Das Thema der staatlich gelenkten und geförderten Industriepolitik lässt Klaus Hommels nicht los. Der "Inflation Reduction Act" in den USA führe zu mehr Protektionismus über alle Regionen, warnte der Wagniskapitalspezialist schon im letzten Jahr an der Investorenkonferenz Noah in Zürich. Das Gesetz werde dazu beitragen, die geopolitischen Spannungen zu verstärken.
Hommels, Gründer und Chairman von Lakestar mit Sitz in Zürich und früher Risikokapitalgeber bei Spoitfy, Skype oder Facebook, knüpfte an diesem Punkt an machte die Industriepolitik und die Verteidigungsausgaben zum Hauptthema seiner Rede am Auftakt von Noah am Mittwoch im "The Circle" am Flughafen Zürich. Industriepolitik gehe ganz klar nicht ohne staatliche Unterstützung, sagte Hommels. Er nannte dazu als Beispiel die staatlichen Unterstützungsprogramme, welche schlussendlich das iPhone ermöglicht haben.Ohne staatliche Föderung bei Kerntechnologien wie Multi-Touch-Bildschirme, dem Internet oder Mikrofestplatten wäre das iPhone nicht möglich gewesen.
Mit dem Inflation Reduction Act (Gesetz zur Reduzierung der Inflation) wollen sich die USA klimafest und zukunftssicher aufstellen. Mit den staatlichen Hilfen sollen grüne Technologien und insbesondere die heimische Industrie gefördert werden. Mit dem überparteilichen Infrastrukturgesetz und dem “Chips and Science Act” stellen die USA so insgesamt Hilfen im Wert von über 1 Billion Dollar zur Verfügung.
"Da ist sehr, sehr viel Geld vorhanden, und es ist eine sehr elegante Art und Weise, wie Industriepolitik betrieben wird und wie Unternehmer unterstützt werden", beurteilt Hommels die US-Industriepolitik. Die USA nimmt laut Hommels mittels strategischer Initiativen gar eine Haltung des Kalten Krieges ein: Dazu gehörten der “Strategic Competition Act”, der “Endless Frontier Act” und das "Committee on Foreign Investment in the United States".
Bei der geopolitische Polarisierung und bei der künftigen wirtschaftlichen Machtverteilung spielen laut Hommels aber auch die Verteidigungsausgaben und die nationale Sicherheit eine wesentliche Rolle. Investitionen in die Verteidigung seien eine Investitionen in die Souveränität, was schliesslich Investments anziehe, so Hommels. Die USA hätten mit einem Verteidigungsbudget in der Höhe von 877 Milliarden Dollar etwa gleich viel Ausgaben wie die zehn nachfolgenden Staaten.
«Europa hat zu wenig Stolz»
Und Europa? “Europa spielt keine Rolle auf den wichtigsten internationalen Bühnen, weder von Seiten der Unternehmen noch von den Staaten”, klagt Hommels. Es fehle vor allem an Selbstvermarktung. “Es kommt mir manchmal vor. als hätten wir keinen Stolz. Dabei hätten wir so grosse Dinge zu verkaufen.”
Europa muss sich deshalb neu erfinden, fordert Hommels: In der EU-Industriepolitik, bei den Kapitalmärkten, in der Verteidigungssouveränität. Vor allem Kapitalmärkte seien in Europa nicht wirklich vorhanden: "Wenn man in Europa etwas an die Börse bringt, bleibt die Liquidität lächerlich. Das Niveau der Analysten, welche europäische Unternehmen abdecken, ist schlecht", so das ungnädige Urteil Hommels. Die USA halte schliesslich 42 Prozent Prozent an der weltweiten Marktkapitalisierung, Europa nur 11 Prozent.
Bereits hinsichtlich Wagniskapital tun sich laut dem Investor Gräben auf zwischen den Wirtschaftsräumen. Bei Yale Endowment, der Stiftung der Yale University und die zweitgrösste Universitätsstiftung der Welt, macht "Venture Capital" rund 23 Prozent der Vermögensaufteilung aus. Bei den Pensionskassen in Europa beträgt dieser Anteil laut Hommels 0,02 Prozent.
Die Konferenz Noah bringt alljährlich bereits börsenkotierte Konzerne, Start-ups, Risikokapitalgeber und Family Offices zusammen. Nach eigenen Angaben hat die Konferenz jeweils die am schnellsten wachsenden europäischen Digitalunternehmen zu Gast.