten Demokratie. Eine zu starke Bindung an die Europäischen Union würde dieses System sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erodieren lassen, was den Standort Schweiz schwäche. «Was wir nicht wollen, ist, dass wir durch die schlechten Tendenzen in den Regulierungen in den EU-Staaten unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern», sagte beispielsweise Hans-Peter Zehnder, Verwaltungsratspräsident des Raumklimaspezialisten Zehnder Group, der Handelszeitung in einem Interview vom Dezember.

Szelyes selbst verweist auf den «hohen Schweizer Pragmatismus, wenn es um vitale ökonomische Interessen geht». Das Nein zu einem Abkommen müsse nicht zwingend das Aus für die Partnerschaft zwischen der Schweiz und der EU bedeutet.

Reto Zanettin
Reto ZanettinMehr erfahren