Iqbal Khan hat seine ersten fünf Monate als Leiter des Asiengeschäfts der UBS mehr als genutzt. Er nahm an Hunderten von Kundenmeetings teil, führte Einzelgespräche von Shanghai bis Sydney, besuchte ein Grand-Prix-Rennen in Singapur und begann, Mandarin zu lernen.
Dem Vernehmen nach hat er auch geholfen, wichtige Mandate der chinesischen Tech-Giganten Alibaba und JD.com zu sichern; Sprecher der Unternehmen wollten sich zu den Mandaten allerdings nicht äussern. Und das alles, während die UBS kurz davor steht, sich an 360 One WAM, einem der grössten Vermögensverwalter Indiens, zu beteiligen. Damit würden die Schweizer ihre Präsenz in der bevölkerungsreichsten Nation der Welt rasch ausbauen.
Khans rasanter Start unterstreicht die Bedeutung Asiens für die UBS, die den Markt seit langem als Schlüsselregion für ihre Wealth-Management-Ambitionen ansieht. Doch die Lage in Asien, wo mehr als ein Viertel der 500 reichsten Menschen der Welt lebt, war noch nie so komplex wie heute: Chinas Wirtschaft schwächelt, die geopolitischen Spannungen nehmen zu und die Konkurrenz durch etablierte Rivalen wie DBS und HSBC wächst.
Die jüngsten Quartalsergebnisse der UBS zeigten diesen Monat die ersten Kundenabflüsse in der Region seit der Übernahme der Credit Suisse vor fast zwei Jahren. Zwar hat sich das von UBS in Asien verwaltete Vermögen seit 2014 auf 665 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass ihr Kernmarkt - die Ultrareichen - inzwischen gesättigt ist. Den grössten Druck könnte der 49-jährige Khan aber weiterhin aus Zürich verspüren.
Denn er gilt seit langem als einer der Favoriten für die Nachfolge von CEO Sergio Ermotti, der voraussichtlich Anfang 2027 zurücktreten wird. Khans kürzliche Ernennung zum Leiter der Region Asien-Pazifik impliziert, dass er seinen Wert aus der Ferne unter Beweis stellen muss - und das innerhalb eines engen Zeitrahmens von zwei Jahren.
Bald am Höhepunkt nach einem beachtlichen Aufstieg?
Sollte Khan es an die Spitze schaffen, wäre dies der Höhepunkt eines bemerkenswerten Aufstiegs in der konservativen Welt des Schweizer Finanzwesens. Khan kam als Schüler aus Pakistan in die Schweiz und lernte genug Deutsch, um in der Buchhaltung Fuss zu fassen. Er stieg zum Wirtschaftsprüfer bei der UBS auf, bevor er zur Credit Suisse wechselte. 2019 kehrte er im Zuge eines Spionageskandals um den ehemaligen Credit-Suisse-CEO Tidjane Thiam zurück zur UBS. Das war etwa vier Jahre vor dem Zusammenbruch der Credit Suisse.
Khans Versetzung nach Asien im vergangenen Jahr ging mit der Entscheidung einher, die Leitung des Wealth Managements in zwei Bereiche aufzuteilen. Die Rolle, die Khan zuvor allein innehatte, wird nun mit dem Amerika-Chef Rob Karofsky geteilt.
Während einige Kollegen die räumliche Distanz zum Machtzentrum Zürich als Nachteil im Rennen um den Chefposten sahen, kann Khan nun seine Fähigkeiten im Schlüsselmarkt unter Beweis stellen. In Interviews mit mehr als einem Dutzend ehemaliger und aktueller Kollegen nannten diese Asien als entscheidenden Faktor in der Nachfolgefrage. Khan lehnte ein Interview für diesen Artikel ab.
Neben Karofsky konkurriert Khan auch mit potenziellen Kandidaten wie Beatriz Martin, Leiterin derjenigen Sparte, die die Altlasten der Credit Suisse abbaut, und Aleksandar Ivanovic, der das Asset Management der UBS leitet. Auch Sabine Keller- Busse, die Schweiz-Chefin der UBS, wird als mögliche Kandidatin genannt.
