cash: Herr Koller, aktuell haben Sie in ihrem Portfolio keine Schweizer Biotech-Firma. Sind Schweizer Titel zu wenig attraktiv?
Daniel Koller: Dass wir keine Schweizer Aktien in unserem Portfolio haben, hat mit der Ausrichtung von BB Biotech zu tun. Wir halten bewusst ein limitiertes Portfolio mit maximal 35 Titeln. Im letzten Jahr kam mit der belgischen Argenx nur eine europäische Firma dazu. Die restlichen neun Neuinvestitionen stammen alle aus den USA.
Sie investieren seit vergangenem Jahr verstärkt in Small- und Mid-Caps. Gleichzeitig stossen Sie die Beteiligung grösserer Biotech-Firmen ab. Wieso?
Das ist ein bewusster Erneuerungszyklus, wir setzen auf die nächste Generation von Unternehmen. Nachdem Actelion übernommen worden und Novo Nordisk aus dem Portfolio ausgeschieden ist, werden wir uns im Verlaufe von 2019 auch von unseren langjährigen Investments Celgene und Gilead trennen. Denn obwohl dies attraktive Firmen sind, erfüllen sie unsere Wachstums- und Entwicklungsansprüche nicht mehr. Wir wollen mit unserem Portfolio langfristig 15 Prozent Rendite pro Jahr erzielen. Dazu braucht es ein hohes Umsatzwachstum.
Mit welchen Firmen wollen Sie Ihr Renditeziel erreichen?
2018 haben wir mit dem Erneuerungsprozess im Portfolio angefangen, dieser wird nun stetig fortgesetzt. Zudem haben wir gegenwärtig mit Vertex, Alexion, Incyte und anderen Titeln Firmen im Portfolio, die mehrere Produkte auf dem Markt haben und klar profitabel sind. Über diese Erfolge haben diese Unternehmen sich quasi zur nächsten Generation grosskapitalisierter Biotech-Unternehmen entwickelt. Wir sind überzeugt, dass diese für die nächsten zwei bis fünf Jahre besser aufgestellt sind als die ganz grossen Biotechs.
2018 gab es eine starke Korrektur im Sektor, in diesem Jahr ist der Nasdaq-Biotech-Index aber bereits wieder um 19 Prozent angestiegen. Wie stufen Sie derzeit das Umfeld für Biotech-Firmen ein?
Die Basis des Aufschwungs in diesem Jahr war natürlich der massive Fall im Dezember. Der Biotech-Markt ist da noch ein Stück weit volatiler als etwa der SMI oder der Dow-Jones-Index. Auch diese Indizes hatten eine Korrektur Ende 2018 und zeigen nun stark nach oben.
Gibt es auch branchenspezifische Gründe für den aktuellen Aufschwung?
Die amerikanische Zulassungsbehörde hat vergangenes Jahr mit 59 Zulassungen - etwa die Hälfte davon stammte von Biotech-Firmen - einen neuen Rekord erzielt. Ausserdem gab es jüngst hohe Kapitalzuflüsse durch Übernahmeaktivitäten im Sektor. Anfang Jahr wurde etwa Celgene von Bristol-Meyers angegangen. Mit der Übernahme von Spark hat auch Roche im Bereich der Gentherapien zugeschlagen. Und am Montag hat Biogen angekündigt, Nightstar akquirieren zu wollen. Diese positive Entwicklung steht den weiterhin negativen Geldfüssen vieler Fonds gegenüber, denn viele Anleger haben aufgrund von Makro-Risiken auch Gelder aus dem Biotech-Markt entzogen.
Wird es im weiteren Jahresverlauf noch viele Biotech-Akquisitionen geben?
Wir gehen davon aus, dass die Übernahmewelle im Biotech-Sektor weitergehen wird. Es ist ein normaler Zyklus, dass die ganz grossen Firmen auf externe Innovationen setzen, via Lizenzen oder eben mit dem Kauf von Biotech-Firmen. Erst seit einigen Jahren mit von der Partie sind auch grosse Biotech-Firmen, die selbst zu Käufern werden.
Wer könnte konkret Übernahmen tätigen?
Die Industrie fokussiert sich derzeit darauf, was Gilead mit den enormen Cash-Beständen tun wird. Dort kommt der ehemalige Roche-Pharmachef Daniel O’Day als neuer CEO. Gilead schiebt 30 Milliarden Dollar an Cash vor sich her und wird weiterhin jährlich 8 bis 10 Milliarden Dollar an Cashflow generieren. Somit ist die Frage nicht ob, sondern was gekauft wird. Denn die interne Pipeline wird nicht ausreichen, um die Firma in die nächste Grössenordnung zu katapultieren. Ähnlich fragt man sich auch, was Astrazeneca, Lilly oder Merck machen werden. Auch Roche hat verkündet, nach dem Zukauf von Spark weiter Ausschau nach Übernahmen zu halten.
Wie sagen Sie zu den aktuellen Bewertungen im Biotech-Sektor?
Ich sehe noch immer absolut attraktive Bewertungen. Die grossen Firmen handeln alle irgendwo bei tiefen zweistelligen oder gar einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnissen. Das gibt es sonst in kaum einem anderen Sektor. Trotz Übernahmeankündigung und starken Kursanstiegs handelt Celgene noch immer auf einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8 für das Jahr 2019. Gilead ist bei einem Wert um 10, Biogen bei 11, Amgen bei 13 und Alexion ist momentan bei 15. Vertex ist mit circa 40 klar höher bewertet. Diese Firma wächst jedoch noch sehr stark und wird den Gewinn derzeit jährlich enorm steigern.
Und wie lautet Ihr Urteil für Mid-Caps?
Auch hier sehen wir weiterhin Potenzial. Vor allem die grosspharmazeutische Industrie spricht gerne davon, dass Biotech-Firmen teuer bewertet seien, gleichzeitig tätigen sie aber Zukäufe mit 80 bis 120 Prozent Prämie zum aktuellen Aktienkurs. Aus unserer Sicht haben Mid-Caps vielversprechende Produkte, die bereits lanciert wurden oder kurz vor der Einführung stehen. Zudem kontrollieren sie auch mehrheitlich die vielversprechenden neuen Technologien.
Welche Trendthemen gibt es im Biotech-Sektor?
Der Fokus liegt derzeit bei Gentherapien und beim Gen-Editing. Dies war auch das Schwergewicht bei unseren Neuanlagen in den letzten beiden Quartalen. Beim Bereich Gentherapien hat es durch Roche, Biogen oder im letzten Jahr Novartis bereits Übernahmen gegeben. Gen-Editing hingegen ist im Produktezyklus noch weniger weit fortgeschritten. Und von vielen Investoren wohl vergessen wurden die sogenannten RNA-basierten Therapien, die sich für die Behandlung seltener und schwerer Erkrankungen bewiesen haben und nun auf grössere Märkte zielen.
Was für börsenkotierte Unternehmen gibt es im Bereich der RNA-Therapien?
Hier gibts Firmen wie Ionis, Akcea, Alnylam, Moderna oder Wave Life Sciences. In diesem Bereich hat es interessanterweise in den letzten Jahren keine Übernahmen gegeben, trotz all der Erfolge dieser Unternehmen.
Raten Sie Privatanlegern auf einzelne Biotech-Firmen zu setzen oder ist das Risiko eines Totalverlustes schlicht zu gross?
Der Portfolio-Ansatz ist mittel- bis langfristig der einzig richtige. Mit Einzelaktien kann man natürlich massive Gewinne erzielen, aber auch Totalausfälle sind möglich. Schlussendlich sollte man über die Breite am Erfolg der Industrie teilhaben und nicht über Einzeltitel.
Dr. Daniel Koller ist seit fast 15 Jahren als Analyst und Portfoliomanager für die Beteiligungsgesellschaft BB Biotech tätig und seit 2010 Leiter des Investmentteams.
Die börsenkotierte BB Biotech beteiligt sich an Gesellschaften im Biotechnologie-Sektor. Der Fokus der Beteiligungen liegt auf börsennotierten Gesellschaften, die sich auf die Entwicklung und Vermarktung neuartiger Medikamente konzentrieren.