«Iqbal verfügt über ausserordentliches Wissen im globalen Wealth-Geschäft», sagte Jon Gray, Präsident von Blackstone. «Nach der Fusion mit der Credit Suisse sind Iqbals Fähigkeiten für UBS wertvoller denn je.»
UBS ist der weltweit grösste Wealth Manager
Die UBS ist der weltweit grösste Wealth Manager ausserhalb der USA und ihre Geschichte in Asien reicht weiter zurück als die der meisten globalen Banken, die um einen Anteil am Reichtum der Region wetteifern. Eine Niederlassung der Schweizerischen Bankgesellschaft – der Vorgängerin der UBS – wurde 1964 in Hongkong eröffnet. Im darauffolgenden Jahr enstand ein Büro in Tokio, und 2004 öffnete die Bank ihre Pforten in Peking und bot Fremdwährungseinlagen an. Auf Chinesisch bedeuten die Schriftzeichen für «UBS» einfach «Schweizer Bank».
Das Wealth-Management-Geschäft im asiatisch-pazifischen Raum schneidet im Vergleich zu den meisten anderen UBS-Regionen gut ab. Der Gewinn vor Steuern ist mit dem in Amerika häufig vergleichbar - 271 Millionen Dollar im vierten Quartal - allerdings mit einem viel schlankeren Betrieb. Die Amerika-Sparte beschäftigt mehr als sechsmal so viele Vermögensberater wie in der APAC-Region, erwirtschaftet aber nur etwa dreimal so viel Ertrag.
Von Anfang an konzentrierte sich Khan auf China. Die Verheissung von Reichtum durch die viel gepriesene finanzielle Öffnung vor weniger als einem Jahrzehnt blieb angesichts strenger Regeln Pekings in der Post-Covid-Ära jedoch aus. Die jahrelange Kampagne des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping für «gemeinsamen Wohlstand» hat viele Grosskunden der UBS verunsichert. Diese zielte darauf ab, die vermeintlichen Exzesse der Ultrareichen einzudämmen. Aus Angst vor möglichen politischen Gegenreaktionen zögerten einige nun sogar, sich mit Privatbankern zu zeigen, heisst es aus informierten Kreisen.
Für die UBS ist die Situation heikel. Laut dem Aktienresearch-Unternehmen Autonomous ist die Bank «überproportional» bei chinesischen Milliardären engagiert. In einem im Oktober veröffentlichten Bericht schätzte Autonomous, dass die organische Wachstumsrate der UBS in Asien in den letzten zehn Jahren um 70 Basispunkte pro Jahr zurückgegangen ist. Dem Bericht zufolge liegt das Wachstum der von UBS verwalteten Vermögen um mehr als 15 Prozentpunkte hinter dem ihrer lokalen Konkurrenten wie HSBC und DBS.
Khan muss seinen Teil zum UBS-Ziel beitragen, bis 2028 mehr als 5 Billionen Dollar an verwaltetem Vermögen zu betreuen. Donald Trump als US-Präsident - und das unvorhersehbare Verhältnis zu China - sorgen für noch mehr Spannungen.
Vor diesem Hintergrund erweitert die Bank nun ihre Reichweite auf neue Kunden und strebt gleichzeitig höhere Einnahmen aus der bestehenden Liste wohlhabender Unternehmer an. Khan hat bereits den Druck auf Banker erhöht, das Cross-Selling von UBS-Produkten aus den Bereichen Asset Management und Investmentbanking an vermögende Kunden zu steigern.
Laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person ist Khan insbesondere bestrebt, die Erträge durch das Vermögensverwaltungs-Joint-Venture der UBS mit der Industrial & Commercial Bank of China zu steigern. Dabei zielt er darauf ab, das Netzwerk der grössten Bank Chinas anzuzapfen.
Menschen für sich gewinnen
Chinesische Milliardäre schnell für sich zu gewinnen, ist eine wie für Khan geschaffene Aufgabe, sagten Personen, die ihn im Laufe seiner Karriere kennengelernt haben. Sein Talent sei es, Kunden zu gewinnen und sie an sich zu binden. Das bewies er in seiner Zeit als Buchhalter bei Ernst & Young bis hin zu den Jahren, in denen er das internationale Wealth-Management- Geschäft der Credit Suisse leitete.
Khan, der sechs Sprachen spricht, ist einer der wenigen Führungskräfte der Credit Suisse der letzten Jahre, die unbeschadet aus den Trümmern der Bank hervorgegangen sind. Von 2015 bis 2019 leitete er das internationale Wealth-Management- Geschäft, in der Zeit baute die Bank rasch ein Geschäft mit dem Verkauf von Anlageprodukten auf, die mit dem Finanzier Lex Greensill in Verbindung standen - dessen Firma brach später zusammen.
Die Lieferkettenfonds bescherten den Kunden schliesslich grosse Verluste und spielten eine Rolle beim Niedergang der Credit Suisse. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hat jedoch keine Schuld von Khan in dieser Angelegenheit festgestellt. Ein früherer interner Bericht, an dem Deloitte mitarbeitete, hat laut UBS ebenfalls keine Fehler festgestellt.
Indien als Hürde
Khan hat unmittelbarere Sorgen. Um der Verlangsamung in China entgegenzuwirken, muss er schnell Märkte wie Australien und Indien gewinnen, wo Konkurrenten wie Julius Bär schnellere Fortschritte machen.
Die UBS beschäftigt in Indien etwa 15'000 Vollzeitmitarbeiter, von denen die meisten jedoch im Backoffice tätig sind. Die Bank hat sich vor etwa zehn Jahren aus dem Vermögensgeschäft im Land zurückgezogen, das Vermögen indischer Unternehmer verwalten stattdessen Konkurrenten von HSBC bis Barclays.
Dennoch steht die Bank kurz vor einem Deal, um einen besseren Zugang zu diesem Markt zu erhalten. Wie Bloomberg News berichtete, befindet sie sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem Vermögensverwaltungsunternehmen 360 One über eine Transaktion, die entweder einen Aktientausch, ein Joint Venture oder eine Partnerschaft mit dem in Mumbai ansässigen Unternehmen beinhalten könnte.
In Australien versucht die UBS nach ihrem einstigen Rückzug Kunden wieder zurückzugewinnen. Die Schweizer müssen nun mit der europäischen Rivalin LGT Bank konkurrieren, die sich dort zu einem wichtigen Akteur entwickelt hat. LGT hatte dort zuvor die ehemaligen Geschäfte der UBS und eine Sparte der Commonwealth Bank of Australia - des grössten Kreditgebers des Landes - aufgekauft.
Die UBS verwaltet in Australien mehr als 30 Milliarden Dollar, darunter das Vermögen von Bergbau-Milliardären, wie zu hören ist.
Das Ziel der UBS, das verwaltete Vermögen in einer komplexen Region zu steigern, steht im Widerspruch zu ihrer bekanntlich konservativen Risikobereitschaft. Nach der Credit- Suisse-Übernahme im Jahr 2023 machte sie sich sofort daran, Kredite der Bank an reiche Kunden in Milliardenhöhe, abzustossen.
Die UBS fokussiert sich vorerst eher auf die USA
Das Top-Management der UBS konzentriert sich vorerst mehr auf die Festlegung ihrer Strategie in den USA - dem grössten Vermögensmarkt der Welt. Die UBS schneidet dort im Vergleich zu Konkurrenten wie Morgan Stanley seit vielen Jahren unterdurchschnittlich ab.
Khan beobachtet die Performace dort genau, vergleicht sie mit der Entwicklung in Asien und übt gegebenfalls Druck auf sein Team aus, wenn Asien nachlässt. Ein Insider-Witz aus seiner Zeit bei der Credit Suisse war, dass das Akronym seines Bereichs International Wealth Management eigentlich «Iqbal Wants More» («Iqbal will mehr») bedeutete.
Der Banker muss nun bei seinem Asien-Einsatz einen schmalen Grat zwischen Erfolg und Scheitern beschreiten. Khans «Erfolg hatte immer mit einer höheren Risikobereitschaft zu tun», sagte Rupak Ghose, ein unabhängiger Analyst, der früher bei der Credit Suisse tätig war. «Die Herausforderung für ihn besteht darin, schweizerischer im Sinne einer ruhigen Hand zu sein.»
(Blommberg)